spielfilm

1. August 2009

Civic Life, Helen Herangehensweisen

Von Ekkehard Knörer

Die Leiche taucht auf im zweiten Drittel des Films, der aus einer einzigen, neun Minuten langen Einstellung besteht. Die Kamera bewegt sich durch einen Park. Man sieht Menschen, die ganz normale Dinge tun, man sieht in der Draufsicht einen Mann in einem Ruderboot, am Rollstuhl eines anderen Mannes ist eine britische Flagge befestigt, man sieht ein seltsames Tier unter einem Baum, man sieht Kinder, all dies während sich die Kamera langsam und durchaus majestätisch zu Musik von Vaughan Williams durch diesen Park bewegt. Dann kommt die Leiche ins Bild.

Der Film heißt Who Killed Brown Owl? und es steckt kein Filmfördergeld drin. Was zum einen damit zu tun hat, dass seine Macher, das aus Irland stammende Paar Christine Molloy und Joe Lawlor (Bandname: Desperate Optimists), aus der experimentellen Theaterszene kommen und ihre Filme, die nicht von Drehbüchern her gedacht sind, große Schwierigkeiten hätten, Gelder von den für Film zuständigen Stellen in Großbritannien oder Irland zu erhalten. Zwar schießt die britische Kulturstiftung Arts Council etwas zu. Die größeren Summen der kleinen Budgets aber kommen aus sehr unerwarteter Quelle: von den Gemeinden, in denen die Filme entstehen.

Civic Life heißt die Serie von sieben Filmen, zu der Who Killed Brown Owl?, der 2003 gedreht wurde, nun gehört. Die sechs im Jahr 2005 folgenden ergaben sich erst nach dem Erfolg dieses ersten. Sie folgen demselben Prinzip. Alle in 35mm gedreht, alle als Plansequenz, alle mit Laien vom Standort, an dem die Filme entstanden. Mehr dazu gibt es auf der Website zum Projekt zu erfahren. Dort kann man auch die DVD kaufen. Wer Lust hat, den mehrfach preisgekrönten Who Killed Brown Owl? in – ich übertreibe nicht – Briefmarkengröße zu bewundern, der kann das auf dieser BBC-Seite tun.

Im Mai diesen Jahres kam Helen, der erste Spielfilm von Christine Molloy und Joe Lawlor in die Kinos. Wieder steckt kein Filmfördergeld drin. Die Geschichte, die Helen erzählt - und dann offenbar  doch nicht im engeren Sinne erzählt -, ist die eines Mädchens, das verschwindet. Die Polizei bittet, zur Rekonstruktion des Geschehens, eine Klassenkameradin der Verschwundenen, deren Rolle in verschiedenen Situationen, die dem Verschwinden vorangehen, einzunehmen. Das klingt, finde ich, faszinierend. Jonathan Romney, einer der vielleicht klügste britische Filmkritiker, schreibt nahezu begeistert über den Film.

In einem Interview mit der sehr guten britischen Filmzeitschrift Vertigo erklären Molloy und Lawlor ihr Verfahren, bei dem die Arbeit an Kamerabewegung und Raum sehr bewusst an erster Stelle steht, um dann mit den Performances der – auch hier wieder – LaiendarstellerInnen konfrontiert zu werden. (Die Arbeit an Bewegung und Raum ist penibel, der Umgang mit den DarstellerInnen extrem unkontrolliert und offen.) Ich würde Helen sehr gerne sehen, erst einmal aber gibt es nicht mehr als den Trailer: