10. Februar 2025
Short Message Service 2025
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Matthias Dell amEin Highlight in seiner komplexen Einfachheit ist Stefan Hayns 2024 (2023), der zehnmal argloser scheint, als er clever ist, obwohl Cleverness keine Kategorie für den Film ist. Und toll das Q&A danach mit Hammersätzen («Das Atmen ist zuviel», «Die Schnauferei geht wieder los») sowie dem Hinweis auf Missverständnisse - dass im Ankündigungstext «Käse» steht und der RBB-Beitrag drüber «Quatsch» ist.
21. Februar 2025 um 17:28 Uhr
Hannes Brühwiler amZiemlich unvorbereitet war ich auf die Wucht von IRACEMA, UMA TRANSA AMAZÔNICA von Jorge Bodanzky und Orlando Senna (Forum). Wir sehen Wälder, die in Flammen stehen und ein Amazonas-Gebiet, das sprichwörtlich eine gesetzlose Zone ist. In diesem Inferno folgen die Filmemacher in loser fiktiver Form ihrer jungen Protagonistin, die sich verzweifelt versucht über Wasser zu halten. IRACEMA ist für mich die Entdeckung des Festivals.
21. Februar 2025 um 12:22 Uhr
Ekkehard Knörer amDrei Walkouts: YUNAN, der war nicht schlimm, nur bisschen öder, nicht vom Fleck kommender (und wollender) Hallig-Miserabilismus, der zu sehr auf seine arg generischen Atmosphären vertraut. GIRLS ON WIRE, tolle Szene mit dem Wire-Stunt-Double im eiskalten Wasser, aber insgesamt weiß der Film nicht, wohin mit sich. Und WHAT’S NEXT, komplett KI-generiert, was so hohl aussieht, gedacht und gemacht ist, wie zu befürchten ist. Keine Ahnung, was der im Forum soll.
21. Februar 2025 um 10:59 Uhr
Tilman Schumacher amAbschlussabend bei der Woche d. Kritik. Einen knapp zweieinhalbstündigen Film zeigen, danach ein Q&A und danach noch, wenn alle eh schon im handfesten Berlinale-beinahe-vorbei-Delirium sind, ein Podium mit zig angereisten Gästen abhalten – das erschließt sich mir ehrlich gesagt nach wie vor nicht. Der Film selbst sehenswert, wenn auch auseinanderfallend trotz seiner inszenatorischen, quasi architekturmodernistischen Strenge: MEASURES FOR A FUNERAL ist Recherche-, Musik- & Woman-on-the-Edge-Film zugleich; alles, was die ersten beiden Erzählebenen betrifft, ist aufregend & frisch, letztere eher generisch, motivisch abgehangen. (WdK)
21. Februar 2025 um 10:11 Uhr
Elena Meilicke amMY UNDESIRABLE FRIENDS - PART I: LAST AIR IN MOSCOW: fast 6 Stunden mit den (teils sehr) jungen Journalistinnen von Doschd und Nowaja gaseta in Moskau verbracht, jenen Zeitraum von Oktober 2021 bis März 2022, in dem sich endgültig alles änderte. Zu Beginn noch fantasievoller Umgang mit Putins Ausländische-Agenten-Gesetz (ein Photo Shooting im James-Bond-Look), am Ende Paranoia und überstürzter Aufbruch nach Prag oder Tashkent; anderthalb Woche nach Kriegsausbruch lebt keine von ihnen mehr in Russland. 1/2
21. Februar 2025 um 10:02 Uhr
Elena Meilicke amGefilmt an Küchentischen und auf langen Autofahrten durch die winterliche Stadt. Eingebrannt hat sich das Bild von schwarz uniformierten Polizisten, die vor meterhohen Werbeplakaten von Dior Jagd auf Demonstranten machen. Im taz-Interview erzählt Regisseurin Loktev, dass ihr Blick auf den eigenen Film sich gerade wandelt: «Ich muss ständig über die Parallelen zu den USA nachdenken. Wir bewegen uns unglaublich schnell in Richtung Autoritarismus.» 2/2
21. Februar 2025 um 10:02 Uhr
Tilman Schumacher amHong liefert mit WHAT DOES THAT NATURE SAY TO YOU fast schon so etwas wie eine kompakte, auf Pointen hin geschriebene Komödie ab. Pixelig & eng abgesteckt das Ganze, dieses Mal fast ohne Seitenblicke (abgesehen von hübschen Hühnern, Hunden & Sonnenuntergängen): ein Pärchen, eine Schwiegerfamilie, ein Anwesen, ein Tempel, ein Hügel, zwei Essen, ein Rausch. Hong-Ingredienzien sind alle dabei – und doch ist manches anders, leicht verschoben, keine bloße Wiederholung: anstatt E-Piano-Jingle ein Gayageum, anstatt dem Lob, wie jung man geblieben sei, eine Hymne auf die passende Dichter-Bartmode. Wie gehabt: Das erhoffte Highlight. (WBW)
21. Februar 2025 um 09:25 Uhr
Lukas Foerster amDas Haus ist schön, die Sonne scheint, der Bart des Schwiegersohns in spe steht ihm gut. Warum aber bellen die Hunde? Sie werden ihre Gründe haben. Hong Sang-soos aus dem Ärmel geschütteltes Meisterwerk WHAT DOES THAT NATURE SAY TO YOU hätte selbst deutlich schlimmere Berlinalen gerettet.
20. Februar 2025 um 15:02 Uhr
Simon Rothöhler amMEET THE PARENTS, Hong Sangsoo style. Spätestens wenn der Schwiegervater in spe nach der Trinkfestigkeit fragt, sollte man auf der Hut sein. Solidarisch übernimmt der Film die niedrige Auflösung seiner Hauptfigur. Das vorläufige Urteil über den Anwaltsohndichter muss dieser sich aber selbst & ganz allein zuschreiben: überschaubares Talent, wenig Technik – und vor allem: «Die ruhigste Katze springt als erste auf den Herd». (WHAT DOES THAT NATURE SAY TO YOU)
20. Februar 2025 um 14:07 Uhr
Ekkehard Knörer amSichtlich ohne Geld, aber mit viel Lust und Liebe and more than a little help from Volksbühne friends schickt Jan Eilhardt in JANINE ZIEHT AUFS LAND ein tans-queeres Paar aufs Harz-Dorf. Sie erleben ihr blaues Wunder (und Peter, der out will und kann). Schon schräg. Aber nicht ohne. (FORUM)(63cp)
20. Februar 2025 um 11:55 Uhr
Ekkehard Knörer amSehr smart und literat, und mehr als das, wie DRØMMER Perspektiven wechselt und Töne verschiebt. Wunderbares Kreisen und Treppensteigen zur Frage, was diese erste Liebe wohl war. (WETTBEWERB)(78cp)
20. Februar 2025 um 11:49 Uhr
Hannes Brühwiler amBLUE MOON (Richard Linklater) gesehen, dabei aber immer an PETER HUJAR’S DAY (Ira Sachs) gedacht. Zwei Momente im Leben zweier Künstler, wobei mir der Minimalismus und die Strenge bei Ira Sachs doch um einiges mehr zusagten.
