23. Oktober 2009
Der Algorithmus und Ich Kino im «Virtuellen Raum»
1. Realer Raum - Virtueller Raum
Der Titel dieser Sektion – «Virtueller Raum» – ist mutig paradox. Er impliziert nämlich, dass das Virtuelle sich als Raum fassen lässt, also als etwas, das einen Ort hat, einen Grund, einen Boden, mutmaßlich Wände und wohl auch einen Ein- und auch Ausgang. Von selbst versteht sich das nicht. Erst einmal springen doch die Unterschiede ins Auge. Das Virtuelle – ich sage kurzerhand einfach: das Internet – besitzt all das (Grund, Boden, Wände, Ein- und Ausgang) nicht. Alles Virtuelle ist erst einmal gegeben in Form digitaler Daten. Die Daten haben Adressen, aber die sind gerade nicht an Räume gebunden, sondern selbst: virtuell.
Ich werde im folgende in einem unsystematischen Schnelldurchlauf darzustellen versuchen, was das Auftauchen bewegter Bilder – ich sage ausdrücklich schon nicht: das Auftauchen von Filmen – im Virtuellen, also im Internet für diese Bilder bedeutet. Für ihren Status, für unser Verhältnis zu ihnen, für das Verhältnis, das sie zu den Bilder im nicht-virtuellen Raum (als der Tradition des Kinos) haben und für das Verhältnis der Bewegtbilder im virtuellen Raum zueinander. Ich beginne mit der trivialen, aber folgenreichen Tatsache, dass virtuelle Räume zwar Grenzen haben, aber diese sind nicht unbedingt von der Art einer Wand. Virtuelle Räume haben Eingänge und sie haben Ausgänge. Jedenfalls: man kann eine Website aufrufen, einen Film im eingebetteten Player starten und wieder beenden. Aber virtuelle Räumen haben zugleich etwas sehr viel Wichtigeres: eine virtuell unendliche Verbindbarkeit von allem mit jedem. Als Link ist jeder virtuelle Raum in jedem anderen virtuellen Raum potenziell schon da.
Virtueller Raum ist vom Link befallener Raum – und damit ändert sich einfach alles. Der Raum ist nicht mehr einfach ein statischer Container. Das Abwesende ist in virtuellen Räumen immer auch präsent, soll heißen: potenziell verfügbar. Von hier nach da gelange ich in wenigen Sekunden. Ich muss mich nicht aufmachen zum Kino, ich muss nicht auf einen Sendetermin warten, sondern ich sehe einen Link, ich klicke drauf und schon startet, drücke ich den Player, der Film. Bis eben wusste ich möglicherweise noch gar nicht, dass dieser Film existiert. Oder dass er mich interessiert. Das erfahre ich – über den Film und über mich – im virtuellen Raum. Ich verlasse diesen Raum nicht, wenn ich anderswohin gehe.
Ich gelange also rasend schnell, ohne Anstrengung und ohne Medienbruch zum Bewegtbild, aber ich gelange genauso schnell wieder weg. Diese Möglichkeit und die Leichtigkeit, mit der das vonstatten geht, verändert nicht nur die Zugänglichkeit der Erfahrung, sondern unweigerlich auch die Erfahrung selbst. Denn durch das Wissen, dass ich in Sekundenbruchteilen woanders sein kann, dass mir das Bewegtbild seine Dauer und seine Zeit nicht aufzwingen kann, ist auch auch die Linearität der Zeit meines Aufenthalts potenziell unterbrochen. Konkret kann das heißen: Die Ansicht eines Films von etwa neunzig Minuten ist im virtuellen Raum möglich. Aber sie ist nur eine Möglichkeit unter vielen. Ich kann zwischendurch anderswohin gehen, kann Ausschnitte dazwischenschieben, die thematisch fern liegen oder nah, kann mich in der imdb über den Film informieren, kann nachlesen, was diese oder jener über eine Stelle, die ich nicht verstehe, geschrieben hat.
