7. Dezember 2013
Alte Meister Museum Hours von Jem Cohen
Einer der besten Dokumentarfilme über Wien ist ein Spielfilm: Museum Hours (2012) von Jem Cohen hat gerade einmal einen losen Vorwand von einer Geschichte. Eine Frau aus Montreal kommt in die Stadt, weil eine ihr nahestehende andere Frau in einem Krankenhaus im Koma liegt. Im Kunsthistorischen Museum trifft sie auf Herrn Leitner (Bobby Sommer, Bild oben), der dort als Aufseher tätig ist und gelegentlich einen Besucher, der besonders unfreundlich nach dem Weg zur Toilette fragt, auf einen «langen Marsch» (Aufseher-Lingo) schickt. Die beiden Einzelgänger (es gibt auch eine Andeutung, dass Herr Leitner schwul ist) schließen Freundschaft, sie hängen häufig miteinander ab (das Wort passt hier), und erkunden ohne eigentlich touristische Ambition die Stadt und das Umland (selbst in eine Seegrotte in Hinterbrühl verschlägt es sie).
Jem Cohen achtet dabei auf die Details, die im Stadtbild auf spezielle Geschichten wie die vom Augustin verweisen – nach dem legendären Überlebenden der Pest, der durch seine Versoffenheit dem Tod ein Schnippchen schlug, ist heute die lokale Straßenzeitung benannt. Wichtige Cafés werden besucht (so auch das Weidinger am Gürtel, Stammlokal des Wiener Trashautors Manfred Rebhandl, meinem Bruder). Und dann verbringt der Film natürlich auch viel Zeit im Museum, wo Herr Leitner ein wenig vor sich hin räsonnieren kann, während die großen Werke ins Bild kommen, in unterschiedlichsten Ausschnitten und motivischen Zusammenhangen, alles ganz zwanglos und assoziativ. Wer Wien als Stadt spüren will, ist hier richtig.
Museum Hours (2012) von Jem Cohen läuft heute, 7. Dezember 2013, um 21.45 noch einmal im Rahmen des Festivals Around the World in 14 Films in Berlin im Babylon Mitte