19. September 2012
Der Auswanderer Filmhinweis: Patience (After Sebald) von Grant Gee
Über Die Ringe des Saturn von W.G. Sebald habe ich meiner Erinnerung nach bei Erscheinen 1995 eine eher reservierte Besprechung geschrieben, die mir heute nicht mehr zugänglich ist. Ich sah damals, immer noch unter dem Eindruck einer sehr grundlegenden Begeisterung für Schwindel. Gefühle (1990) und Die Ausgewanderten (1992), anscheinend den Sebald-Stil zum ersten Mal zu so etwas wie einer Manier werden. In der weltweiten Rezeption aber ist gerade sein drittes Prosawerk zu besonders großer Bedeutung angewachsen, und auch Grant Gee geht in seinem Film Patience (After Sebald) davon aus: A walk through The Rings of Saturn lautet der Untertitel, und das kann man zugleich buchstäblich und im übertragenen Sinn nehmen.
Tatsächlich sind hier (in schwarzweißen Bildern) viele der Orte zu sehen, in die Sebald auf seiner englischen Wallfahrt durch Norfolk und Suffolk kam: Lowestoft, River Blythe, Dunwich, Boulge, Orford. Zum Teil überblendet Gee richtiggehend von den Fotografien, die in Sebalds Buch eine so wichtige Funktion haben, auf seine eigenen Aufnahmen.
Dazu wird nun aber nur an einigen Stellen der Text der englischen Übersetzung des Buches gelesen (von Jonathan Pryce), einen größeren Teil der «Durchwanderung» des Werks machen die Beiträge von Leuten aus, die Gee interviewt hat und die alle zu Sebald eine intensive Beziehung haben: Tacita Dean, Katie Mitchell, Rick Moody, Iain Sinclair.
Und an ein paar Stelle gibt es auch die Stimme von Sebald selbst zu hören, die eindeutig das klangvollste Organ in diesem Film ist. So spinnt sich der Verweis- und Abschweifungszusammenhang des ursprünglichen Texts hier noch einmal weiter, in eine Reflexion über «the dreamlife of debris», und über die Erinnerung an einen Mann, der nirgends richtig daheim war, außer vielleicht in den Resten einer Geschichte des Unheils.
Patience (After Sebald), GB 2011, Regie: Grant Gee, läuft am 20.09. (in Anwesenheit des Regisseurs) und am 03.10.2012 jeweils um 20.00h im Zeughauskino im Rahmen der exzellent programmierten Reihe Doku.Arts