22. Januar 2013
1930: Jean Grémillon: La petite Lise (Frankreich)
Sehr eigentümlich experimentell mutet schon die Vorspannmusik an. Dann geht es in medias res: Straflager in Cayenne. Zwanzig Minuten lang düstere Atmosphärenmalerei in Dialogen, Gesang, Hintergrundgeräuschen – ein großartiger Auftakt, der sich wenig um Erzählung kümmert, die Kamera fraternisiert mit verzweifelten Männern, tastet die vollgekritzelte Wand ab, saugt sich fest an Tattoos. Berthier, ein Mann wie ein Schrank, wird begnadigt, kehrt zurück nach Paris. Sucht seine Tochter auf, die kleine Lise, und ahnt nicht, dass sie ihr Geld als Prostituierte verdient. Ein melodramatischer Knoten wird tödlich geschürzt, Grémillon aber kommt es auf anderes an: die Verdichtung von Räumen, ein ganz und gar entschleunigtes finsteres Brüten, Treppenhäuser, die Nacht vor durchweg erstaunlicher Soundscape: Ein Zug fährt an im Hintergrund, da steigt auch Dampf auf. Musik, Geklapper wie von Skeletten. Am Ende ein Rasen schwarzer Musik mit Tanz im Café. Berthier tut, was er tun muss: ein Opfergang. (79cp)