spielfilm

31. Oktober 2013

«Wir lachen falsch» Geschichtspolitik an der Wiege der DDR: ... und wieder 48! (1948) von Gustav von Wangenheim

Von Bert Rebhandl

© DEFA Stiftung

 

«Immer rin in die Weltgeschichte!» Mit diesen forschen Worten führt 1948 ein Mann ein paar Besucher durch den zerstörten Reichstag in Berlin. Die Szene bildet den Auftakt zu einem bemerkenswerten Film, in dem hundert Jahre nach der Revolution von 1848 deren historisches Erbe  in allen möglichen geschichtspolitischen, aber auch medialen Aspekten durchgearbeitet wird: ... und wieder 48! von Gustav von Wangenheim, eine ganz frühe DEFA-Produktion. In Berlin wird ein Film über 1848 gedreht, doch der Regisseur interessiert sich nur dafür, alles von der komischen Seite zu zeigen. Dass er damit die «preußisch-deutsche Legende», also eine bestimmte, autoritäre Lesart der Ereignisse vertritt, ist ihm nicht bewusst.

Die Geschichtsstudentin Else Weber (Inge von Wangenheim), die als Komparsin mitarbeitet, meldet sich zu Wort, und mit dieser kleinen Auseinandersetzung beim Dreh beginnt eine Aufklärungsgeschichte, in deren Verlauf sich auch die Fraktionen an der Humboldt-Universität ein wenig durchmischen: Historiker und Mediziner, Fortschrittliche und Reaktionäre. Der ehemalige Soldat Heinz Althaus (Wilhelm Borchert) spricht am Filmset noch aus der Position des Vorurteils: «Das weiß man», sagt er barsch, als Else Weber ihn auf die Voraussetzungen seines Wissens anspricht. Er macht sich dann aber schlau, das heißt: er geht zu den Quellen, wälzt Akten (zwischen den Lernstunden, in denen er sich das Nervensystem einzuprägen versucht), und findet in den 48er-Studenten Schlössel eine Vorbildfigur.

Die Bewegung des Films ... und wieder 48! durchläuft nicht nur alle möglichen geschichtstheoretischen Positionen, sondern auch verschiedene Inszenierungen von Geschichte: Die Filmaufnahmen bilden den Rahmen (am Ende wird auf der Wartburg gedreht), dazwischen gibt es ein "historisches Cabaret" («Was ist denn das? – Ein deutscher Pass!»), und man arbeitet an einer Ausstellung. Dies alles dient der Überwindung eines Klischess: «Wir lachen falsch». Nebenbei geht es auch um die Überwindung von «billiger Komik» durch «echten Humor». Die eigentlich einfache Geschichte ist mit Topoi der Geschichtsbeziehung so überladen, dass die Pädagogik des Films fast schon wieder komplex wird.

«Gewesen ist das, was ihr wirklich wisst» soll an die Stelle des "ich stelle mir das alles so vor" von Althaus treten. Der Mediziner, dem von seinen weniger sensiblen Kollegen ein "Geschichtsfimmel" bescheinigt wird, zitiert nebenbei einen Professor Jaspers aus Heidelberg («Nur in der einzelnen Persönlichkeit liegt Ursprung und Entscheidung»), und lässt sich von Burckhardts Idee einer «unbegreiflichen» Geschichte nicht irritieren. Else Weber führt ihn an eine gemeinschaftliche Position heran: «Seine Erinnerungen hat man nicht allein», es zählen diejenigen, die «im Volk lebendig» sind. Einer der Fremdenführer nennt ein populäres Kriterium für Wissenschaftlichkeit: Wenn man selber nicht beurteilen kann, ob ein Buch gut ist, wird die Sache zu einer «Vertrauensfrage» – wichtig ist also, wer es einem empfiehlt. So öffnen sich die Kreise der Wissenschaft auf das «einfache Volk», vor dem deren Urteil bestehen muss. Die Trümmerfrauen, die im Schlüterhof des zerstörten Hohenzollernschlosses (nebenbei: historiographisch wertvolle Aufnahmen!) aufräumen und vor denen Althaus den Hut ziegt, stellen schweigsam diese Vertrauensfrage.

Der merkwürdigste Moment des Films ist einer, in dem ein Anachronismus aus einem anderen Bereich auftaucht: Bei einer medizinischen Prüfung beruft Althaus sich auf das «biogenetische Grundgesetz», und reklamiert es für seine Umwege in der Beschäftigung mit Geschichte. Er musste also aus Gründen des Natürlichen das Klischee durchlaufen, um dann doch zu einem wissenschaftlichen Begriff davon zu kommen. Die Ausstellung zum Thema, an der zwischendurch auch gearbeitet wird, vergisst von Wangenheim unterwegs, denn er muss schließlich wieder zu den Dreharbeiten zurückkehren. Dort zeigt sich der Regisseur geläutert, der Schwur der Studenten hat nun nichts Komisches mehr, sondern das Pathos eines geeinten Deutschland.

Der «Gradausmensch» Else Weber sucht am Rande der Dreharbeiten nach dem «Ruckzuckmann» Althaus. Er ist «dort oben», er steht auf einer Zinne, denn «von hier aus kann man alles gut überblicken». Das war 1948, als die Teilung Deutschlands noch keine definitive staatliche Form hatte und der historische Moment von Offenheit geprägt war. ... und wieder 48! gibt davon eine hochinteressante Momentaufnahme.

... und wieder 48! (1948) von Gustav von Wangenheim heute, 31. Oktober 2013, um 20.00 im Zeughauskino