9. Januar 2009
Schokopulver Kurzzusammenfassung eines Werner-Schroeter-Interviews aus den Cahiers du Cinema
Im aktuellen Heft der Cahiers du Cinéma (nebenbei: der Führungskampf zwischen Emmanuel Burdeau und Jean-Michel Frodon scheint nach vor nicht entschieden) gibt es ein langes Interview mit dem zuletzt schon totgesagten, schwer krebskranken Werner Schroeter, der nach Auskunft von Cyril Neyrat dabei einen ziemlich lebendigen Eindruck machte. Er erklärt darin unter anderem, dass er seinen jüngsten Film Nuit de Chien (lief in Venedig im letzten Jahr, wo Schroeter auch einen Goldenen Löwen fürs Lebenswerk erhielt) in Porto gedreht hat, weil die Stadt viel magischer sei als Lissabon. Dass er eigentlich James Baldwins Roman Giovannis Room verfilmen wollte, das Geld dafür aber nicht zusammenbekam. Dass Isabelle Huppert ihn zwang, sich schulmedizinisch behandeln zu lassen. Dass Der Baader Meinhof Komplex eine reaktionäre Telenovela ist, die «nicht den Blick klärt, nichts erhellt, sondern alles stumpf macht und verschleiert». Dass er keinen anderen Film auf der Welt liebt als La Passion de Jeanne d'Arc. Dass das doch nicht ganz stimmt. Dass er Marianne Hoppe geliebt hat. Dass er sich vor vierzig Jahren in Rosa von Praunheim verliebt hat. Dass er kein Schokopulver auf der Schokolade mag, weil dann der Schaum zusammenfällt. (Das ist vielleicht die großartigste Stelle im Interview und toll vom Interviewer Cyril Neyrat, dass er sie drin lässt, einfach so, zwischen all den ernsthaften Fragen.)
Andererseits ist auch das hier sehr schön. Schroeter erzählt von seiner Freundschaft mit Gilles Deleuze und dass die beiden Streiche verübten wie diesen: «Einmal, nachts, war ich mit ihm in den schönen Vierteln unterwegs, in der Nähe des Bois de Bologne, und meinte zu ihm: ‹Komm, wir dringen in eins dieser Häuser ein, wie die Diebe.› Ich wusste, wie man Türen aufbekommt mit einer Kreditkarte. Ich sagte: ‹Man muss seine Angst loswerden und wenn was passiert, dann wird uns was einfallen›' Wir haben nichts angefasst, versteht sich. Aber wir haben's getan.»