spielfilm

16. Mai 2014

Ausbeutungsgesellschaft Donogoo Tonka – Die geheimnisvolle Stadt (1936) von Reinhold Schünzel im Zeughauskino Berlin

Von Bert Rebhandl

© Ufa / Deutsche Kinemathek

 

«Hier ist nicht Kalifornien», ruft der deutsche Schauspieler Viktor Staal aus, der einen französischen Pionier im südamerikanischen Dschungel in den 1930er Jahren spielt. Nicht nur in nationaler Hinsicht läuft einiges durcheinander in Reinhold Schünzels Donogoo Tonka (1936). Wenn man den Film denn zur nationalsozialistischen Komödie zählen will, wofür insgesamt abgesehen von der Angabe Deutschland 1936 in den Filmographien wenig spricht, dann müsste man vielleicht bei den Teilen der Geschichte suchen, die sich mit Hochfinanz beschäftigen. Aber auch hier geht in aller Unschuld alles mit rechten Dingen zu.

Die Unschuld leitet sich aus einem Geschlechterklischee her. Der Film beginnt damit, dass ein Mädchen namens Josette (Anny Ondra) sich in Paris ein Eis kauft. Bald taucht auch ihr Kavalier auf: Pierre, einmal nennt sie ihn sogar «Pierrot». Eigentlich würden sie gern heiraten, und dann auf Hochzeitsreise gehen, vielleicht nach «Ägypten mit den Pyrenäen», wie Josette es sich erträumt – sie ist «dümmer als die Polizei erlaubt», heißt es wörtlich an einer anderen Stelle.

Doch zuerst bräuchte Pierre eine gute Arbeit. Es fehlt den Liebenden an Geld, dafür haben sie Zeit für ein Abenteuer. Josette, die eine halb umgestülpte Zielscheibe als Hut trägt («die eleganteste Frau von ganz Paris» ist sie nur Chez Albert, also in dem kleinen Cafe, das ihren Mondänitätsradius bildet), wird von Pierre ziemlich zutreffend als «Schießbudenfigur» bezeichnet. Damit ist sie aber bestens geeignet für den tollen Parcours, der dem Paar bevorsteht.

Sie geraten an einen Spezialisten für biometrische Psychotherapie, der Aufnahmen von ihren Gehirnen anfertigt. Josette hat ein «kleines, elegantes, genug für eine Frau». Dieser Miguel Rufisque gibt ihnen einen seltsamen Auftrag mit auf den Weg: auf der Straße dem ersten Mann folgen, den sie sich schneuzen sehen, und sich seinen Aufträgen bedingungslos anvertrauen. Das nennt man dann wohl unorthodoxe «Beschäftigungspolitik».

Josette nimmt das ernst, so geraten sie an einen zerstreuten Geographen, der ein Buch über Das unbekannte Südamerika geschrieben hat, in dem ein Kapitel über die sagenhafte Stadt Donogoo Tonka vollständig erfunden war – erfunden auf Grundlage von Erzählungen des Gauners Broudier, gespielt von dem österreichischen Mieselsüchtler Oskar Sima. In Donogoo Tonka «rollt» angeblich das Gold auf der Straße, woraus sich eine fiktive Golddeckung für einen groß angelegten Anlagebetrug ergibt, den der Direktor der Interökonomischen Bank veranstaltet: Er gründet eine Aktiengesellschaft, eine «reine Ausbeutungsgesellschaft», zur Erschließung der nicht existierenden Stadt Donogoo Tonka. Mit dem investierten Geld will er das Weite suchen.

Er hat allerdings nicht mit dem Pioniergeist von Pierre gerechnet, der die Marschorder seines künftigen Lebens wörtlich nimmt: Er will «eine Beschäftigung haben», und gründet eine Stadt, ganz ohne Kapital. Dass er sich damit in den Augen von Broudier zum «Defraudanten» macht, ist dann schon ein Kompliment. Denn das «Wo geht's zu den Millionen?», zu dem Josette sich einmal hinreißen lässt, führt schließlich zu ehrlicher Arbeit mit Händen und Verstand.

Daraus lässt sich allerdings kein antikapitalistischer Ständeschollenstaat ableiten, zumal Reinhold Schünzel von Donogoo Tonko, der auf einem Stück (einer conte cinématographique!) von Jules Romains aus dem Jahr 1920 beruht, auch eine französische Version gedreht hat, wie er das bei mehreren seiner Filme zwischen 1933 und 1936 getan hat. Die erste Stunde des Films ist die stärkere, weil hier die Komödie tatsächlich eine Art «Schießbude» ist, in der Josette und Pierre ordentlich durchgerüttelt werden und Gelegenheit zu ansatzweisem Slapstick bekommen. Das letzte Drittel spielt in einem Studiodschungel und macht sich von den «Sitten und Gebräuchen» fremder Völker ein kurioses Bild unschuldiger Kolonisierung. Man sieht aber auch an Donogoo Tonka, warum Schünzel in Nazideutschland keine Karriere machen konnte. Seine Phantasie inspiriert sich nun einmal vor allem an einer Devise, die Josette für ihren Pierrot ausgibt: «Sei nicht schwerfällig.»

 

Donogoo Tonka – Die geheimnisvolle Stadt (Deutschland 1936, Regie: Reinhold Schünzel) wird am Freitag, 16. Mai 2014, um 18.00 im Rahmen der Reihe Wo Leidenschaft wie Feuer brennt. Retrospektive der deutsch-brasilianischen Filmbeziehungen gezeigt. Einführung: Christian Rogowski