20. Februar 2025 um 11:31 Uhr
Tilman Schumacher amPALLIATIVSTATION: Alles an diesem Dok-Langfilm-Debüt ist beeindruckend: Dass er dem wie stillgestellten Zeitempfinden seiner Protagonist:innen, den Patient:innen auf einer Palliativstation, eine 4-stündige, ebenso entdramatisierte Erzählform zur Seite stellt; dass er gefühlvoll & nie gefühlig ist; auch, dass er ohne Fördergelder auskam. Das Porträt einer Institution, das – wie Wisemans NEAR DEATH (1989) – auf den ersten Blick vom Tod geprägt ist, mehr aber ums Leben in all seinen Facetten kreist. «[F]ür jeden Menschen ist sein Tod ein Unfall und, selbst wenn er ihn kennt und ihm zustimmt, eine ungerechtfertigte Verletzung.» (Forum)
20. Februar 2025 um 08:13 Uhr
Marco Abel amKann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt eine so plumpe Art und Weise gesehen habe, eine «politische» Botschaft an das Publikum zu bringen, wie im letzten Akt von DELICIOUS. Äußerst unoriginell, das globale Proletariat noch einmal als Kannibale die unsympathischen Vertreter der Bourgeoisie fressen zu lassen – und das dann aber auch noch von der Ober-Kannibalin in einem unglaublich platten Voice-over kommentieren zu lassen, damit auch der dümmste Streaming-Viewer kapiert, dass erstere die Vielen und letztere nur die 0.1% sind, das grenzt schon an Unverschämtheit. Dagegen ist Haneke ein wahrer Meister der Subtilität.
19. Februar 2025 um 11:16 Uhr
Tilman Schumacher amWährend der Vampirfilm im Retrobeitrag JONATHAN durch die genreskeptische Auteurbrille des Neuen Deutschen Films gesehen und zum lakonischen Stück Gegenkultur umgedichtet wurde, ging der prä- & wider-neudeutschfilmende Genreroutinier Gottlieb mit LADY DRACULA den Weg der Draculasatire & Heiratsschwindlerinnenfarce. 1/2
19. Februar 2025 um 08:03 Uhr
Tilman Schumacher amDas kommt Mitte der 70er 15 Jahre zu spät: Onkel Lingen und Arent spielen gegen den Bedeutungsverlust an, Evelyne Kraft soll 70s-lasziv sein, darf aber nicht ganz. Trotzdem gut & filmhistoriographisch ehrlich, dass es (vereinzelt) solche «Kinokonfektionsware» (Olaf Möller) und nicht nur Jonathane in der Retro zu sehen gibt. 2/2
19. Februar 2025 um 08:03 Uhr
Tilman Schumacher amEin Film voll knalliger Farben & grooviger Songs, zugleich eine Montage aufgewühlter Gesichter & verletzter Seelen. Ein Erziehungsheim irgendwo in der estnischen Pampa – so entlegen, dass es zum Schauplatz nicht mal die Drehaufsicht aus Moskau schaffte. Merkt man. Ein unerbittlicher, undogmatischer Film über Jugend und das Gefühl, nirgends hinzugehören. Auch jenseits jedes Coming-of-Age-ABCs. Wie nah Zärtlichkeit und Gewaltexzess hier beieinander liegen, erinnert mich ans Kino von Maurice Pialat; dass der Film wie seine Figuren kein Ziel findet, ist Teil seiner Schönheit. (NAERATA OMETI, Classics)
18. Februar 2025 um 19:09 Uhr
Leonard Krähmer amViel unterhaltsames weil konsequent larmoyantes Liebesdiskursgebrabbel von Ethan Hawke, womöglich mit zu vielen kursiv gesetzten Ausrufezeichen. Best line in BLUE MOON? Importiert aus CASABLANCA.
18. Februar 2025 um 19:02 Uhr
Simon Rothöhler amDer enervierende Einfachmalloslaberschwall, mit dem der überdies höchst bedauernswert frisierte Ethan Hawke Linklaters BLUE MOON volllaufen lässt: kann sich auch keine KI ausgedacht haben.
18. Februar 2025 um 19:01 Uhr
Hannah Pilarczyk amSchon lang nicht mehr mein Herz so sehr an eine Filmfigur verloren wie an die 31-jährige (!) Klavierlehrerin Blandine aus LE RENDEZVOUS DE L’ÉTÉ (Perspectives). Regiedebütantin Valentine Cadic lässt ihren Film mitten während der Olympischen Spiele in Paris und gleichzeitig an deren Rand spielen – ebenso wie Blandine das Leben gleichzeitig aus der Mitte und von dessen Rand aus erlebt. Bislang größtes Kinoglück 75
18. Februar 2025 um 18:40 Uhr
Tilman Schumacher amJe weiter Gerd Kroskes STOLZ UND EIGENSINN voranschreitet, desto weniger bin ich von der Art und Weise überzeugt, wie er die porträtierten Frauen aus dem Jetzt heraus von ihrer Arbeitserfahrung in und nach der DDR berichten lässt. Das klebt alles ganz schön am gesprochenen Wort (aus denen natürlich echte Erfahrungen sprechen), damit auch irgendwie am klassischen DDR-Dok-Rezept des Jahrzehntespäterblicks, den ich immer etwas öde fand; hätte mir mehr Kino gewünscht, das immer dann aufblitzt, wenn gemeinsam Videos geschaut werden oder sich die Leinwand in ein Damals/Heute trennt. PS: Bei Delphi-Premieren besser früh da sein! (Forum)
18. Februar 2025 um 18:32 Uhr
Leonard Krähmer amBest line in STOLZ & EIGENSINN: «Ich war immer, wie ich war. Bin ich auch heute noch.» Zwischen den per Split Screen getrennten oder eigentlich zusammengeführten Gesichtern der Industriearbeiterinnen liegen 30 mehr oder weniger blühende Jahre, in deren Verlauf weniger unter Arme gegriffen und mehr auf Schultern abgewälzt wurde. Die Wende mehr Mittelweg als Neuanfang, der Split Screen die Knopfleiste am Mantel der Geschichte.
18. Februar 2025 um 17:08 Uhr
Marco Abel amDie in Zeitlupe fotografierte Ohrfeige, die Marielle unerklärlicherweise die Fähigkeit gibt, ihre Eltern telepathisch zu belauschen, transformiert den Teenager in eine veritable Wahrheitsmaschine—eine Familiensystemsprengerin, in deren Angesicht den Eltern nur die Flucht in die Ehrlichkeit bleibt: Sie sind dazu verdammt, all die Sachen an- und auszusprechen, die im gutsituierten bildungsbürgerlichen Leben nicht zuletzt wegen einer nur behaupteten liberalen Haltung oft unausgesprochen bleiben, aber affektiv Spuren hinterlassen - was zu komischen Szenen führt, in denen besonders Julia Jentsch brilliert. (WAS MARIELLE WEISS)
18. Februar 2025 um 11:11 Uhr
Simon Rothöhler amVon der Ostfront (EASTERN FRONT, Mansky/Titarenko, 2023) ins westukrainische Lviv. Auch hier regiert die Zeit des russischen Angriffskrieges: TIME TO TARGET (Mansky, 2024). Auf Schlachtfeld und Sanitätsbataillon folgt nun die Trauerarbeit im «Hinterland». Dort gibt es noch Alltag, Anmutungen von Normalität. Es wird geheiratet, zur Schule gegangen, mit Jahrmarktluftgewehren auf Putinporträts geschossen. 1/2
18. Februar 2025 um 09:43 Uhr
Simon Rothöhler amAber dieser Alltag ist perforiert, durch Raketeneinschläge, Todesnachrichten, den sich verfestigenden Eindruck, dass die Verbündeten immer noch nicht verstehen, was die Stunde geschlagen hat. Manskys präzise beobachtende Dokumentarkamera zeigt das als schier endlose Serie, an der Seite eines zunehmend erschöpft Trauermärsche intonierenden Militärorchesters. Der städtische Friedhof füllt sich Reihe um Reihe, die Rekruten werden immer jünger. 2/2
18. Februar 2025 um 09:42 Uhr
Tilman Schumacher am«Irgendwann haben alle Arschlöcher mal Urlaub.» Bewegliches, bis ins Absurde plotgetriebenes & aus dem Ärmel geschütteltes Genrekino von Wolfgang Petersen, 1974. EINER VON UNS BEIDEN fühlt sich gleichermaßen wie ein provinzieller Fernsehkrimi und ein am Eurocrime der Zeit geschulter Kinoreißer an; Teutonik und Verfolgungsjagd-Kinetik liegen hauchdünn beieinander; dabei weiß der Film zu jeder Sekunde, wie er expressive Bilder schafft: das wunderbar zerfurchte Gesicht Jürgen Prochnows, zwei vereinsamte Fahrzeuge auf einem riesigen Parkplatz aus der Vogelperspektive. Die 35mm-Projektion in der AdK viel solider als letztes Jahr (Retro).
18. Februar 2025 um 08:59 Uhr
Tilman Schumacher amIRACEMA – UMA TRANS AMAZÔNICA wurde erstmalig vor 50 J. beim Kleinen Fernsehspiel des ZDF ausgestrahlt; dort erhielt sich das Negativ, was die Grundlage für eine okaye Digitalrestauration, präsentiert im Forum Special, bildete. Bulldozer, Flammen, LKWs graben sich durch den brasilianischen Amazonas; die Ausbeutung der Natur geht mit der des Menschen einher. Iracema (Edna de Cássia), eine indigene, 15-jährige Prostituierte, hastet durch die neue Infrastruktur, durch Bordelle, Sägewerke, LKW-Kabinen. Totale Härten, potenziert durch die Beiläufigkeit der Semi-Dokform; wütendes Kino, dabei so unaufgeregt, wie Politkino nur sein kann.
17. Februar 2025 um 22:14 Uhr
Alejandro Bachmann am13 Jahre nach ERDBEERLAND wieder ein Film von Florian Pochtlatko: Richtig toll ist HOW TO BE NORMAL AND THE ODNESS OF THE OTHER WORLD immer dann, wenn er die Narration des Films wie der normierten Vorstellungen suspendiert und sich aus der Perspektive seiner Protagonistin in die Welt der affektiven, sinnlichen, satirischen Bilder wirft, die das Aufwachsen, Normal-Werden, Falsch-werden dieser unserer Welt begleiten.
17. Februar 2025 um 21:59 Uhr
Matthias Dell amJE N’AVAIS QUE LE NÉAT – «SHOAH» PAR LANZMANN ist halt sehr an Lanzmann entlang-, wenn nicht in ihn hineinerzählt – und hätte als nüchternerer Werkstatt-Film (also auch ohne Karajan) wohl eine andere, weil eigenere Qualität. Aber gibt auch so den zentralen Satz der Nachbarn von Nazi Laabs, der die Ignoranz des «Aufarbeitungsweltmeisters» illustriert, die bis nach Mölln und Hanau reicht: «Was wir nicht wissen, interessiert uns nicht.» Grund-Folge-Galore.
17. Februar 2025 um 21:59 Uhr
Lukas Foerster amWAS MARIELLE WEISS (Hambalek) macht aus seinem High Concept keinen satirischen Holzhammer, sondern eine sitcompräzise Ehekomödie. Schön, dass es ein solcher Film der kleinen Gesten in den Wettbewerb geschafft hat.
17. Februar 2025 um 20:10 Uhr
Simon Rothöhler amDas Singen der Dörfer und ein mechanischer wooden singer für mittelmusikalische Mönche. Autochthone Tradition, aufgeschlüsselt über anschlussfähig antinostalgische Praktiken des Tradierens. Mit egalitärer Klarheit gefilmt: Natur- und Gesichtslandschaften, aufgehoben im quadratischen Bildformat. Masterpiece. (CANONE EFFIMERO)
17. Februar 2025 um 18:12 Uhr
Marco Abel amHYSTERIA gelingt es mit Hilfe eines höchst verwickelten Who-done-it-Plots, sein Publikum mit der Erfahrung zu konfrontieren, wie klein der Schritt vom Verstehen zum Verurteilen ist und wie auf diesem Weg rationale Interpretationsarbeit von einer Tendenz zur Hysterisierung unterwandert wird. Die Antwort, die der Film auf dieses Problem gibt, scheint eher einer Logik der Gegenhysterisierung zu folgen, als auf rationalen Habermas’schen Diskurs zu setzen, den Mehmet Akif Büyükatalay’ filmischer Stand-In einer Gruppe von «irrational» reagierenden muslimischen Statisten (die ihm das Verbrennen eines Korans übelnehmen) abzuringen versucht.
17. Februar 2025 um 15:33 Uhr
Alejandro Bachmann amIch bin Randsitzer. Immer wenn ich, wie im Kinoraum-mishap Urania, nicht mehr innerhalb des Randbereichs der Leinwand sitze, sondern – sagen wir – 8 1/2 weitere Meter außerhalb ihrer vertikalen Begrenzungen, frage ich mich, ob ich dann schon jenseits des Energiefeldes des verbürgerlichenden Dispositivs sitze oder ob ich Baudry/Comolli da falsch verstanden habe. Das wäre dann das subversive Potenzial eines Ortes wie der Urania: sehr viele Plätze, die sich der Ideologie entziehen können. 1/2
17. Februar 2025 um 13:45 Uhr
Alejandro Bachmann amAber kaum entkommt man dem einen, umschließt einen das nächste: während MICKEY 17 patroullieren Hünen in schwarzen Anzügen mit ausrasierten Nacken und Nachtsichtgeräten die Gänge an den Rändern auf der Suche nach Menschen, die den Film raubkopieren wollen. Die Welt im absoluten Off der Leinwand überschattet die sehr lasche SciFi-Satire auf ihr, ich bejuble meinen Randplatz und verlasse alle 3 sich jeweils reproduzierenden Dispositive als Pattinson mit Pattinson Sex hat… 2/2
17. Februar 2025 um 13:44 Uhr
Tilman Schumacher amEine entrückte, kalte, leichenübersäte Welt irgendwo in Norddeutschland; hier rebellieren Bauern & Studenten gegen eine Horde – oder besser – eine Sekte von Vampiren, die ihre Dörfer terrorisieren, Frauen & Männer rauben, schlicht eine Macht über Menschen haben, der man nur mit Gewalt (von der es reichlich gibt) begegnen kann. Nicht zuletzt wegen des wunderbaren Progrockscores – Rollins zeitgleiches Offbeat-Vampirkino lässt grüßen! – gibt’s ordentlich 68er-Vibes. Bloßes Metaphernkino ist Geißendörfers JONATHAN deshalb noch nicht; das verhindert die überschießende Form. Nicht nur Robby Müllers Kamerafahrten werden bleiben (Retro).
17. Februar 2025 um 11:06 Uhr
Tilman Schumacher amDer 1. Film, den ich nicht einfach nur nicht sehenswert fand, sondern richtig ärgerlich, der mir wirklich Schmerzen beim Sehen bereitet hat: IF A HAD LEGS I’D KICK YOU möchte ein zeitgenössischer A WOMAN UNDER THE INFLUENCE sein, ist stattdessen aber A24s REQUIEM FOR A DREAM (ja, so schlimm ist es). Ein zynischer Klumpen, der uns konstant seine 16mm-Closeup-Intimität auf die Nase drückt, in dümmlichen Slapstickpointen das Scheitern seiner Hauptfigur genüsslich auskostet & dann auch noch ASAP Rocky mit einer völlig egalen Rolle hineinzerrt, um den Anschluss ans hippe Publikum zu packen. Auch interessant: Sundance-Nachspielen im WBW.
17. Februar 2025 um 10:56 Uhr
Simon Rothöhler amWar gestern doch etwas enttäuscht von WHEN LIGHTNING FLASHES OVER THE SEA. Dass das Sommergewitter im Schlussbild tonästhetisch absichtsvoll ähnlich gebaut klingt wie der brutal in die nächtliche Innenhofsommerruhe reinhämmernde Schocklärm russischer Angriffsraketen: Was soll uns diese Mimesis sagen? Warum findet bei keiner Begegnung ein Dialog, sondern immer nur merkwürdig freigestelltes monologisches Zusichselbstsprechen statt? Fand es auf die Dauer doch etwas redundant, dass (fast) jede Konkretion (biografische wie politische) zugunsten einer vagen Universalpoetik wegnaturalisiert wird.
17. Februar 2025 um 10:37 Uhr
Alejandro Bachmann amDas Erdrückende der Situation in HOLDING LIAT hat multiple Ursprünge: Dem Film ist sehr hoch anzurechnen, dass er vor allem den Kampf der trauernden Familienmitglieder gegen die politische Instrumentalisierung der Entführung von Liat schildert. Darin geht der Film dann auch weit über den konkreten Moment in Israel/Gaza hinaus und umgeht wiederum seinerseits eben mal so instrumentalisiert zu werden (hoffe ich und frage mich ob dauerhafte Frustration wiederkehrend naiv macht)
17. Februar 2025 um 09:52 Uhr
Simon Rothöhler amBehördliche Abgründe 1992ff., eine postalische Perspektive. Was ein schleswig-holsteinischer Oberbürgermeister – der Jurist war – und angeschlossene städtische Abteilungen bis hin zum Archivar vom Briefgeheimnis hielten. Was an Solidarisierung deshalb erst viel zu spät die Adressaten erreichte und antirassistische Bündnisbildung blockierte. Auch eine Mediengeschichte: Politik der Demobilisierung vor dem viel geschmähten, aber eben mitunter doch alternativlosen «Hashtag-Aktivismus» von unten. (DIE MÖLLNER BRIEFE)
17. Februar 2025 um 09:51 Uhr
Marco Abel amMIT DER FAUST IN DIE WELT SCHLAGEN erzählt aus der Perspektive zweier in einer strukturschwachen ostdeutschen Region aufwachsenden Brüder, wie emotionale Bindungsangebote (oder deren Abwesenheit) eine Haltung zur Welt produzieren können, die auch ohne Indoktrination im Abfackeln eines Flüchtlingsheims resultieren kann. Die ruhigen, fast banalen Bilder, begegnen den Protagonisten mit einem empathischen Blick, ohne zur Identifikation mit ihnen zu nötigen. Der Weg geht in eine Zukunft, die trotz allem Nazi-Morast nicht fatalistisch vorgezeichnet ist – wobei auch eine aufopferungsvoll kämpfende Mutter kein Happy-End herbeizaubern kann.
