26. November 2008
Nachgelesen: Opera Jawa Überlegungen zur Frage, mit welchen Mitteln eine Kritik das Publikum für einen Film interessieren darf – und mit welchen sie es besser nicht tun sollte.
Ich bin, wie man das tut als braver Co-Redakteur, dem Link, den Simon in seinem Text über die verkuratierte Aufführung/Installation von Garin Nugrohos Film Opera Jawa setzte, gefolgt. Dem Link, um genau zu sein, unter «gefeiert». Der führt zu einer Kritik bzw. einem Hinweis Jonathan Rosenbaums im Chicago Reader. Es ist keine Frage, dass Rosenbaum den Film feiert, er bezeichnet ihn ganz genau gesagt als «audacious, undeniably challenging, in fact downright mind-boggling avant-garde masterpiece». (Ich habe den Film noch nicht gesehen und hatte vorher schon und habe jetzt erst recht große Lust darauf.)
So richtig interessant wird die Sache aber erst, wenn man sich ins Reich der Kommentare zu Rosenbaums Artikel hinunterbegibt. Oben schon hat er die in der New York Times erschienen Kurzkritik von Jeannette Catsoulis heftig angegriffen und als «hässlich, fremdenfeindlich, ohne Sorgfalt geschrieben» bezeichnet. Erst springt dann Catsoulis' Kollege Matt Zoller Seitz (ebenfalls New York Times-Kritiker, Gründer des Blogs House Next Door) der Autorin zur Seite, dann setzt auch sie selbst sich mit den Anwürfen auseinander.
Spannend wird es bei der Frage, worum der Streit sich eigentlich dreht. Spannend jedenfalls für FilmkritikerInnen und, hoffe ich, für diejenigen, die Filmkritiken lesen. Die Vorwürfe Rosenbaums und etwa auch des französischen Bloggers Harry Tuttle, der sich am entschiedensten auf seine Seite stellt, lauten, vereinfacht gesagt, dass Catsoulis den Film nicht Ernst genug nimmt. Dass sie ihn unter ihren eigenen, eher schalen Witzen begräbt. Dass sie unwichtige Dinge erwähnt, wichtige dagegen nicht. Dass sie, zusammengefasst, den Film nicht mit jener Komplexität behandelt, die ihm angemessen wäre.
Sie akzeptiert in ihrer Entgegnung keinen der Vorwürfe. Zum einen widerspricht sie entschieden Rosenbaums Behauptung, die Kritik sei negativ. Vielmehr sei sie, so Catsoulis, auf ein Publikum gezielt – die weit über einen Spezialistenbereich hinausgehende Leserschaft nämlich der New York Times –, das in seiner übergroßen Mehrzahl «nur unter vorgehaltener Waffe» einen solchen Film im Kino ansehen ginge.
Die Waffe, die sie zieht, so ihre Verteidigung, sind Witz und Humor. Sie versuche, das Publikum da abzuholen, wo es überhaupt zu packen ist – in diesem Fall durch die Erwähnung eines Schauspielers/Tänzers, der bei einer Madonna-Tournee dabei war. Das Hin und Her ist mir nur zu vertraut ebenso wie der schmale Grat, auf dem man sich als Kritiker und Journalist zwischen dem Spezialistentum auf der einen und dem Verrat am Gegenstand auf der anderen Seite oft genug bewegt.
Catsoulis' Argument ist, dass sie gar nichts verrät. Dass sie im Dienst des Films steht, dem sie ein größeres Publikum zuleiten möchte, nicht mit allen Mitteln, doch auch mit anderen als denen der reinen Lehre. Nur lauere, so die Vorwürfe der Gegenseite, auch da wieder ein Problem, weil sie nämlich zum Beispiel die Tatsache, dass der Film aufregend ungewohnt ist, zu seinem bloßen Exotismus verkürze und so mindestens populistisch argumentiere. Catsoulis wiederum beklagt, implizit jedenfalls, ein Spezialistentum, das sich aus seinem sicheren Cinephilen-Getto nicht raustraut, um auch mal Töne zu wagen und Anreize zu suchen, die ein dem Cineastentum fern stehendes Publikum ansprechen.
Der Preis kann zu hoch sein und im Fall von Catsoulis' Kurzkritik ist er, finde ich ganz eindeutig auch, sehr hoch. Sie spielt den Vorurteilen eines breiten Publikums gegenüber unvertrauten Filmsprachen, Filmländern und Filmformen in die Hände. Das Wörtchen «bizarr» ist da schon eines zu viel. Wenn es etwas gibt, das man als KritikerIn keinesfalls tun sollte, dann ist es meiner Meinung nach das: Vorurteile bedienen, egal welche.
Um zuletzt noch kurz auf die Metaebene zu klettern: Ist natürlich super, dass eine solche, in jeder Hinsicht lehrreiche Diskussion im Kommentarbereich eines Blogs stattfinden kann. Dort ebenfalls angesprochen wird ein ähnlicher Vorfall, bei dem Nathan Lee auf eine Kritik des Filmemachers Caveh Zahidi an Lees New York Times-Kritik seines Films I Was a Sex Addict reagiert. (Noch ein Film, den ich schon lange mal sehen wollte, ohne bisher dazu gekommen zu sein.)