filmwissenschaft

14. Dezember 2008

Bazin in Shanghai

Von Simon Rothöhler

Schon seit einigen Jahren werden die Arbeiten des französischen Filmdenkers André Bazin wieder intensiv rezipiert. Bedauerlich bleibt, dass nur ein kleiner Teil seiner Schriften tatsächlich öffentlich zirkuliert. Der amerikanische Filmwissenschaftler Dudley Andrew monierte kürzlich in der Fachzeitschrift Film Quarterly: «Stacked nearly a meter high in my attic are photocopies of all – or nearly all – Bazin's published writings. This amounts to over 2600 items, of which, scandalously, less than seven per cent are available in French or English.»

Die Rechte an den Texten halten die von Übernahmeturbulenzen gebeutelten Cahiers du cinéma. Eine gründliche Bazin-Werkausgabe ist geplant, kommt aber offenbar nicht so recht in Gang. Immerhin: Seit Anfang des Jahres publizieren die Cahiers monatlich einen neuen alten Text ihres Vordenkers und behalten die Aktualität des Erbes sogar in Form von Foto-Reportagen im Blick (hier findet sich eine Bilderstrecke zur Bazin-Konferenz in Shanghai, auf der unter anderem der chinesische Neo-Neorealist Jia Zhang-ke einen Vortrag gehalten hat).

In der aktuellen Ausgabe des Film Comment berichtet Dudley Andrew von eben dieser Konferenz. Zudem ist dort ein Text von Bazin aus dem Jahr 1947 in englischer Übersetzung nachgedruckt: «Every Film is a Social Documentary». Darin heißt es:

«It is a sociological psychoanalysis rather than a critical analysis that can reveal best cinema's secret reality. This reality is all the more secret since it lets the craziest dreams take on the quasi make-believe of real life. And so the social, political, moral, and lastly aesthetic value of a film depends on its implict affirmations.»