2. Rezeptionsgeschichte, Digitalisierungsgeschichte, Virtualisierungsgeschichte
Gewiss. Es gibt seit Jahrzehnten, wie jeder weiß, andere Methoden Filme zu sehen, als den Gang in den architektonischen Aufführungsdunkelraum namens Kino. Wir sehen Filme im Fernsehen oder nehmen sie auf und sehen sie dann. Wir sehen sie auf Video oder DVD. Dadurch schon hat sich der Zugriff, haben sich die Bilder, hat sich die Verfügbarkeit der Filmgeschichte für den einzelnen radikal verändert. So bedeutet Video, mehr noch dann DVD: Jeder hat plötzlich «eigene» Kopien der Filme in der Hand, kann sie anhalten, beschleunigen, wiederholen oder den Film für dies und das unterbrechen und die Ansicht später fortsetzen. Man holt sich das Kino nach Hause, man kann das Kino als Objekt zu erschwinglichem Preis selbst erwerben: Damit tritt es in eine neue Phase seiner grundsätzlich von Anfang an existenten Reproduzierbarkeit ein.
Mit dem Entstehen des Internets aber radikalisiert sich die Vervielfältigung des Kinos noch einmal und auch sehr viel radikaler als mit den Verflüssigungen zuvor. Es gibt kein klares Skript mehr, wie sogar noch für das Benutzen der DVD, die man in der Verschaltung klar definierter Geräte benutzt. Noch der DVD-Player macht cum grano salis den Rechner zum fernsehförmigen Gerät. Mit der DVD wird das Kino zwar digital (mit allen Implikationen für die identische Kopier- und Veränderbarkeit des Bewegtbilds), aber noch nicht wirklich virtuell. Das werden die Bewegtbilder erst im radikal anderen, ganz und gar digitalen «Raum» des Internets.
Das Internet ist nicht einfach ein «neues Medium», es ist ein Hypermedium, das alle anderen Medien in sich aufnimmt und im selben Moment schon verändert – nicht zuletzt dadurch, dass es sie zueinander in Beziehung setzt. Das Internet ist virtuell nicht nur in dem erst einmal trivialen Sinn, dass es aus digitalen Datenströmen und nicht aus realen Wänden und wirklichen Personen besteht. Es ist virtuell immer auch darin, dass es eine sehr viel höhere Plastizität besitzt als herkömmliche Medien. Diese sind zwar immer in Grenzen auch für neue Verwendungen offen: darin besteht nicht weniger als ihre Geschichtlichkeit. Das Internet aber als Hyper-Medium nimmt mehr oder minder alle existierenden Mediennutzungsweisen in sich auf und verwandelt sie im selben Moment. Es macht die Bewegtbilder transportabler, veränderbarer, durchlässiger, es nimmt ihnen ihr spezifisches Gewicht. Es löst existierende Praktiken nicht ab, aber indem es ganz andere, fluidere Nutzungs-, Verknüpfungs- und Verarbeitungsweisen nahelegt, verändert es unweigerlich jeden hergebrachten Umgang mit dem, jede traditionelle Verwendung des Bewegtbilds. Die alten Medien kommen da, wo sie in ihren Nutzungsweisen mit dem Netz nicht verknüpft sind, nicht mehr hinterher. Das Kino wurde mit jedem neuen Bewegtbildmedium – Fernsehen, Video, DVD und nun Internet – ein gutes Stück und weit über seine Jahre hinaus älter. So alt wie heute sah es noch nie aus.
3. Das Netz als großer Enteigner
Das Netz ist rasend schnell. Es ist immer im Fluss. Was sich heute als Praxis etabliert, ist schon morgen von gestern. Das ist die Folge einer ganz neuartigen Verschränkung von Technik, sozialem Zugang, Raum und Zeit. Das Netz ist ein großer Gleichmacher schon aufgrund seiner technischen Voraussetzungen. Youtube existiert seit 2005. Inzwischen sind Abermillionen von Filmen dort zu finden; jeder kann sie raufladen, ansehen, kommentieren, verändern. Niemand kontrolliert, was wann wo und im welchen Kontext auf Youtube läuft. Natürlich gibt es kuratorische und kommerzielle Versuche, das freie Flottieren und Strömen der Bilder zu kontrollieren, zu kanalisieren und in Hierarchien, Kontexte, neue Ordnungen – oder auch neue, interessantere Unordnungen – zu bringen. Einige dieser Versuche stelle ich im zweiten Teil des Workshops auch vor.
