dokumentarfilm

13. November 2013

Nichtwiedergutmachung Das falsche Wort (1987) von Katrin Seybold und Melanie Spitta

Von Bert Rebhandl

© Katrin Seybold

 

Aus einem Bescheid, mit dem in der BRD ein Antrag auf Entschädigung eines im Nationalsozialismus verfolgten deutschen Sinto abgelehnt wurde: «Der Antragstelller hätte mit Sicherheit keinen Beruf erlernt» (es ging um entgangene Ausbildungszeit), denn das liegt nicht in der «Wesensart der Zigeuner». Zitiert wird dies in dem Dokumentarfilm Das falsche Wort von Katrin Seybold, in dem sie 1982 gemeinsam mit Melanie Spitta (Buch) den skandalösen Umgang mit NS-Opfern aus der Minderheit der Sinti (Sinte) aufarbeitete.

Aus Interviews mit Überlebenden und auf Grundlage einer intensiven Archivrecherche nicht zuletzt in der DDR wird deutlich, wie sehr vor allem in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten die Sinti und Roma immer noch weitgehend in den Kategorien der NS-Rassenforschung gesehen wurden, nicht zuletzt aufgrund personeller Kontinuitäten. Dass sie ebenso verfolgt worden waren wie die Juden, wurde lange Zeit richtiggehend bestritten: Der offiziellen Regelung nach begann eine «Verfolgung» von Sinti und Roma erst 1943, wer davor in ein Konzentrationslager gekommen war, Zwangsarbeit verrichten musste oder «von der Fortpflanzung ausgeschlossen» wurde, hatte dazu also, so die Implikation, einen Anlass gegeben.

Seybold und Spitta gehen von Testimonials aus, beeindruckend ist aber vor allem, wie sie mit den Dokumenten umgehen. Neben der Trauerarbeit der überlebenden Vertreterinnen und Vertreter ihres Volkes («Wir sind fertig mit der Welt, wir sind nur noch halbe Frauen», sagt eine Frau, die damals sterilisiert worden war) geht aus den vielen «gutachterlichen Äußerungen» und anderen rassentypisierenden Befunden der Zeit hervor, wie brutal sogenannte Experten wie der vor allem zuständige Robert Ritter ihre pseudowissenschaftlichen Erkenntnisse auf die «Population der schweren asozialen Psychopathen» anwandten.

Interessant ist, wie Melanie Spitta zwischendurch ihrerseits ein, zwei essentialisierende Merkmale erkennen lässt, die sie auf ihr Volk positiv anwendet: «Seit Jahrhunderten haben wir uns vor dem Erforschtwerden geschützt»; sie konstituiert die ethnische Differenz auch als eine epistemische und mehr noch politische, sie sieht ihr Volk als eines, das sich der Polizey entzieht, was im Nationalsozialismus dann nicht mehr gelang. Das falsche Wort ist zugleich Recherche, Klage und Anklage, die wehmütige Musik von Georges Boulanger und die das deutsche Volk direkt adressierenden Formulierungen von Melanie Spitta fügen ein berechtigt wehmütiges Pathos zu der eingehenden Archivarbeit hinzu.

 

Das falsche Wort wird heute, 13. November 2013, um 18.30 im Filmmuseum München gezeigt (weitere Filme von Katrin Seybold im Dezember und Januar)

Im Netz findet sich Das falsche Wort zur Not auch