spielfilm

19. Juli 2009

Leere Beweise Fußnote zu Soderbergh

Von Ekkehard Knörer

Jetzt erst habe ich ein schon etwas älteres Interview mit Steven Soderbergh gelesen; es ist aus dem Mai. Michael Sicinski hat einen entscheidenden Punkt getroffen, als er ihn im letzten cargo-Heft als das Paradox eines neoliberalen Auteur beschrieben hat. Das folgende ist nicht viel mehr als eine Fußnote, ein kurzer Materialanhang zu Sicinskis These.

Zunächst fragt sich ja noch, wie ein solches Paradox überhaupt möglich wird – jenes Paradox, das darin besteht, seine Seele in etwas hineinzulegen, für das man keine Leidenschaft hat. Oder auch: Aus ganzer Überzeugung etwas zu tun, an das man nicht glaubt. Ein Faktor: Man muss als Filmemacher den Eindruck haben, in einer postfilmischen Situation zu leben. Die beschreibt Soderbergh so:

[Movies]  are more influential than they've ever been and less important than they've ever been. They're influential in terms of how people act and how they dress, and also what they laugh at. But in terms of importance? In terms of what they can do for us, how they can enhance us? I think they've never been less important than they are right now. There was a period of time when that wasn't true, but that time has passed. I think it's still the dominant art form, but I don't think it's an important art form anymore.

Mal abgesehen davon, ob das nun stimmt oder nicht – etwas Wichtiges gehört dazu, von dieser Einsicht her auf der Soderbergh-Position zu landen: Man muss sich mit dieser Lagebeschreibung als Rahmenbedingung abgefunden haben. Man kann dann immer noch Großes, sogar Maßloses (Che) wollen, aber nicht um die Welt zu verändern, sondern um sich und allen zu beweisen, was in einer Situation wie der gegebenen noch möglich ist. Der Filmemacher Soderbergh setzt darum nichts Eigenes, sondern ringt nur der Lage, so bedauerlich sie sein mag, ab, was er ihr an Eigenem abringen kann. Auteur sein heißt in diesem Fall aber: das Eigene wird formal und lässt sich auf den Satz bringen: Ich habe das unter den gegebenen Umständen Bestmögliche möglich gemacht.

Warum aber tut man etwas, das der eigenen Einsicht nach so recht nicht mehr wichtig ist? Wenn das Motiv nicht darin besteht, einfach nur abzukassieren. Oder sich als bloßer Handwerker zu begreifen. Wie kann man denn, Teufel noch mal, sich einverstanden damit erklären, nicht das Unmögliche, sondern nur das Bestmögliche zu wollen? Nun, da hilft ein Weltbild, das über das prozedurale Basisprinzip der «Fairness» hinaus nichts erwartet und auch nichts zu fordern erlaubt:

Everybody is trying to get what they want all the time. And I don't think there's anything wrong with that. My whole criteria is 'is everybody getting what they want?' That's how I judge fairness or morality – parity. Not by the act itself, but by 'is everybody getting what they want?'

Das klingt, erst recht, wenn es dann um Sex, Liebe, Prostitution geht, nach einem Pennäler, der seine Nietzsche-Exaltationen gerade hinter sich hat und jetzt die Mitwelt mit seinem pseudo-abgeklärt-achselzuckenden Radikalpragmatismus in allen Dingen, die anderen wichtig sind, provoziert:

The cultural meaning of it is so blurry and could be used in so many contexts that, as you said, it's almost meaningless. If the definition of being a whore is that you're doing something that you wouldn't ordinarily do in order to make money, that's 95 percent of the people I know. Most of the people I know do not like their work, or they wish they were working somewhere else. Somebody pays me for my time, that's my job. That's what I do. Two people reaching an agreement that doesn't involve theft or assault is really none of my business. And I don't view the [sex] act as sacred. It's just not an exalted activity to me. That's really the crux of it. There is no evidence I can see that there's anything special about it.

Filmemachen ist, postfilmisch, Prostitution. Das ist aber, wie Prositution, nicht weiter schlimm, das Einverständnis aller Beteiligten vorausgesetzt, und da man nichts machen kann, kann und sollte  man sich auch gleich damit einverstanden erklären. Die Protest-Energie richtet sich so nicht gegen die Verhältnisse, sondern, mit einer selbst schon ermüdeten Geste, gegen jene, die sich nicht abfinden. Die die Leere nicht affirmieren wollen. Und offenkundig ist es genau das, was Soderbergh umtreibt: Hochtourige, handwerklich oft formvollendete Affirmation der Leere.

Heraus kommt etwas wie Che, ein Film, der beweist, dass so etwas wie dieser Film möglich ist. Der aber nicht mehr ist als nur dieser Beweis. Eben darum wird doppelt egal, was genau einer tut. Jeder Film ist ein rein formaler, quasi-mathematischer Beweis. Strahlend und hermetisch zugleich – und in dieser Gleichzeitigkeit seltsam uninteressant. Die Filme von Steven Soderbergh haben nichts zu sagen, sie geben nichts, das über sie hinauswiese, zu denken und die Leidenschaft, die in ihnen steckt, ist in dem Moment erschöpft, in dem sie als Film existieren. Auch die Haltung zu allem, was Diskurs wäre, ist darum nur konsequent:

Also, I'm not a result person, I'm a process person. What I really like is making them and I'm content to judge them by my own criteria later. But at the time I just want to make them. I want to make them for the amount of money and time that I've been given to make them and then I just want to move on to the next thing without agonizing.

Man kann der Ansicht sein, dass es keinen zeitgemäßeren Filmemacher als Steven Soderbergh gibt. Man muss das aber nicht freundlich meinen.