Im Grunde aber gilt – und wird voraussichtlich ab sofort unhintergehbar gelten: Jede (technische oder soziale) Neuerung, jedes Objekt, jedes Werk kann potenziell von jedem, der ans Netz angeschlossen ist, sofort, überall anders verwendet werden, als von irgend jemandem intendiert. (Sei es von dem, der es geschaffen hat. Sei es von dem, der es veröffentlicht hat.) Gewiss, jede Technik, jede Neuerung, jedes Werk – kurzum: jede Form der Kommunikation – hat auch außerhalb des Internet Potenziale, die erst die Rezeption, die Praxis, die Anschlusskommunikation zum Vorschein bringen. Im Internet aber wird diese Potenzialität so real wie niemals zuvor: der Remix, der Mashup, die skrupellose Neu- und Umverwendung des Vorhandenen sind im Netz nicht nur potenziell oder virtuell, sondern sehr real existent. Etwas zugespitzt: Ständig werden durch Umverwendung, durchs Neu-Mischen, durchs Dazutun von eigenen Bildern, eigenen Texten, eigenen Kommentaren die Werke, die Praktiken, auch die Techniken anders. (Und auch das Eigene wird im nächsten Moment enteignet vom reißenden Fluss der Anschlusskommunikationen.)
Fürs «Virtuelle Kino» kann das nur heißen: Die Formen der Bewegtbilder, der Umgang mit ihnen, ihre Verknüpfung untereinander, all das, was jetzt schon bis zur Unüberschaubarkeit vielfältig ist, wird dies auch bleiben. Es wird sogar alles nur noch vielfältiger werden, je leichter es für den einzelnen sein wird, selbst tätig zu werden. Das kann nur heißen: Niemand bleibt im Netz in der Weise Herr oder Frau über das eigene Werk, die eigene Plattform, die eigenen kuratorischen Absichten, die technischen Anlagen und Vorgabe. Das Netz ist der große Umwandler und, weil es Aneignungen so unglaublich einfach macht, der große Enteigner. Die unglaubliche Leichtigkeit von Enteignung und Neuaneignung sind ein und dasselbe Phänomen, sind zwei Seiten derselben Medaille, das darf man bei allen Problemen, die diese Umordnung von Eigentumsverhältnissen mit sich bringt, nicht vergessen.
4. Präpositionale Praktiken
Auf der Seite der Neu-Aneignung, des kreativen Umgangs mit Vorhandenem, steht eine phänomenale Praxis der Um-, und Aneignung, der Anverwandlung und Umverwandlung, des originellen Auf- und Eingreifens und Veränderns. Eine Praxis, vielmehr: Praktiken, kurz gesagt des Um-, des An-, des Ver-, des Auf-, des Ein- und des Aus. Präpositionale Praktiken, die der soziale Grund der durchs Digitale und seine Techniken möglich gemachten Plastizität des Internets sind. Präpositional nenne ich diese Praktiken, weil an ihnen oft der Zugriff das Wichtige ist, nicht das Werk, die Verwendung und nicht die Aussage, die Präposition und nicht der Gehalt. Weil die Grenzen des Werks sich so auflösen, löst sich auch das Skript des Kinos auf in eine große Vielfalt von vergleichsweise sehr instabilen Skripten. In einem Artikel, der sehr klar diese Entwicklung zusammenfasst, hat das Peter Glaser, einer der besten Kenner des Digitalen, das so beschrieben:
Der Übergang in das digitale Aggregat führt erst einmal zu einer Art Ursuppe aus Bruchstücken und atomisiertem Kulturgut, das allerdings hoch reaktionsbereit ist. Es ähnelt den freien Radikalen in der Chemie, die sich auf aggressive Weise zu verbinden suchen.
