19. Februar 2009
Keep on Walking Folge 1: Heroes for Sale (William A. Wellman) USA 1933
TOM: No. It’s maybe the end of us, but it’s not the end of America. In a few years, it’ll go on bigger and stronger than ever.
ROGER: You know, you’re the last guy in the world that I’d ever expect to find was an optimist!
TOM: That’s not optimism — just common horse-sense. Did you read President Roosevelt’s inaugural address? He’s right. You know, it takes more than one sock in the jaw to lick a hundred and twenty million people.
Mit Stahlplatten-gestützter Wirbelsäule kehrt Tom Holmes (Richard Barthelmess) aus dem Weltkriegs-Europa in die Vereinigten Staaten zurück. Seine Tapferkeitsmedaille hat ein anderer bekommen. In der Bank, die dem Vater des falschen Kriegshelden Roger Winston (Gordon Westcott) gehört, findet Holmes einen Job, der auf dem schlechten Gewissen des Kameraden beruht. Der Lohn reicht nicht aus für den schmerzlindernden Morphiumkonsum. Holmes' daraus resultierende Beschaffungskriminalität fliegt sofort auf. Nach der Entziehungskur in einer State Narcotic Farm folgt der Umzug nach Chicago und eine Karriere, die für eine kurze Phase Unternehmergeist im Angestelltenkorsett mit Verteilungsgerechtigkeit verbindet. Holmes steigt auf: In der South Park Laundry beginn er 1922 als Fahrer, 1926 stehen bereits 75 Dollar auf dem wöchentlichen Lohnscheck der United Trust & Savings Bank of Chicago.
Dazwischen liegt eine Prämienidee, die den Kundenstock als eigeninitiativen Akquisepool begreift. Im mittleren Management lebt es sich komfortabel; Holmes gründet eine Familie und beginnt, die neuen Möbel abzubezahlen. Dazwischen kommt diesem Leben der ehemalige Nachbar aus der armseligen Pension der Chicagoer Anfangszeit: ein erfinderischer deutscher Bolschewik mit kapitalistischer Gier. Über ihn gerät eine effizienzsteigernde Maschine in die Wäscherei. Holmes, ein Humanist der sozialen Marktwirtschaft, implementiert daraufhin ein Genossenschaftsmodell, das die Arbeiter zu Shareholdern der Innovation macht. Dass die Rationalisierung keine Arbeitsplätze vernichten darf, lautet das Gentlemen's Agreement mit dem Chef der Wäschrei, ein Familienunternehmer alten Schlags. Als dieser stirbt, kommen neue Investoren, die es vorziehen, keine Gentlemen zu sein. Sie fügen der Maschine eine Schraube hinzu und brechen den Sozialvertrag. Die Arbeiter ziehen als Maschinenstürmer durch das Chicago der späten 1920er-Jahre, Holmes versucht sie zu beruhigen, wird von der Polizeigewalt aber fälschlicherweise als Rädelsführer identifiziert und verhaftet, während seine Frau (Loretta Young) in den Demonstrationswirren ums Leben kommt. Als Holmes aus dem Gefängnis entlassen wird, ist sein Sohn bereits in der Schule und die USA stehen am Vorabend des Schwarzen Freitag 1929. Würde er nun das Geld, das der deutsche Kommunist – der negative Kapitalist des Films – mit Geschick und ohne Skrupel für ihn investiert hat, annehmen, wäre er ein gemachter Mann. Dass Holmes auch jetzt nicht hinter seine Ideale zurück tritt, lässt ihn verdächtig werden und hat die staatliche Observierung durch zwei Herren in Anzügen zur Folge: «We’re from the Red Squad».
1932 bleibt Holmes nur noch die Wanderschaft mit dem Heer der Arbeitssuchenden. Überall werden sie von den gleichen Schildern in Empfang genommen: «No Help Wanted» (Harrisburg/Pennsylvania), »Jobless Men Keep Going. We Can’t Take Care of Our Own» (Jefferson City/Missouri). Den falschen Kriegshelden trifft Holmes schließlich wieder an einem Lagerfeuer im Niemandsland. Aktienspekulationen haben die Bank des Vaters (und den Vater) die Existenz gekostet.
73 Minuten Warner Brothers «Before the Code» (wie auch eine Retrospektive der Viennale 1996 hieß) ringen um das richtige Maß Sozialismus im Zuge der kapitalistischen Erneuerung des New Deal. «Breadline» hieß das Melodram im Arbeitstitel. Das Orginalskript sah vor, Tom Holmes als Stellvertreter der «forgotten men» zu Tode kommen zu lassen. Dann intervenierte Studioboss Darryl F. Zanuck (der noch im gleichen Jahr Twentieth Century Pictures gründen sollte), verordnete «a more upbeat ending» und fügte die oben zitierte Dialogzeile mit der Begründung ein:
«The reason I use the Inaugural speech at the finish is that everyone throughout the world is talking about FDR's speech. It was a bombshell and is being compared to great speeches like Lincoln's Ghettysburg Adress and it seems to me much more constructive for Tom to be talking about what somebody else thinks than to be talking about what he thinks.»
Wellmans Film endet mit einer Überblendung auf Holmes' Sohn, der vor einer Plakette steht, die den Vater feiert, weil er sein Kapital (das Kapital, das die Karikatur des inwendig hyperkapitalistischen Kommunisten geschickt für ihn angelegt hat) für die Armenspeisung verschenkte. Eine ambivalente Hoffnungsgeste. In der Überblendung, die den Vater durch den Sohn ersetzt, steckt nicht nur New Deal-Optimismus und die Erwartung an die Tradierbarkeit der richtigen Ideale, sondern zugleich die pessimistische Diagnose einer «verlorenen Generation», die diese Zukunft nicht mehr erleben wird.
Heroes for Sale (William A. Wellman) USA 1933, mit Richard Barthelmess und Loretta Young. Erscheint auf DVD im März 2009, in der Reihe «Forbidden Hollywood Collection. Volume Three« (Warner Home Video)
Literaturhinweise:
(1) William Augustus Wellman, A Short Time of Insanity. An Autobiography. New York 1974.
(2) EYMAN: You were born in New England? WELLMAN: Yeah, in Brookline, Massachusetts. My father was a stockbroker, although not a particularly successful one. And my mother was a wonderful, wonderful woman. (aus: «Wild Bill»: William A. Wellman. Interview with Scott Eyman 1978).