video/installation

23. Februar 2009

Yael Bartana: Summer Camp Notizen aus den USA, lose Folge

Von Ekkehard Knörer

Der Zufall hat mir innerhalb weniger Wochen erst, zur Berlinale, Harun Farockis Doku Zum Vergleich und dann gestern Yael Bartanas Video Summer Camp, das ich bei der letzten Documenta offenbar übersehen hatte, vor die Augen gespielt. Summer Camp ist jetzt im Rahmen einer der israelischen Künstlerin Bartana gewidmeten Retrospektive im New Yorker P.S.1 zu sehen. Die beiden Filme laden, hier gewinnt Farockis Titel ohne sein Wissen eine weitere Dimension, auf den ersten Blick zum Vergleich ein.

Farocki führt dokumentarisch, sachlich, nüchtern vor, was Menschen mit Ziegeln tun. Sie formen sie, sie brennen sie und sie bauen daraus auf der ganzen Welt Häuser. Bartanas Film führt den Bau eines sehr speziellen Hauses vor. Er dauert zwölf Minuten und dokumentarisch, sachlich, nüchtern ist er nicht. Wer hier nämlich baut, sind Israelis, Mitglieder einer besatzungskritischen Organisation mit dem Namen «Israeli Committee Against House Demolitions» (ICAHD). Ihr Hausbau ist ein symbolischer Akt. Auf Jerusalemer Boden errichten sie ohne Genehmigung der Behörden das Haus eines Palästinensers neu, dass von der israelischen Armee in Hebron niedergerissen wurde. (Rachel, ein Film von Simone Bitton, der auch auf der Berlinale zu sehen war, erzählt von einer Friedensaktivistin aus dem Westen, die von einem israelischen Schutträumpanzer bei einem Unfall getötet wurde.)

Schutt, sehr viel Schutt sieht man in Summer Camp. Überm Schutt die Einblendung «Palestine», die buchstäblich nicht zutrifft. Aber das zeigt nur: hier wird ein allegorisches Haus gebaut. Und ein referenzielles. Summer Camp, die Doku vom Hausbau hat nämlich eine Rückseite, die, wer vorne sitzt, nur als Flackern im hinteren Teil des Raums wahrnimmt. Diese Rückseite ist ein von Bartana neu geschnittener alter Propagandafilm der in endlosen Bildern von gehenden, ziehenden Menschen zur Eroberung des gelobte palästinensischen Lands – auch hier die Einblendung «Palestine» – aufruft.

Stumm ist der Propagandafilm, der im Hintergrund flackert. Bartanas Summer Camp ist es nicht. Vielmehr läuft darunter sehr pathetische, spätromantische Musik, die von Paul Dessau ist, der, bevor er Brecht traft, bereits Filmmusik unter anderem für die Bergfilme Arnold Fancks komponiert hatte. Dessau ist ein eklektizistischer Komponist, aber so wild durcheinander wie hier geht es, denke ich, auch bei ihm nicht am Stück: Bartana, vermute ich, hat Dessau in einzelne Teile zerlegt und daraus in teils schroff wirkender Rekombination ihr eigenes Haus gebaut.

Auch Geräusche auf der Tonspur gibt es, die den dokumentarischen Ton, der undokumentiert bleibt, verzerren. Hammerschläge vor allem und das Treffen von Hammern auf Köpfe von Nägeln, die in Holzverstrebungen geschlagen werden. Daneben sieht man, ganz wie bei Farocki, was Menschen mit Ziegeln tun: Sie bauen Wände, sie bauen ein Haus. Israelische Polizei taucht auf und steht rahtlos herum. Zwischendurch steigert Bartana den Hausbau in frenetischer Montage selbs zur quasi-propagandistischen Bild-Komposition. 

Einander fremd bleiben die Bilder und die Dessau-Musik. Diese Fremdheit ist der hauptäschliche Effekt. Man sieht Menschen beim Hausbau und weiß nicht genau, was das, was man sieht, zu bedeuten hat. Man liest es nach im Begleittext zur Ausstellung. Aber dass mit dem Haus, das entsteht (und am Ende steht es, kein Mensch mehr im Bild, einsam da in der Wüste), etwas nicht stimmt, ist nicht zu verkennen. Einerseits ist der historische Kontext sonnenklar. Dies ist ein Haus wie kein anderes, es entzieht sich, auch als allegorisches Haus, dem Vergleich. Yael Bartanas Film treibt einem eine tief unheimliche Dissonanz mit schweren Schlägen in den Wahrnehmungsapparat. Man kriegt sie nicht wieder raus.