21. Juni 2022
5 x Robert Florey
The Preview Murder Mystery (1932)
Ein Remake, dessen Hauptdarsteller ermordet wird, weil der (noch dazu: für tot gehaltene) Star des Stummfilm-Originals die Überschreibung seines eigenen Ruhms rächen will. Ja, Spoiler, aber um das Mystery, das im Titel steht, geht es sowieso nicht. Sondern ums Kino, das Paramount-Gelände, ein Set und noch ein Set und noch ein Set (für Insider sind auch Floreys Kameramann Karl Struss und viele andere Paramount-Mitarbeiter*innen im Bild zu entdecken), der PR-Mann, dessen Werben um Frances Drake als kleiner Romanzenanhang in die 60 Minuten auch noch hineinpasst. Das alles in dutch angles und atmosphärisch hell-dunklen Männer-mit-Hut-Kompositionen. Ein bisschen Schrecken, ein bisschen Scherz, es hagelt Wischblenden von allen Seiten, der PR-Mann spinnt (buchstäblich) Fäden als Falle und Florey fängt sie in einer schön abstrakten Einstellung ein. Das große Finale: Das Sound-Studio als Lauschposten, in den Florey aber mit Iris-Aufblenden auch Live-Bilder von den Schauplätzen (Stage 13 vor allem) hereinholt. Wild, schnell, auch krude, es ergibt keine ganz organische Mischung, so dass der Mystery-Angle eher stört, als die aus den Nähten, Winkeln und Blenden platzende Sache zusammenzuhalten. (71cp)
The Murders in the Rue Morgue (1932)
Die Geschichte wirkt wie ein surreales Projekt: Robert Florey, dem die Adaption zugeschrieben wird, sowie die Drehbuchverfasser (additional dialogue: John Huston) haben sich ein paar Stichpunkte zu Poes Erzählung geben lassen und darüber dann frei fantasiert. Oder anders: Die DNA der ersten Detektivgeschichte der Welt wurde versehentlich mit anderen Genres gekreuzt. So kommt Bela Lugosi als mad scientist Dr. Mirakle ins Spiel, der junge Frauen für seine Experimente entführt. Im Zentrum ein Liebespaar, Pierre Dupin heißt der Mann, der Vorname ist so verschoben wie Dupins Mutter, die an Stelle der jungen Frau nun, Gorillabüschel in der Hand, kopfüber im Schornstein hängt. Quer reingerutscht aus Comedy-Genres der Mitbewohner Dupins, ein etwas dicklicher Schlafmützenmann. Alles spielt in einem in Prospekten gemalten dunklen Gassen-Paris, in dem jeweils nur im Vordergrund ein schiefes Haus steht als echte Kulisse. Zwischendurch kommt das Geschehen in Dialogen, die hoffentlich nicht John Huston verfasst hat, ziemlich zum Stillstand. (Wobei es der eine, bei dem ein Deutscher als unzuverlässiger Zeuge hysterisch schnarrt, als wäre er Hitler, durchaus in sich hat.) Aber als As hat Florey Karl Freund noch im Ärmel, der in aufregenden Fahrten und Schwenks Räume überraschend erschließt. Ganz fabelhaft eine Schaukelsequenz in freier Natur, bei der, Freund-Fragonard, die Kamera höchst bewegt mitschwingt. Gelegentlich bringt auch Stakkato-Schnitt Leben in die Bude. Das dann in den statischen Szenen wieder entweicht. (73cp)
The House on 56th Street (1933)
Das Haus in der 56. Straße ist ein Haus der Karten, buchstäblich. Weil die Protagonistin des Films, Kay Francis als Peggy Martin, eine Kartenspielerin ist. Als Revuegirl legt sie sie sich, um zwischen zwei Männern eine Entscheidung zu finden, die am Ende nur eine falsche gewesen sein kann. Mit dem, den sie will, blond und bland, bricht sie auf zur Hochzeitsreise durch Europa: Moulin Rouge, Gondel, Kind unterwegs, Haus in der 56. Straße gekauft. Der, den sie nicht will, der viel ältere, aber weniger fade, tötet