17. Februar 2025 um 09:46 Uhr
Ekkehard Knörer amViel Razzle, viel Dazzle, viel Spitzes und Scharfes, Eurotrash von der alleredelsten Sorte. Fetischisiert wird hier das Fetischisieren, sei es von Frau, Latex, Agentengenre oder Masken. Gewiss genügt sich das selbst, aber auch aus der metafetischistischen Selbstgenügsamkeit kann man tolle Kunst machen. Wenn man es eben kann. Wie Cattet/Forzani in REFLET DANS UN DIAMOND MORT (75cp)
17. Februar 2025 um 09:45 Uhr
Ekkehard Knörer amDER KUSS DES GRASHÜPFERS, zweiter Spielfilm von Elmar Ivanov, ist mit seinem Mix aus Beziehungsdrama und sehr schrägem magischem Realismus, oder vielleicht realistischem Magismus, etwas ziemlich Unerhörtes. Immer wenn ich ihn genervt aufgeben wollte, fiel ihm wieder was erstaunlich Bezwingendes ein. Und dann ist da noch Fiete, das Schaf. (Forum, 77cp)
17. Februar 2025 um 09:39 Uhr
Marco Abel amISLANDS, Jan-Ole Gersters erster englischsprachiger Film, zusammengefasst in einer Dialogszene zwischen einem abgehalfterten Tennislehrer (Sam Rileys Tom) und einem sehr unsympathischen englischen «Bro», mit dessen nicht minder sympathischer blonder Frau (Stacey Martin als Femme fatale) er in eine Affäre und möglicherweise in ein Mordkomplott schlittert: Bro: «Is the volcano active?» Tom: «Not on Fuerte. But on Lanzarote it’s smoking.» Bro: «Is it gonna go off?» Tom: «You never know.» Wenn er doch nur explodiert wäre...
17. Februar 2025 um 09:28 Uhr
Lukas Foerster amSpaltbares Material: Cattet/Forzani zerlegen in REFLECTIONS IN A DEAD DIAMOND (Wettbewerb) Popkultur in eine vibrierende Vielheit, der die Sehnsucht nach Ganzheit gründlich ausgetrieben wird. Das schönste an diesem schönen Film: dass niemand nach ihm gefragt hat.
17. Februar 2025 um 09:27 Uhr
Lukas Foerster amVerkniffene Arthaus-Beziehungsarithmetik und eine Handvoll Jessica-Chastain-Einstellungen (+ -Dresses), die nicht in ihr aufgehen. DREAMS (Wettbewerb) ist kein guter Film, aber am Ende bleibt von ihm womöglich mehr als von manch besserem.
17. Februar 2025 um 09:27 Uhr
Tilman Schumacher amVielleicht der diesjährige FAVORITEN: In Löckers Dok UNSERE ZEIT WIRD KOMMEN wird eine menschliche Gemeinschaft dargestellt, wie sie in Österreich laufen könnte, weniger eine, wie sie sich aktuell für das Gros geflüchteter Menschen wohl anfühlt. Der Gambier Siaka & die Österreicherin Vici lieben sich, ziehen um, kriegen ein Kind. Ein Beziehungsfilm voller Liebe & Solidarität – trotz allem Vergangenheits- & Glaubensballast. Beziehungsfilm heißt Sprechfilm; mehr als um Inhalte scheint es um Formen zu gehen, wie man zusammenkommt. Trotz einer Meta-Schanier-Szene wirkt das alles etwas hergestellt – unsicher, ob‘s ein Problem ist.
16. Februar 2025 um 20:17 Uhr
Alejandro Bachmann am4:3, SW, durch Gegenstände verengte Kadragen, Finger, die im Akt des Erinnerns über Objekte streichen, gleißendes Sonnenlicht, wehende Vorhänge, verbrannte Tagebücher, Schrei des Schmerzes einsam im Wald- unter all dem Formbewusstsein, das wiederkehrend in Arthouse-Tropen abrutscht, fällt es schwer, der Geschichte von BATIM (HOUSES) zu folgen…
16. Februar 2025 um 20:17 Uhr
Alejandro Bachmann amEVIDENCE – beeindruckend dicht verknotet die Filmemacherin den beruflichen Werdegang des Vaters, privateste Erinnerungsfragmente mit der detailliert recherchierten konservativen Vernetzung und Diskursbeeinflussung der amerikanischen Rechten von den 1960er Jahren hin zu Donald Trump. A Woman, a Camera, an editing table und der fantastische Klangraum Jeff Parkers allein gegen den ganzen, perfekt orchestrierten Fascho-Wahnsinn. 1/2
16. Februar 2025 um 20:13 Uhr
Alejandro Bachmann amUnd so beeindruckend klug und politisch das alles ist, widerstrebt mir etwas am ruhig-bescheidenen Gestus der Stimme der Regisseurin, der irgendwie vor allem zu imaginiert Gleichgesinnten vor der Leinwand spricht und darin auch etwas sehr Unpolitisches ausstrahlt…. 2/2
16. Februar 2025 um 20:13 Uhr
Matthias Dell amVor der Vorführung von QUEERPANORAMA (Panorama) in der Urania trägt Regisseur Jun Li auf Wunsch eines Darstellers eine politisches Statement vor, das in seiner Formelhaftigkeit mit nix kommunizieren will und also auch zu nix führt außer teilweisem Applaus, korrigierenden Zwischenrufen, Genervtsein. Engagement in der Streichholzschachtel. 1/2
16. Februar 2025 um 13:38 Uhr
Matthias Dell amDabei ist der lakonische Film, der die Brüchigkeit von so was wie Identität ungerührt an einer Reihe von Sex-Dates der von Jayden Cheung toll gespielten Hauptfigur verhandelt, das Gegenteil von formelhaft, nämlich genau und eigen. Nicht nur fürs Festival tröstlich: Das Kino kann klüger sein als die Leute, die es machen. 2/2
16. Februar 2025 um 13:38 Uhr
Elena Meilicke amLieblingsfilm so far: FWENDS (Forum). Verlabert und quirky, vage Reminiszenzen an BEFORE SUNRISE und die French New Wave, zugleich ganz und gar gegenwärtig. Em und Jess tapern durch Melbourne und reden reden reden; am Horizont stets präsent die Klimakatastrophe und unser aller «social demise»: «So this is an influencer place?» Großartiger Soundtrack auch, verklimperter Chopin on repeat. Lovely.
