18. Mai 2016
Botschaft an das Universum Filmhinweis für Wien: Heimatfilm von Ludwig Wüst
Ich kann lesen: Das buchstabiert jemand mühsam in der ersten Einstellung von Ludwig Wüsts Heimatfilm. Weißt du, was das bedeutet?, fragt eine andere Stimme aus dem Off. Die Antwort lautet: Nein. Danach öffnet sich ein Fotoalbum. Es dokumentiert die Geschichte der Familie, aus der Ludwig Wüst stammt. Eine Kindheit in Bayern in den 70er Jahren, mit dem typischen Winnetou-Kostüm.
Nach dem irritierenden Beginn und der klassischen Fotostrecke ist in Heimatfilm schon alles möglich, und daraus macht Wüst einen Film, der in so viele Richtungen denkt und sieht, dass es schwer fällt, die vielen Facetten auch nur anzudeuten. Eine Ebene ist natürlich autobiographisch, wobei sich auch hier vieles vermischt mit dem eigenen Werk - die Begehung des Hauses des verstorbenen Vaters endet 2008 mit einem «Das wars», das dann aber 2013 doch noch einmal eine neue, fiktionale Dimension bekam, in einer Hausbegehung in dem Spielfilm Das Haus meines Vaters.
Ein Brief an die Mutter bleibt ungeschrieben, durchgestrichen schon die Bezeichnung derer, die für den Sohn keine Anrede trägt, die er über die Lippen bringt. Wüst selber im Blaumann beim Tischlern, in einer Peep Show, unterwegs in einer Stadt, die Überwachungsblicke auf ihn richtet, wie er da als Handwerker und abgesprengter Familienmensch seiner unheimlichen Wege geht. Fragmente früherer Projekte, darunter der herausragende Videomonolog von Renadde an ihre Eltern. Renadde aus Wüsts Film Koma. Renadde, die eine Botschaft an das Universum richtet, denn die Eltern sind längst tot.
Eingestellt wird diese Botschaft auf Youtube. Die Botschaft enthält einen Satz, der im Christentum die radikale Freiheit (für die Gnade) umreißt: Liebe und du was du willst. Suchen Sie den Fehler in diesem Satz. Ein amerikanischer Freund begeht ein Haus, das irgendwann einen Family Room haben wird, derzeit ist er noch «a mess». Dem Herkommen liest Ludwig Wüst eine Messe / a mess, in einem der besten Filme, die ich kenne.