8. Januar 2016
Kansas City, Trastevere Filmhinweis für Wien: Un Americano a Roma (1954) von Steno mit Alberto Sordi
Mit der Befreiung kam die Amerikanisierung, mit der Demokratie kam der Kaugummi. Das ist ein geläufiger Topos über die ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, als eine Popularkultur entstand, die sich nicht mehr an die nationalen Grenzen hielt. Die italienische Komödie Un Americano a Roma von Steno aus dem Jahr 1954 gibt davon ein herrliches Beispiel. Der Amerikaner in Rom ist nämlich gebürtiger Italiener, er heißt Nando (Ferdinando) Mericoni, lebt in Trastevere, und hat sich Information über die Biographie des Baseballstars Joe DiMaggio oberflächlich zu eigen gemacht. Er hält ihn für einen Italiener, der nach Kansas City ausgewandert ist und das Herz von Marilina gewonnen hat. Marilina, das ist Marilyn Monroe. Wäre er in Kansas City gewesen, so hätte sie wohl ihm ihr Herz geschenkt, meint Nando, der ein echter "stronzo" ist, und der ganzen Welt mit seiner «ossessione» für Amerika auf die Nerven geht.
Die Pasta, die seine Mutter für den spätnachts aus einem Hopalong Cassidy-Film heimkehrenden Sohn bereitgestellt hat, schiebt er zur Seite, um ein echt amerikanisches Leibgericht aus «mamelata», Milch und Senf zuzubereiten, das er natürlich ausspuckt, gedankenverloren mampft er dann doch die «macaroni». Eine italienische Freundin, der ich von diesem Film erzählte, hatte die «Spaghetti-Szene» sofort parat, es handelt sich bei Un Americano a Roma um zentrales Kulturgut. Nicht zuletzt wohl wegen Alberto Sordi, der hier mit einer sprachlichen Rasanz arbeitet, die manchmal sogar Italiener überfordern dürfte. Nando hält sich nämlich viel auf seine Kenntnisse des amerikanischen Englisch zugute, de facto lässt Sordi unentwegt eine Mischung aus rabiatem Dialekt, unverständlichen Lehnwörtern und sinnlosem Zeug ab, die selbst Roberto Benigni überfordern dürfte. An ihn musste ich mehrfach denken, man sieht in Sordi einen offensichtlichen Vorgänger.
Bei seinen Eltern gelingt es Nando nicht, sie zu «americanizzare», seine eigene Amerikanisierung reicht immerhin für einen neuen Namen: Santi Bailor. Die «Farce», als die sich der Film am Ende selbst ausweist, besteht weitgehend aus drei längeren Sketches, in denen sich wie in einer Entstellung auch Italienbilder des internationalen Kinos der frühen fünfziger Jahre ausnehmen lassen: Die Begegnung mit einem amerikanischen Paar, das im Auto über Land unterwegs ist, könnte einem grotesken Remake von Viaggio in Italia entstammen (nicht auszudenken, wie Ingrid Bergman auf Santi Bailor reagiert hätte), das absolut irrwitzige letzte Drittel, in dem Santi als «sehr klassischer» Römer für ein Gemälde des alten Nero Porträt sitzen soll und auf seine unfreiwillige Entkleidung mit einer Flucht über die Dächer der Via Margutta reagiert, die eine Live-Fernsehshow eines gewissen Fred Buonanotte sprengt, macht sich über Roman Holiday (1953) lustig.
Und der dramaturgische Bogen entstammt einem Film von Henry Hathaway: In 14 Hours geht es darum, den Selbstmord eines Mannes zu verhindern, der von einem hohen Gebäude zu springen droht. Santi Bailor klettert, nachdem er das Plakat erblickt hat, auf das Kolosseum. In der Menge der Freunde und Schaulustigen finden sich die Zeugen, die in Rückblenden vom dem Wahn von Nando erzählen. Darunter ein wunderbarer Sidekick namens Cicalone, der schon seinen Namen in der Zeitung stehen sieht. Zur Sicherheit erfindet er einen, der etwas besser klingt: Pellacchioni Romolo - di Pasquale, fügt er dann noch hinzu. Man weiß ja nie. Un Americano a Roma ist extrem vergnüglich, ein unpoliertes Stück Unterhaltungskino, aus dem nicht zuletzt hervorgeht, dass das Italienische eine Sprache ist, in der sich alles bestens verballhornen lässt. Wenn man die entsprechend geschmeidige Zunge hat, wie Alberto Sordi.
Un Americano a Roma wird heute, 08.01., um 18.30 und dann noch einmal am 20.01., 18.30 im Österreichischen Filmmuseum in Wien im Rahmen der Reihe Rom. Eine Stadt im Film 1945-1980 gezeigt