dokumentarfilm

27. Januar 2015

Ausgleichsbilder Die Feuerprobe (1988) von Erwin Leiser im Arsenal Berlin zum Auftakt der Reihe «Asynchron»

Von Bert Rebhandl

© absolut Medien

 

«Nur Täter können es sich leisten, zu vergessen.» Diesen Satz stellte Erwin Leiser 1988 seinem Film Die Feuerprobe – Novemberpogrom 1938 voran. Ein Versuch, die Ereignisse vom November 1938 in Erinnerung zu rufen, von denen es kaum Filmbilder gibt, von denen Leiser aber ohnehin sparsamen Gebrauch gemacht hätte, denn er war sich der Problematik bewusst, die mit deren Verwendung in dokumentarischen Zusammenhängen einhergeht. Er hat einige Zeitzeugen befragt, ein gewichtiger ist er selber, er war im Jahr 1938 15 Jahre alt, und wurde nach der Pogromnacht außer Landes gebracht. In Schweden begann er ein «neues Leben», das es ihm ermöglichte, nach dem Krieg zu einem der ersten und wichtigsten filmischen Chronisten der NS-Herrschaft zu werden (Mein Kampf, 1960).

Die Feuerprobe ist einer seiner weniger geläufigen Filme, dabei überzeugt er gerade durch die Einordnung des Geschehens in die Entwicklung der zwölf Jahre von 1933 bis 1945. «Wenn Juden nicht zu Schaden gekommen sind, dann hat man sie einfach vergessen», wird aus einem Dokument der NS-Bürokratie zitiert, ein Satz, in dem der Begriff «Endlösung» schon angelegt ist. Leiser beginnt mit einer Aufnahme von sich selbst, er ist der Anchorman dieses Films, in dem nicht nur die Novembernacht in Testimonials zur Sprache kommt (besonders bewegend die Erzählung einer Frau, die einen Juwelier aus der Rosenthaler Straße in Berlin kannte, der sich in ihrem Keller verstecken wollte, und sich wenig später aus Angst und Resignation das Leben nahm, dabei hätten sie ihn doch auf jeden Fall geschützt: «der Keller hielt stand», sagt sie, auf die Verwüstungen Bezug nehmend, die die Nazis bis 1945 über Berlin brachten), sondern konsequenterweise schließlich auch Auschwitz.

An den wenigen Stellen, an denen Leiser die damals Mächtigen zeigt, greift er auch ein: Hitler und Goebbels zeigt er wohl bei markanten Reden, aber er hält dabei das Bild an, lässt die Redner mitten in der Geste erstarren, sie wirken plötzlich grotesk, ein ambivalenter Effekt, denn er hat eher etwas von Geisterabwehr, von Rache am überlieferten Bild hat ja niemand etwas. Dass eine solche Geisterabwehr nötig ist, deutet Leiser mit einer Frau namens Ursula Wölffer an, die er als Unbelehrbare zu Wort kommen lässt, die einen biederen Revisionismus vertritt: «Ich finde, dass Hitler auch viel Gutes getan hat», sagt sie, bevor sie darüber zu klagen beginnt, dass Juden inzwischen wieder nach Deutschland kommen, und dass mit den „Ausgleichsgeldern“ immer noch nicht Schluss ist, dabei «braucht Deutschland das Geld doch selber». Leiser baut also die Kontinuitäten des Ressentiments in seinen Film ein, das Unbegriffene an einem Rassismus, der auf diese Weise nach oben delegiert werden kann: «Ich weiß auch nicht, warum Hitler die Juden so furchtbar gehasst hat.» Furchtbar, das stimmt.

 

Die Feuerprobe – Novemberpogrom 1938 heute, 27. Januar 2015, um 19.30 im Arsenal Berlin zur Eröffnung der Reihe Asychnron. Dokumentar- und Experimentalfilme zum Holocaust. Mit Einführungen von Ulrich und Erika Gregor sowie Gertrud Koch

Die Filme von Erwin Leiser sind bei absolut Medien in einer 3 DVD-Box erschienen