16. Februar 2025 um 13:21 Uhr
Anne Küper amVergleichsweisen: Das Schneiden von Filmen ist wie «audiovisuelles Malen», und da redet man nun mal nicht, da malt man am Computer halt so für sich rum (Ramon Zürcher, Tunnelblick-Debatte bei der Woche der Kritik, 15.2.25).
16. Februar 2025 um 12:52 Uhr
Anne Küper amIn eigener Sache: Im The Barn (Filiale am Potsdamer Platz) sponsert MUBI heute die Heißgetränke.
16. Februar 2025 um 12:52 Uhr
Tilman Schumacher amTHE OLD WOMAN WITH THE KNIFE hat dasselbe Problem wie andere koreanische Mainstream-Genrestücke zur Zeit: Abseits von schön brachialen, sowohl in kompakten Innenräumen als auch in komplizierteren Außenarealen souverän durchchoreographierten Actionsequenzen viel zu viel Worldbuilding, Mythos, Schuld und Sühne (hier auch schamloses, nicht einmal gut gemachtes JOHN WICK Rip-Off), eine Gelacktheit der Bilder sowie eine Puppenhausigkeit, die jedem behaupteten Tiefgang von Anfang an den Wind aus den Segeln nimmt. Ein bisschen Leinwandeskalation tat trotzdem zwischendurch gut; solche Filme sollten wieder 75 statt 131 Min. gehen. (Special)
16. Februar 2025 um 11:19 Uhr
Tilman Schumacher amCinema pur, Powerhouse-Performance: War der bisherige Sleaze-Pastiche von Cattet/Forzani auf seine Weise formvollendet aber hie und da doch zu verkopft/verkrampft aus den Vorbildern des Eurocrimes der 60er bis 80er abgeleitet, lassen sie in REFLET DANS UN DIAMANT MORT nun die Zügel komplett los. Endloser, im Licht funkelnder Azur der Côte d’Azur, Genre-Veteran Fabio Testi als sehnsüchtiges Sean-Connery-Double, eine jeglichem Zeitempfinden enthobene Montage aus doppelten Gesichtern, Böden & Splitscreens, Serpentinenstraßen & enganliegenden Lederdresses, zeitgenössischem Matsch-Gore & lyrisch frühkinohaften Superschurken. (Wettbewerb)
16. Februar 2025 um 11:18 Uhr
Marco Abel amIch wünschte mir, SCHWESTERHERZ hätte 5 Sekunden früher geendet. Dennoch eine kluge Darstellung eines inneren Konflikts, in dem Rose, die Schwester des mutmaßlichen Vergewaltigers, ihre privaten Loyalitäten hinterfragen und im Kontext ethischer und politischer Fragen neu fühlen und denken muss. Sarah Miro Fischer lässt Rose etwas von der Gewalt spüren, die Elisa erleiden musste (ohne Äquivalenz zu suggerieren). Durch die leicht überhöhte Tonspur und Marie Blochings Mimik lässt der Film uns in einer entscheidenden Szene weniger an Elisas Schmerz teilhaben als an dem Moment, in dem Rose selbstbestimmt zu handeln beginnt.
16. Februar 2025 um 09:34 Uhr
Marco Abel amNina Hoss ist noch immer die größte Schauspielerin im deutschen Gegenwartskino. Ihr Zusammenspiel mit Vincent Macaigne verleiht dem Film eine humorvolle Note voller wärme, die man im deutschen Film so nur selten erlebt. (ZIKADEN, Panorama)
16. Februar 2025 um 09:25 Uhr
Ekkehard Knörer amDer PERSPECTIVES-Film LES RENDEZVOUS DE L’ÉTÉ hat wenig und viel. Wenig von Rohmer, trotz des Titels, die Szenenfolge bleibt lose. Aber er hat Blandine als junge Frau aus der Provinz, und die Mischung aus Ungelenkheit, Wollen, Rückzug und Trotz, mit der Blandine Madec diese Frau spielt, oder ist, hat doch etwas, nein, nicht Umwerfend es, aber doch ungemein Einnehmendes. (67cp)
16. Februar 2025 um 08:40 Uhr
Tilman Schumacher amSHADOWBOX: Ein Einstieg in die neue Sektion Perspectives, der nicht hätte glanzloser ausfallen können: Indischer Arthouse-Core in entsättigtem Scope, das nichts mit seiner Breite anzufangen weiß; insgesamt zu wenig visueller Reiz. Dabei ist die Geschichte um eine Frau, die mit der kranken Psyche ihres Lebensgefährten, einem Exmilitär, umgehen und das gemeinsame Kind durch den Alltag bringen muss, nicht uninteressant. Habe mich – wie bei solchen Großstadtdramen häufig – ins Kino von Brocka zurückgesehnt, das bei allen Härten und Hässlichkeiten immer auch kinoschön ist. Und: Ein peinlicheres Ende hat bislang nur HOT MILK hinbekommen.
16. Februar 2025 um 08:04 Uhr
Tilman Schumacher amJahrzehnte lag das Material ungeschnitten herum, dann steuerte das Norwegische Filminstitut (nicht etwa DE, wie Vibeke Løkkeberg betont) fehlendes Geld bei, die DOK-Aufnahmen des 1. Internationalen Frauenfilm-Seminars zu THE LONG ROAD TO THE DIRECTOR’S CHAIR zu arrangieren; in den Räumen des alten Arsenals wird interviewt, diskutiert, geraucht. Eine Kino- und Festivalgeschichte, zugleich eine Moment- wie Bestandsaufnahme feministischer Kämpfe inner- und außerhalb der Filmindustrie anno 1973; Bild und Ton trennen sich häufig, das Publikum ist (umso mehr) im Film drin; das Offene der Betonhalle fühlt sich irgendwie richtig an (Forum).
16. Februar 2025 um 08:03 Uhr
Alejandro Bachmann amHYSTERIA – wie schon in der ersten Einstellung seines Erstlings ORAY schafft Mehmet Akif Büyükatalay es mit dem Film über die unterschiedlichen Situiertheiten jedes*r einzelnen im Saal und ihrer Blicke auf die verschiedenen Figuren auf der Leinwand den Saal produktiv zu spalten. Wer wie warum sieht, denkt und urteilt, ist verschaltet mit dem, der*die man ist. Der erste fulminante Metafilm über die komplizierten (und notwendigen) Prozesse einer Diversifizierung des Films in einer transnationalen Gegenwart.
