13. Mai 2010
1906 & 1907: Tartans / Kohlenmädchen
Der Film zeigt, was er kann. Farbe, Ton. Der frühe Film war nicht schwarz-weiß und er war nicht stumm. Oder, genauer: Der Eindruck, er sei beides nicht, ließ sich erzeugen. Die Farbe: Zunächst handgemalt, Bild für Bild, oder viragiert, also streckenweise eingefärbt, als Stimmungsmalerei. Daneben aber Versuche tatsächlicher Farbwiedergabe von Wirklichkeit. G.A. Smith, der britische Pionier, tat sich mit dem amerikanischen Experimentator Charles Urban zusammen und im Jahr 1906 entwickelten sie ein halbwegs funktionierendes Farbfilmsystem, genannt Kinemacolor. Es war technisch nicht unkompliziert, benötigte rotierende rot-grün-Filter sowohl bei der Aufnahme wie bei der Projektion – mehr dazu hier. Smith, der nach England exilierter Schotte war, hält sich bei der Demonstration der neuen Farbfilmkunst an das, was er kennt. Eine Musterprobe schottischer Clanfarben. (Also: Schottenmuster.) Was, mit heutigen Augen betrachtet, ganz verflixt nach einem Experimentalfilm aussieht, Farbfolgencloseups ohne verbindende Narration. (Eine Winkefrau als Nachgedanke.) Kein Wunder, denn im engen Sinn des Wort war es genau das: ein Experiment.
Der Ton ist älter. Edisons von W.K.L. Dickson entwickelter Kinetograph, Bewegtbilderfindung mit Ton vor Lumière & Co, war Bild plus Ton. Man hielt sich die Hörmuschel ans Ohr und sah im Sologerät den Film dazu. Die Synchronisierung freilich blieb mühsam, bis zur Entwicklung von Lichttonverfahren, die sich – obwohl schon Anfang des Jahrhunderts erfunden und zu Beginn der 20er Jahre umsetzbar – erst in den 30ern durchzusetzen begannen. Direktton war lange technisch unmöglich und noch viel länger sehr schwierig – denn da hätte das Tonaufnahmegerät im Bild sein müssen (wie hier, im wohl frühsten Tonfilm aus dem Jahr 1894). Schon deshalb haben die Tonfilme der 00er Jahre selten Spielsznen, sondern sind hinterher synchronisierte Musikfilme. Gerade in Deutschland war das ein sehr beliebtes Genre in den frühen Kurzfilmprogrammen. Im folgenden einige Ausschnitte, etwa mit den Schauspiel- und Operettenstars Fritzi Massary und Joseph Giampetro und dem Lied «Komm du kleines Kohlenmädchen» – eine Produktion (von 1907?) des Film- und Kinopioniers Oskar Messter, der diese "Tonbilder" für Deutschland erfand. (Wird ja auch alles erklärt von der Erklärerstimme.) Und danach noch, in Frontalstellung vor Bühnenbild-Dekor und mit dem Understatement abgneigter Gestik, eine Interpretation der Marseillaise.