26. April 2010
1901: James Williamson: The Big Swallow
Der zweitbedeutendste únter den beiden frühen Filmemachern, die in der Stadt Hove in East Sussex lebten, trug den Namen James Williamson. Während sein bedeutenderer Kollege G.A. Smith den städtischen Garten in einen Vergnügungspark umbaute (mit Eremit in der Höhle, Affen, Ballonaufstieg) und das dortige Pumpenhaus als Film- und Schnittstudio nutzte, bastelte der aus Schottland gebürtige Williamson, Apotheker von Beruf, dortselbst an eigenen Filmen. 1898 baute er eine Kamera um und drehte mit der Verfolgungsjagd Stop Thief und dem Rettungsdrama Fire! kurze Filme, die den Schnitt für narrative Mittel zu nutzen verstehen.
The Big Swallow (1901), sein berühmtestes Werk, ist anders. Ein Mann mit Stock und Hut und Brille vor einer Wand. Gestikulierend, redend nähert er sich der Kamera. Es ist zunächst nicht ganz klar, wen er in seiner Schimpfrede stockfuchtelnd adressiert: ein unsichtbares Publikum oder doch den Filmemacher und die Kamera, in die der Mann bei seinen Schimpfreden aber nicht direkt blickt? Dann aber scheint seine Wut ihr Objekt zu finden. Die Brille wird abgenommen, zusammengelegt, eingesteckt. Er kommt der stillstehenden Kamera näher bis zum Close Up. Das Gesicht sprengt den Rahmen, man sieht einzig die Lippen noch und den offenen Mund – Schwarzbild – dann ein Schnitt.
Das Ende ist paradox, Triumph und Pathologie der Kinematografie. Das letzte Bild zeigt ein Feixen wie das Lachen einer Katze in Cheshire, das im Verschwinden noch bleibt. Am eigenen Schopf hat davor aber die Kamera sich aus der Mise-an-abyme gezogen, die ihr widerfuhr. Ihr Blick überlebt sein Verspeistwerden noch; oder, anders gesagt, das ist das Kreuz mit dem Kino: Es kann einfach nicht aufhören, immer weiter zu zeigen, auch das noch, was es von Rechts wegen nun wirklich nicht sehen kann. Da lacht die dargestellte Figur, aber das letzte Wort hat sie nicht.