9. Mai 2010
Sonntag
«Ich muss zum Tatort», sagt die Polizeiruf-Kommissarin und damit geht der Ulk erst los. Lars Eidinger – wie von der Schaubühne gewohnt: full frontal und allseits bereit – übersetzt fließend lateinische Redewendungen und begründet dies damit, zweisprachig aufgewachsen zu sein. Alles beginnt mit nudistischen Szenen in dekorativ ausgeleuchteten Bundeswehr-Duschräumen, die an de Palmas Carrie erinnern würden, hätte Kameramann Hans Fromm nicht in wie immer bewundernswerter Schnörkellosigkeit auf Slow Motion verzichtet. Schön passt dieser auf Berliner Schnoddrigkeit getrimmte Münchner Polizeiruf, der das schwere Edgar Selge-Erbe nur kurz antrat, in den Sonntagabend der ARD. Wenige Minuten vor dem Würge-Mord noch Feierbiest Louis van Gaal entfesselt und lederbehost in der Tagesschau (klar auf dem Weg, der neue Rudi Carrell der Deutschen zu werden), dann Lars Eidinger mit Holger Badstuber-Frisur und schließlich um 21.05h per Eil-Einblendung neue NRW-Hochrechnungen, die zwischenzeitlich die Befürchtung wecken, dass der selbsternannte «Arbeiterführer» doch noch im Roland Koch-Stil im Amt bleiben kann. Hätte man die Ausdauer eines Stefan Niggemeier gehabt, wären anschließend noch Richard David Precht und zum hundertsten Mal der enervierende Tea Party-Schweizer Roger Klöppel bei Anne Will zu sehen gewesen. Da hatte ich dann aber doch schon ab- und ausgeschaltet, im Kopf immer noch die Nachmittagsbilder der Chelsea-Spieler beim Feiern ihres von mir aus verdienten Premier-League-Titels. Großes Nationalkino, wie da landesweit bekannte Ehebrecher wie John Terry und Ashley Cole scheinheilig ihre Kinder auf den Londoner Meister-Rasen zerrten, um einen verlogenen Vatertag-Film für die ganze englische Familie zu inszenieren. Dann doch lieber infantile Weißbierduschen im Berliner Olympiastadion und einen von der Sitte in die Mordkommisson versetzten Eidinger mit aufmüpfigen Teenie-Gesten in Guttenbergs Truppe ermitteln sehen: «Ihr / kauft mir / den Schneid / nicht ab» (Guido Westerwelle).
Polizeiruf: Zapfenstreich (Christoph Stark) D 2010