15. Februar 2025 um 20:39 Uhr
Simon Rothöhler amDoch sehr sehr zäh, was sich Bong Joon Ho da für den angeblich beliebig kopier- und ausdruckbaren Robert Pattinson ausgedacht hat. Und genau: Mark Ruffalos Präsidentenknallcharge hat zwar ihre Momente, aber das realiter noch destruktivere Original im Weißen Haus ist in Sachen fried brain längst im unparodierbaren Acrylamid-Endstadium angekommen, was halt über 140 lange Minuten auch mit viel zugestandenem Sarkasmus nicht mehr wirklich ausblendbar ist. (MICKEY 17)
15. Februar 2025 um 20:38 Uhr
Ekkehard Knörer amMICKEY 17 hat Schweine oder sowas Ähnliches im Weltall, nette Sexmaniacs, smarte Wendungen von SF- und Doppelgänger-Tropen, aber am Ende kann halt niemand, nicht einmal der wackere Mark Ruffalo, Trump out-trumpen. Und so bleibt die Satire doch etwas schal. (63cp)
15. Februar 2025 um 19:15 Uhr
Ekkehard Knörer amIna Weisse statt gleichzeitig Benning, unkonventionelle Wahl, I knows. Bereut habe ich sie nicht. ZIKADEN hat nicht nur Nina Hoss und Vincent Macaigne, sondern auch angenehm vielschichtige Generationendramatik auf dem Brandenburger Land (Aszendent Berlin) Hier wird nichts neu erfunden, aber vieles gut gemacht. (Panorama) (71cp)
15. Februar 2025 um 18:27 Uhr
Ekkehard Knörer amAri geht’s nicht gut, aber schon die erste Szene ist so unplausibel, dass ich keine Lust mehr habe, mich auf seine Probleme oder irgendwas einzulassen. Eine möchtegerntiefgründig hochgepitchte Szene nach der anderen, alles immer closeupistisch gefilmt. Kopfschüttelnd ab. (ARI, Wettbewerb) (37cp)
15. Februar 2025 um 18:18 Uhr
Alejandro Bachmann amBenning live bei der Berlinale spiegelt strukturell die Erfahrung seiner Filme: Variationen eines festgelegten Systems, immer die Anmerkung, dass er immer da ist, immer sein Witz, dass Leute vielleicht gehen werden möchten. Immer geht fast niemand. LITTLE BOY variiert den typischen Erfahrungsmodus, seine Faszination für Zahlen und das Historiographische um etwas radikal Autobiographisches, dem auch eine traurige Vorahnung eines Endes jeglichen Spiels von Thema und Variation dieser seiner Art eignet. 1/2
15. Februar 2025 um 16:28 Uhr
Alejandro Bachmann amPersönliche Faszination: wie unterschiedliche Hände auf so unterschiedliche Weisen mit Pinsel und Farbe hantieren. Eben kein military industrial complex, eher nicht-entfremdete Handarbeit. 2/2
15. Februar 2025 um 16:26 Uhr
Leonard Krähmer amWer in Tykwers LICHT keine Erleuchtung findet, sollte es mit WHEN THE SUN IS EATEN (Forum Expanded) versuchen. Verdaulich ist der zwar auch nicht: dreimal schluckt der Mond die Sonne, dreimal spuckt er sie wieder aus. Aber wie der eine Zustand in den anderen hinein- und wieder herauswabert, wie Eversons stringent-strukturaler Rhythmus Kosmisches spürbar macht, ist trotz Totalverdunklung ziemlich erhellend.
15. Februar 2025 um 14:35 Uhr
Alejandro Bachmann amWHEN LIGHTNING FLASHES OVER THE SEA schafft es, mich den Krieg, der in Odessa seit Jahren Realität ist, immer wieder zu vergessen, um ihn dann in den Bildhintergrund, die Gespräche, den Ton zurück kehren zu lassen - mal schleichend, mal als Knall. So vermag er etwas zu fokussieren, ohne es zum Zentrum zu machen. Darin und in dem ernsthaft-verspielten Gestus erinnert er an Filme, die das Eigentliche ähnlich geschickt umkreisen und so das Thema nicht das Leben erdrücken lassen (LE JOLI MAI z.B)
15. Februar 2025 um 14:33 Uhr
Tilman Schumacher amHOT MILK hat das Erstlingssyndrom: Alles hineinpacken, falls man künftig keinen Film mehr machen kann. Eine spanische Küstenlandschaft voller Erinnerungen und Sehnsüchte, eine ungesunde, ja brutale Mutter-Tochter-Beziehung, unzählbare Traumata, die bewältigt werden müssen. Vicky Krieps, in deren Filmfigur sich Emma Mackeys Sofia verliebt, reitet wie die Söderbaum in Veit Harlans OPFERGANG in den Film ein. Spätestens als sie ihrer Urlaubsliebe einen romantischen Weihnachtsbummel vom Brandenburger Tor zum Checkpoint Charly in Aussicht stellt, zweifelt man, ob das alles nicht kompletter Unfug ist. (Wettbewerb)
15. Februar 2025 um 09:11 Uhr
Tilman Schumacher amEin Film, der von Gemeinschaften erzählt und konsequenterweise auf eine echte Hauptfigur verzichtet. Man hat in LIVING THE LAND viel Zeit, sich in die ländlichen Bräuche, Handwerke und Familienbünde einzusehen; die Dramaturgie diktiert wie im observierenden Dokumentarfilm quasi das Leben. Das ländliche China des Jahres 1991 ist wunderschön haptisch eingefangen; der Film bricht, sieht man von einer Alptraumsequenz ab, nie aus seiner vom Ritus und dem Rhythmus der Natur bestimmten Kosmos aus – möglicherweise macht es ihn etwas farb-/charakterlos. Die Bilder zerstörter Individualität werden aber wohl bei mir nachhallen. (Wettbewerb)
15. Februar 2025 um 09:10 Uhr
Tilman Schumacher amAuf dem Weg zu COME LA NOTTE habe ich einen Freund getroffen, der meinte, der Lav-Diaz-Regieassistent Liryc Dela Cruz habe es geschafft, einen Film zu drehen, der sich längentechnisch wie ein Film seines Meisters anfühle aber nur 75 min gehe. Da ist etwas dran. Schlecht aufgelöstes Schwarzweiß, eine großzügige italienische Villa, eine philippinische Hausangestellte in ihren 60ern, die das Anwesen von der Signora erbte und sich nun mit Verwandten herumschlagen muss, bei denen es Begehrlichkeiten weckt. Ziemlich ungelenk reiht sich eine statische Dialogszene an die nächste, ein What-the-Fuck-Moment soll’s denkwürdig machen. Nope.
