dokumentarfilm

25. November 2008

Pere Portabella: El Sopar Der Dokumentarfilm El Sopar von Pere Portabella versammelt fünf Widerstandskämpfer gegen das Franco-Regime zum Abendmahl an einem Tisch

Von Ekkehard Knörer

© Pere Portabella

 

Ich möchte noch einmal Madelaine Bernstorff danken, die in einem Kommentar darauf hinwies, dass gestern Pere Portabellas sonst nicht greifbarer Film El Sopar im Berliner Kino Acud zu sehen sein würde. (Und zwar im Rahmen des noch bis morgen laufenden One World Festivals).Sehr hat sie sich gelohnt, die Fahrt in die Veteranenstraße, denn El Sopar ist ein faszinierender Film. Fünf Widerstandskämpfer gegen Franco – vier Männer, eine Frau – hat Portabella in einem Landhaus, es ist das Jahr 1974, um einen Tisch versammelt. Alle sind sie als politische Häftlinge im Gefängnis gewesen, einer von ihnen 24 Jahre. Zählt man ihre Haftzeiten zusammen, waren sie mehr als fünfzig Jahre im Knast, das teilt Portabella mit, der auf katalanisch im Voiceover zu Beginn ein paar Informationen gibt.Anfangs sieht man sie in der Küche, sie bereiten das Essen zu. Man sieht auch einmal von draußen aufs Haus und vor dem Essen sitzen sie (siehe Foto oben, ganz links, das ist Regisseur Portabella) um einen Tisch, halb im Freien, und hören Aufnahmen Portabellas vom Band. Im wesentlichen aber konzentriert sich der Film aufs Gespräch, lässt die Kamere über Hinterköpfe und Gesichter schwenken, langsam, lässt sie auch auf den Gesichtern der Sprechenden verharren.

Sie sprechen darüber, was es heißt, ein politischer Gefangener zu sein. Sie diskutieren, sie streiten nicht, sie sind nicht in einem verhärteten Jargon befangen. Es geht darum, ob man im Gefängnis Widerstand leisten kann. Welcher Art dieser Widerstand ist, wie er sich zum Widerstand draußen, auf der Straße, an der Uni, im alltäglichen Leben verhält. Wir sind in den Eingeweiden des Feindes, sagt einer der Männer. (Ihre Namen erfährt man in einer Einblendung hinterher, die aber offenkundig nach dem Ende des Franco-Regimes erst hinzugefügt wurde.)

Auf höchstem intellektuellem Niveau verhandeln die fünf wichtige Fragen. Was will der Feind aus uns machen – er will uns per Biopolitik reduzieren, auf den Körper reduzieren, er will uns unseres sozialen Daseins berauben, das uns zu politischen und zu mit Gründen den Zuständen widerstehenden Menschen macht.

Sie sprechen darüber, wie man sich nicht brechen lässt und wie man doch nicht verhindern kann, im Gefängnis ein anderer zu werden. Die einzige Frau am Tisch spricht über die besondere Lage der weiblichen politischen Gefangenen; sie sagt es nicht explizit, aber dass es auch um Vergewaltigungen geht, ist recht deutlich.

Ein anderer schweigt nicht davon, dass er in seiner Gefangenschaft auch faszinierende Erfahrungen gemacht hat. Die schlimmste Langeweile, das größte Glück, ja, nie zuvor und nie danach hat ihn beim Masturbieren, sagt er, die Einbildungskraft so weit davongetragen. Keiner der anderen ist empört über das, was er da sagt.

Sie sprechen, ganz am Anfang, über den Nullpunkt sozusagen, des Widerstands, den Punkt, an dem er passiv wird und suizidal: den Hungerstreik als Option, die dem Feind weniger schadet als der Mobilisierung der eigenen Seite nützt. Engagiert, mutig (sie halten ja ihr Gesicht hin wie auch Portabella; die Techniker bleiben alle anonym, der Vorspann, der Abspann nennt sie nicht), spannend ist dieser Film, dem man fünfzig Minuten lang gebannt folgt.

Nur der Einleitung Bernstorffs war zu entnehmen, dass es ein besonderer Tag ist, an dem die Fünf zum Abendessen zusammenkommen. Es ist der Vorabend des Tages, an dem der letzte – das weiß man aber noch nicht – Franco-Widerständler hingerichtet werde wird. Er ist - und ist nicht - mitten unter ihnen. Es ist ein letztes Abendmahl und diese Konnotation ist das einzige, was dann vielleicht ein bisschen zu viel des Pathos ist.