sich, aus Liebesunglück und Lebensdesinteresse, aber sie kommt als Mörderin in den Knast. Wir sind bei der Hälfte des Films, er geht, Epos-Essenz, nur 68 Minuten. Abschied vom Gatten, Finger berühren sich über einem Trennungsbrettchen im Knast. Die Jahre vergehen in Zeitungsschlagzeilen. Krieg in Europa, der Ehemann fällt. Jetzt 1925, sie kommt raus, lernt auf einem Schiff einen Kartenbetrüger kennen, man beschließt, beruflich, nicht privat, gemeinsame Sache zu machen. Und so landet sie wieder im Haus in der 65. Straße, als Black-Jack-Dealerin. Schürzung des Knotens: Ihre Tochter wird töten, die Mutter wird sie entschulden, im selben Haus, beim vierten Mann. Vollendetes Unglück: Das Haus, der Mann, die Karten - ein einziger Knast. Die Tochter: gerettet, falls man Schiffen, die aufbrechen, traut. (69cp)
Daughter of Shanghai (1937)
Menschenschmuggler hoch in der Luft (einer von ihnen: Anthony Quinn), sie öffnen die Ladeklappe des Flugzeugs und entlassen Geflüchtete gnadenlos in den Tod. Als der chinesische Geschäftsmann Quan Lin in das (von einer reichen weißen Frau geführte) Racket hineingezogen werden soll und sich weigert, wird er getötet. Seine Tochter entkommt mit knapper Not, es folgt eine Serie großer Auftritte von Anna May Wong, als Tänzerin und auch als Ermittlerin, öfter als nicht an ihrer Seite: Philip Ahn als Polizist. Undercover schleicht sie sich in eine Südsee-Kaschemme, den Schleuser-Übergangs-Ort. In der Kantung und Staffelung der Räume, der Menschen und Einrichtungsgegenstände von großer Diversität: Florey in seinem Element, ein Eindruck der Fülle und Dichte, Blicke von unten, durch Pflanzen hindurch, in verschiedenen Sprachen, nicht zuletzt Ukrainisch, am Ende ist das mehr als die halbe Strecke zwischen exotisierend und glaubwürdig fremd. Nicht exotisiert, sondern als handelndes Subjekt und als Star in Szene gesetzt: Anna May Wong. Höhepunkt der von Florey zelebrierten (Nicht)Aneignungsakte: Gleich mehrere Szenen, in denen Wong das Privileg bekommt, Worte auf Chinesisch zu wechseln, freigestellt, nämlich nicht übersetzt. (73cp)
The Beast With Five Fingers (1946)
Großer Moment, als das ganze Haus zu leben, zu beben beginnt, hier kommt auch die stets aufdringliche Max-Steiner-Orchestermusik zu sich selbst: als hebe sie neben dem Wind und Fenstergeklapper die Wirklichkeit aus den Angeln. Sehr schön, wenn auch sehr deutlich (aber um Zurückhaltung geht es hier nicht), die Szene, in der das Klavierspiel parallel zum Schwenk von Peter Lorre auf Andrea King und zurück verstummt und erklingt und verstummt und erklingt: Wir haben verstanden, die mordende Hand existiert nur in der gestörten Psyche Hilarys, so hinreißend die Trickarbeit freilich auch ist. Auch Lorre natürlich kein Held des Understatement, man genießt das als Performance, was leicht fällt, da der Film keine Sekunde an den Geister-Hokuspokus glaubt. Und Curt Siodmaks Drehbuch schon tausendundeinmal nicht: Gleich in der ersten Szene wird ein Betrug als Betrug vorgeführt, Robert Alda hier sehr charismatisch, auch wenn er im weiteren hinter den anders charismatischen Lorre und J. Carrol Naish als voll aufgedrehtem Italo-Kommissar zurücktreten muss. Das mehrfache Erklär-Finale macht dann endgültig Hausputz. Hier wurde, so sehr Max Steiner und das Haus bebten, so sehr Lorre vom Wahnsinn durchglüht war, in Wahrheit doch nur eine Komödie des Schreckens gegeben. (70cp)