15. Februar 2025 um 09:09 Uhr
Marco Abel amDas Problem mit Tykwers Film ist, dass er zwar den Inhalt, nicht aber die Ästhetik politisch denkt. Und weil der Inhalt katastrophal ist, bleibt der stilistische Exzess nur - aber immerhin – als symptomatischer Erfahrungsüberschuss eines Gutmenschenliberalismus, der die strukturelle Gewalt, die Menschen mit Migrationshintergrund erfahren, individualistisch denkt. Eine Überhöhung ins magisch Reale funktioniert nur, wenn das Reale reflektiert ins Magische subsumiert und nicht als inhärente Eigenschaft einer herbeifantasierten Heilsbringerin einer bankrotten Klasse begriffen wird, die der Film nur scheinbar bloßstellen will. 1/2
15. Februar 2025 um 08:38 Uhr
Marco Abel amDass das Produktionssystem an sich keinen Widerstand zu leisten scheint, ist ironischerweise der eigentliche Inhalt eines Films, der so selbstverliebt in seine Schauwerte ist, dass seine Macher wohl nicht gemerkt haben, dass sie den strukturellen Rassismus in ihren schönen Bildern nur verdoppeln. 2/2
15. Februar 2025 um 08:28 Uhr
Elena Meilicke amA COMPLETE UNKNOWN appropriiert das «Spielberg-Face»: Immer wieder CloseUps (plus Zoom) auf die Gesichter jener, die Timmy-Bobby beim Performen zuschauen – ungläubig, beseelt, verzückt, verwandelt. Außerdem gibt's Geschirrmetaphern, Gleichnisse mit Tellern und Teelöffeln, teils pathetisch-pseudofeministisch: «I must be great to be the guy, Bob. But I was the plate!» Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Männerbünde das sind, was hier zählt. Nicht meine Teetasse.
14. Februar 2025 um 22:03 Uhr
Simon Rothöhler amEs soll ja mehr gebaut werden in Berlin, aber bitte domestiziert, da kann «Müller Immobilien» natürlich helfen: «Mall of York», yuck & jwd, aber immerhin vertreten durch die außerclanmäßig sozialisierte Verena Altenberger. Dennoch: Rashida III. rules, Neukölln rhapsodiert Shakespeare matriarchalisch. Ex centro die immer tolle Hiam Abbas, die schon Ramys ägyptische Mutter, die schon Logan Roys (dritte) Ehefrau aus der Beiruter Oberschicht war. Ziemlich gelungen in seiner forcierten Theatersprachmaterialität: KEIN TIER. SO WILD.
14. Februar 2025 um 22:02 Uhr
Alejandro Bachmann amSIRENS CALL – The Merwoman who fell to earth, Liquid Space is the Place, shape-shifter Kino: Fiktion, die sich aus Spuren echter Dinge, Landschaften, Wesen fügt und Dokument, das das Herstellen der Fiktion sichtbar macht. Es ist so, aber zugleich anders, und damit eigentlich im Zwischendrin – der Filme, Bilder, dieses ständig mutierenden Films.
14. Februar 2025 um 20:12 Uhr
Ekkehard Knörer amMittelgroßer Sprung nach hinten, ins Jahr 1991, Dorf, Armut, die Wagemutigen machen sich aber schon auf nach Shenzhen und lassen das Kind vorerst zurück. Geduldig, manchmal übergeduldig lässt sich Huo Meng ein auf Ort, Zeit, Boden, Perspektive seines achtjährigen Helden. Von Zeit zu Zeit grummelt es dunkel, die Weltpolitik kommt per Radio-Lautsprecher ins chinesische Dorf, aber es bleibt bei Andeutungen, ganz aus den Fugen gehen die Mise-en-Scéne und das traditionelle Provinzleben hier noch nicht. (LIVING THE LAND, WETTBEWERB) (71cp)
14. Februar 2025 um 15:50 Uhr
Simon Rothöhler amHatte mich bei der Sichtung von Lanzmanns SHOAH-Outtake-Archiv vor bald zehn Jahren immer gefragt, ob er nochmal was aus diesem ganzen klandestin gedrehten Paluche- & Chapuis-versauert-im-VW-Geheim-Bus-Material macht. Hat er nicht, aber dank Guillaume Ribot sieht man sie nun kinoleinwandgroß, die gleichgültigen BRD-noir-Nachbarn von Massenmördern wie Gustav Laabs; 1/2
14. Februar 2025 um 15:49 Uhr
Simon Rothöhler amden sich beim besten Willen nur an Blutwurstaversionen erinnernden SS-Mann Karl Kretschmer; die handgreiflich werdende Obernazifamilie Schubert aus Ahrensburg, die am Ende die schleswig-holsteinische Staatsanwaltschaft tatsächlich dazu brachte, zu ermitteln, ob dem unauffindbaren «Dr. Claude-Marie Sorel» eine Verletzung deutscher Ätherwellengesetze nachgewiesen werden kann. (JE N’AVAIS QUE LE NÉAT – «SHOAH» PAR LANZMANN) 2/2
14. Februar 2025 um 15:48 Uhr
Ekkehard Knörer amEs kommt wirklich viel Schlimmes zusammen bei Tykwers DAS LICHT. Das eigentlich Unerträgliche ist aber das Entitlement, mit dem sich hier einer eine Welt zusammenfantasiert, von der er behauptet (und vermutlich glaubt), dass sie unsere Wirklichkeit ist. Und niemand war da, der oder die ihm gesagt hat: Tom, das ist einfach nur fehlgeleitet und peinlich, was du da machst. Kein Fördergeldgeber, der mitleidig aufgelacht hat. Keine Festivalchefin, die sagte: Bei aller Liebe, aber das nicht. Und so halt Bankrott gleich zu Beginn. (17cp)
14. Februar 2025 um 14:58 Uhr