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18. Dezember 2008

Gott des Kontrafaktischen Warum die Buddenbrooks das ganze Elend des deutschen Films verkörpern

Von Ekkehard Knörer

Interview mit Heinrich Breloer über seine Buddenbrooks in der Welt:

Auch der Film war ja ein Geschäft von einiger Größe. 16 Millionen, das kosten heute fast drei durchschnittliche Filmeprojekte ...
Breloer: Nee nee nee! Drei kriegen sie dafür nicht mehr hin. Sechs, sieben Millionen brauchen Sie heute auch für einen kleineren Film. 

Starkes Stück. Das ist die Amphibien-Welt aus Fernsehen und Vernebelung von Restverstand, in der einer wie der Herr Breloer lebt. Christian Petzolds Jerichow, mit ziemlicher Sicherheit der beste Film, der in Deutschland 2008 entstanden ist (kommt Anfang Januar 2009 in die Kinos), hat – wenn ich mich jetzt richtig erinnere – 1,8 Millionen gekostet. Dabei sind die Buddenbrooks die vollendete Verkörperung des ganzen Elends deutscher Film- und Fernsehförderung – mehr zu deren längst katastrophalen Strukturen in einem instruktiven Artikel von Katja Nicodemus aus der Zeit der letzten Woche. Der Film hat im Kino nichts verloren. Er ist Mann-Verdummung und filmhandwerkliche sowie intellektuelle Bankrotterklärung in einem. Entstanden ist er als sogenannte «Amphibien»-Produktion – als Volker Schlöndorff (manchmal hat er auch recht) vor einem guten Jahr gegen diese längst gängige Praxis der Vermischung von Fernsehen und Film wetterte, hat ihn die Constantin gefeuert. Für die nämlich saß er an einer Verfilmung des Bestsellers Die Päpstin und protestierte gegen die «Panscherei», zu der er sich da genötigt sah. Selbst mit im Grunde gern mittuenden Kritikern macht man in diesen Kreisen gerne ganz kurzen Prozess. (Jetzt macht's Sönke Wortmann.) 

An dem Bohei, das gerade um die nächste Woche anlaufenden Buddenbrooks veranstaltet wird, lässt sich auch die – extrem freundlich gesagt – gute Vernetzung von Produktion und Politik und Bericht erstattenden Journalisten beobachten. Der Spiegel schreibt seitenweise über den Film – mit ein paar kritischen Anmerkungen zwar –, aber dreister hat einer selten die Tatsachen verdreht als Nikolaus von Festenberg, der diese ödeste und konventionellste aller Literaturverfilmungen offenbar allen Ernstes als «Unterhaltungsfeuerwerk» lobt. Die FAZ hat zur Hofberichterstattung den Thomas-Mann-Experten Edo Reents an den in Essen ausgerollten Roten Teppich entsandt, von wo er nun einen Bunte-kompatiblen High-Society-Artikel schickt. (Nur dass High Society in Deutschland zum Beispiel und vor allem Horst Köhler heißt – immerhin, es gibt also etwas wie Gerechtigkeit.) Am letzten Wochenende schon durfte ein weitestgehend handsamer Willi Winkler in der SZ den arg strengen Stallgeruch verbreiten, den er sich bei den Dreharbeiten zum Riesenprojekt redlich verdiente. Damit ist das ganze Elend sicher noch nicht beschrieben – ich will gar nicht wissen, wo die Produktions-Phalanx der Buddenbrooks (Bavaria Film, in Koproduktion mit Pirol Film Production, Colonia Media, WDR, NDR, SWR, BR, Degeto, ORF und ARTE) noch so überall ihre Freunde sitzen hat und eifrig dem Gott des Kontrafaktischen huldigen lässt. 

Die größte Lüge steckt übrigens in der Web-Adresse der Produktion: www.buddenbrooks-derfilm.de. Was immer die Buddenbrooks sind, ein Film im engeren oder weiteren Verstand dieses Begriffs sind sie nicht. Auch wenn man, ja Herr Breloer, sagen wir großzügig: acht brillante «kleine» Filme für dies so ganz und gar sinnlos verbrannte Geld hätte drehen können.