spielfilm

6. Mai 2016

Lieferketten Filmhinweis für Wien: Employee’s Entrance (1933) von Roy Del Ruth im Österreichischen Filmmuseum

Von Bert Rebhandl

© Warner Bros.

 

Eine der schönsten Kennenlernszenen der Filmgeschichte führt zu einer Beziehung, die keine Perspektive hat: Kurt Anderson, Geschäftsführer des Franklin Monroe Department Store in New York, geht abends durch die Möbelabteilung und hört jemand Klavier spielen. Er trifft auf eine junge Frau namens Madeline, die in einer der Wohnumgebungen verblieben ist, offensichtlich in der Absicht, sich einschließen zu lassen. Das ist nun nicht mehr notwendig, sie verbringt die Nacht mit dem Mann, und am nächsten Tag bekommt sie auch noch einen Job. Allerdings hat sie nichts im Sinn mit Anderson, und er sowieso nichts mit ihr, denn er lebt ganz für einen einzigen Zweck: die Umsätze zu steigern. Er ist durch und durch ein Geschäftsmann, romantische oder partnerschaftliche Beziehungen würden nur stören, für den Sex hat er dieses Apartment mit der Nummer 1032, in das von den Verkaufsebenen bei Monroe's ein Aufzug führt, den Madeline in Roy Del Ruths Employee's Entrance noch ein zweites Mal nimmt, und zwar wieder in einer Notlage.

Von den Filmen, die in Hollywood «before the code» entstanden, also vor der Einführung einer erzählerischen Selbstverpflichtung, sagt man gemeinhin, sie wären vor allem in sexueller Hinsicht sehr explizit. An Employee's Entrance kann man sehen, dass die Abwesenheit von Rücksichtnahmen auch noch in anderer Hinsicht von Vorteil ist: Hier sehen wir das amerikanische Wirtschaftsleben in einer Ausprägung, die sich zwar nicht direkt mit der Depression nach 1929 in Beziehung setzen lässt, die aber einen Typus von Manager hervorgebracht hat, der in Kurt Anderson dynamisch und rücksichtslos verkörpert ist. Wie er mit den Geschäftspartnern umgeht, das erinnert schon sehr an die gnadenlose Optimierung von Lieferketten von heute, und von seinem neuen Assistenten erwartet er sowieso, dass er 24 Stunden am Tag zur Verfügung steht.

Dieser aufstrebende Angestellte hat allerdings ein romantisches Handicap: Martin liebt Madeline, und sie liebt ihn. Das junge Paar muss die Liebe gewissermaßen jeden Tag durch den Personaleingang nach drinnen und nach draußen retten, ohnehin spielt sich der Film weitgehend im Kaufhaus ab, die kurzen Weg des Kurt Anderson zu seinem Vergnügen entsprechen der kurzen Leine, an der das Personal hier insgesamt ist.

In einer Partyszene kulminiert das alles, so wie es sich auf einer Firmenfeier nun einmal gehört, in einer potentiell zerstörerischen Weise. Toll an Employee's Entrance ist auch, wie die damalige technische Kommunikation mit einbezogen wird (Martin muss einmal eine Einbestellung von Madeline beim Geschäftsführer aus dem Vorzimmer mithören, per Zuschaltung), und wie die Eigentümerverhältnisse sich schließlich in einem großartigen Last Minute Rescue-Szenario äußern: Anderson braucht dringend eine Vollmacht des auf einer Jacht schwer erreichbaren Mehrheitseigentümers und Hauptprofiteurs von Monroe's. Er ist selber nämlich auch nur ein Angestellter, aber einer, bei dem das Subalterne in Machtgebaren umschlägt, wie es bei allen schlechteren Abteilungsleitern halt oft so ist.

Der Film endet, wie es sich für die Zeit gehört, nach nicht einmal fünf Viertelstunden lapidar und – so viel kann verraten werden – mit einer Konstellation der Unvereinbarkeit: Liebe und Karriere, das haben die Götter der Warenwelt nun einmal nicht zusammengefügt, und bei Fritz Lang kann man dann ein paar Jahre später sehen, wie es um das «Du und ich» (You and me) in dieser Welt nach dem New Deal bestellt ist.

Employee's Entrance (1933) von Roy Del Ruth heute um 19.00 im Österreichischen Filmmuseum in Wien zur Eröffnung der Retrospektive Sex and the City. Pre-Code Hollywood – Warner Bros. am Zenit