Keine Rede ist hier mehr von einem «virtuellen Raum». Die Metapher, die Glaser bevorzugt, ist die der fluiden Reaktionsmilieus, die die Chemie beschreibt. Und weiter, noch ein Glaser-Zitat:
Filme werden jetzt tranchiert in zwei, drei Minuten lange Clips, die sich danach auf YouTube versuchsweise zu neuen Molekülen konfigurieren. Zu vagen Wolken aus Lieblingsstellen, Pointen, Fan-Parodien und Remixes.
Das so beschriebene chemische Moment ist sicher nicht die ganze Wahrheit über den «virtuellen Raum», der sich gerade entwickelt. Aber man vergleiche: Das Arsenal ist ein realer Raum mit Ein- und Ausgang, in dem, was jemand mit großer Expertise ausgesucht hat, unter kontrollierbaren Bedingungen aufgeführt wird. Wenn dem Arsenal, neuerdings auch: Institut für Videokunst, experimentell zumute wird, geht es hinaus in die Mitte der Stadt und projiziert Bilder an eine Wand. Als Expanded Cinema sucht es die Nähe zur Kunst und in Aufführungsformen und -Praktiken die Anähnelung an die Bildende Kunst. Das virtuelle Kino dagegen ist plastisch und beweglich, seine Aufführungen – falls es noch Aufführungen sind – finden potenziell jederzeit und potenziell überall und potenziell für jeden, der ans Netz angeschlossen ist, statt. Zugangskontrollen, über den Preis, über soziale Schichtzugehörigkeit, über geografischen Standort sind schwierig und es fragt sich deshalb durchaus, wie sinnvoll sie sind.
5. Archive ohne Archivar: Youtube & Co.
Am sichtbarsten und deutlichsten wird all das natürlich an den großen und fast schon unzähligen Videoplattformen, deren größte und bekannteste und mit gut vier Jahren älteste YouTube ist. (DailyMotion, Vimeo, Veoh, Youku, Google Video etc. etc.) Youtube ist fraglos ein «virtueller Raum» des Kinos, aber wie lässt es sich fassen? Hier laufen Abermillionen Filme auf ungezählten Kanälen, hochgeladen von ungezählten Personen. Banaler Content, krasser Content, kommerzieller Content, Musikvideocontent, jahrzehnte alter Content, in eben dieser Minute geschaffener und gefilmter Content, beinahe live upgeloadeter Content (siehe z.B. die Handybilder aus dem Iran im Frühsommer), englischer, japanischer, argentinischer, chinesischer, nigerianischer also: globaler Content, Hoyllwood-Content, Porno-Content, geklauter Content, angeeigneter Content, in seinem legalen Status unklarer Content, Amateurcontent, Proficontent, Katzencontent und in aufs Gesamte gesehen verschwindend geringer Menge auch Kunst- und Kinocontent. Bilder in teils schauderhafter, teils ganz okayer, bisher aber kaum in hervorragender Qualität. Bilder, die man im Prinzip nur auf dem Rechner sehen kann und als Stream.
Youtube hat kein festes Programm, Youtube hat immer geöffnet, bei Youtube ist alles immer verfügbar, Youtube kostet keinen Eintritt und Youtube ist vollkommen unüberschaubar. Nirgendwo wird heute schon und auf absehbare Zukunft erst recht mehr Kino (oder jedenfalls: Bewegtbild) gezeigt und gesehen als hier. Youtube hat keine Besucher und keine Zuschauer, sondern Nutzer, denn anders als im traditionellen Kino und auch im traditionellen Fernsehen, mit dem das virtuelle Kino auf den ersten Blick manche Gemeinsamkeit hat, läuft auf Youtube nichts von allein. Wer ins virtuelle Kino von Youtube gehen will, muss anders aktiv werden als der Kinobesucher. Aus einer quasi unendlichen Menge von Angeboten wählt die Benutzerin mit einem Klick jeweils nur eins. Und weiß, wie anfangs schon gesagt, bei jedem Klick, dass Abermillionen mindestens genauso interessanter Angebote im selben Moment genauso präsent sind.
