essayfilm

23. September 2014

Geheimnis der Filiation Straub von Stefan Hayn im Haus der Kulturen der Welt

Von Bert Rebhandl

© Stefan Hayn

 

Im Heft 225 der Filmkritik erschien im September 1975 ein Text von Danièle Huillet: Appunti sul giornale di lavorazione di Gregory. Anmerkungen zum Arbeitsjournal von Gregory. Es ist also ein Text, der einen anderen Text ergänzt und wesentlich auch korrigiert, den Gregory Wood über die Dreharbeiten zu Moses und Aron geschrieben hatte. Es ist ein Text über die Materialbedingungen eines Films: warum man einen Fisher-Tongalgen braucht, warum das Amphitheater von Alba Fucense eine schwierige, aber lohnende Akustik hat, welche Rolle Nagra-Mikrophone in der Aufnahmetechnik spielen. Und dann ein bezeichnender Satz: «Wir waren ein erstesmal in Ägypten an Weihnachten 1972, Jean-Marie und ich, allein, ohne Kamera und Photoapparat.» Ohne die Geräte ist man allein.

In Stefan Hayns Film Straub ist der Text von Danièle Huillet eine der beiden «Erzählungen». Die andere sind Passagen aus Robert Antelmes L'espèce humaine (Das Menschengeschlecht), einem 1949 erschienenen Bericht über Erfahrungen eines äußerst knapp Überlebenden in deutschen Konzentrationslagern, darunter wesentlich das Buchenwalder «Außenkommando Brunshausen» bei Bad Gandersheim, in dem Zwangsarbeiter für den Flugzeugbau gehalten wurden.

Kann man einen Straub-Film oder einen Straub-Huillet-Film machen, ohne einfach in Mimikry zu verfallen? Nach Stefan Hayns Straub habe ich den Eindruck, auch wenn das hier nur eine erste Notiz sein kann: es geht. Es geht sogar sehr gut. Zentrale Strategien werden übernommen: das Einlesen von Texten (in dem geradezu körperlich gegen die Hörbuchglätte verstoßen wird), die Bildbetrachtungen (an die Stelle von Cézanne setzt Hayn sich selbst, mit eigenen Bildern und Zeichnungen).

Es gibt eine sehr schöne Rahmung mit zwei Kindern an einem Ateliertisch, und zwischendurch trägt Stefan Hayn einen Jesus am Kreuz durch die Gegend. Da ist er für einen Moment fast bei Achternbusch, was vielleicht die konsequenteste Weise ist, sich in die Tradition von Straub zu stellen – in einer Weise, die den Anteil von Danièle Huillet nicht unterschlägt, sondern stark macht, und die der letzte Satz des Films, ein Zitat aus Antelmes Text über «le mystère possible de la filiation», vielleicht andeutet: «le langage et la transparence du père restent aussi insondables que lorsque celui-ci était encore pleinement souverain».

Straub (2014) von Stefan Hayn heute, 23. September, um 20.20 im HKW Berlin. Eintritt frei