Das heißt unter anderem: Youtube ist Archiv und Kino zugleich. Ein Archiv ohne Archivare, ein Kino ohne Aufführungsort, ein Sender, der jeden zum Anbieter macht. Oder: Ein Archiv, in dem ich potenziell Content-Produzent, Archivar, Nutzer und Programmierer bzw. Kurator bin. Ich stelle Sachen rein, ich suche Sachen raus, ich muss selbst auswählen und muss, vom Archiv zu Entscheidungen genötigt, eine Auswahl treffen und dann den Start des Programms selbst aktivieren. «Broadcast Yourself» lautet beziehungsreich der Slogan der Plattform: Mach selber Programm und führ dich als individuelles Programm selber auf: «du bist, was du siehst und, als zukünftiger Freund aller Gleichgesinnten, positiv bewertest».
6. User im Netz: Der Algorithmus und Ich
Große Frage aber: Ist das Kino da auf all diesen Videoplattformen überhaupt wiederzuerkennen? Und bin ich als Kinobesucher wiederzuerkennen? Oder führen alle Beteiligten, das Kinoarchiv Youtube und der Kinoarchivnutzermensch Ich da nicht schon etwas ganz anderes auf? Gewiss, etwas von den alten und bekannten Bildern des Kinos ist da, aber wie sieht das denn aus? Klein und pixelig, umgeben von Texten und Bildern. Vorzugsweise in Ausschnitten, denen jeder filmhistorische Kontext fehlt. Irgendwer sagt in den Kommentaren irgendwas dazu und da in diesen Archiven alles, aber auch alles, was sich bewegt, archiviert wird, stehe ich zuallererst schon vor der entscheidenden Frage: Wo finde ich in diesem unendlichen Meer (dieser, mit Peter Glaser, «Ursuppe», etwas, das taugt?
Im Netz, wie man es bei Youtube erlebt, zerfällt, was in realen Programmkinoräumen kuratorische und damit aus Expertise gespeiste Herstellung von Kontexten ist, in zwei extreme, einander stets begegnende, aber miteinander nur schwer zu vermittelnde Pole der Auswahl. Die Unendlichkeit des Verfügbaren und Vorhandenen trifft auf der einen Seite auf ein vom Angebot zwangsweise aktiviertes und den Stream aktivierendes Ich, das erstens wählt und zweitens, durch Links und Bewertungen, weiterempfiehlt. Dieses Ich schwankt. Und zwar zum Beispiel zwischen Machtfantasien einerseits: alles meins, alles zu meiner Verfügung - und Ohnmachtserfahrung andererseits: Wie weiß ich, was wichtig ist? Wo fang ich an, wo hör ich auf? Wer hilft mir weiter?
Was weiterhilft, bei Google, bei Youtube, bei Amazon und überall da, wo die Menge des Möglichen gegen Unendlich geht: Algorithmen. Formeln, die Fund-Hierarchien so herstellen, dass das Ergebnis dem Suchenden passt. Die in Unkenntnis der Einzelperson sagen können: Das hast du gesucht. Das willst du. Das wird dir gefallen. Mit Suchalgorithmen macht Google seine Milliarden. Mit Ähnlichkeitsalgorithmen à la «Wer dies gekauft hat, mag auch das», macht Amazon seine Kunden zu Käufern von Werken und Dingen, die sie anders womöglich nie kennengelernt hätten. Genauso der riesige amerikanische DVD-Verleiher Netflix in den USA. Neulich hatte das Unternehmen eine Prämie von einer Millionen Dollar ausgeschrieben für den, der den Ähnlichkeitsalgorithmus so stark verbessert, dass die Bewertungen einzelner Filme im Schnitt aller Kunden um zehn Prozent besser vorausgesagt werden können als bisher.
7. Kanäle & Kuratoren
Damit wären wir bei der Frage: Zwischen alleingelassenem Ich und den mächtigen unpersönlichen Algorithmen: Was bleibt da? Wie lässt sich das in unüberschaubarer Menge Verfügbare finden, ordnen, in Kontexte stellen, kuratieren? Wie stellt sich im Virtuellen ein neuer Raum für Bewegtbilder - er muss ja nicht mehr unbedingt Kino heißen - wieder her? Wo liegt eine mögliche Mitte zwischen Algorithmus und Ich, welche neue Formen von Gemeinschaftlichkeit sind denkbar und wünschbar?