spielfilm

4. April 2015

Zeitreise Filmhinweis für Berlin: Clueless im Zeughauskino

Von Bert Rebhandl

© Paramount Pictures

 

«Ooh! Project!» Ein neues Mädchen in der Klasse, noch dazu ein unbedarftes, das dringend der «Überarbeitung» (make-over) bedarf – das ist oberflächlich besehen die Geschichte von Clueless, mit dem man schon nach 20 Jahren eine großartige Zeitreise in eine Vorgegenwart machen kann, in der Mark Wahlberg noch Marky Mark war. Tai Frasier, «adorably clueless», wird von den wesentlich versierteren Freundinnen Cher und Dionne (beide benannt nach «singers who now do infomercials») in die Geheimnisse eines Lebens eingeführt, wie es eine «ditz with a credit card» führen könnte.

Dabei stellt sich allerdings heraus, dass Cher (Alicia Silverstone) selber keinen Tau hat, denn sie bemerkt erst sehr spät, dass sie ihren Nietzsche lesenden, «complaint rock» hörenden, im Fernsehen immer zu den Nachrichten schaltenden Halbbruder Josh liebt. Der wird von Paul Rudd gespielt. Bei wem wäre eine blonde 16-Jährige, die «hymenally challenged» ist (sprich: Jungfrau), besser aufgehoben?

Die politisch korrekte Sprache der 90er Jahre (ein «fashion victim» ist in dieser komplementären Terminologie also «ensembly challenged») wird in Clueless mit dem respektlosen Slang kombiniert, mit dem Teenager den Ernst ihrer Situation herunterspielen: «babe draught», «granola breath», «way existential». Es gibt viele mögliche Lieblingsszenen, zum Beispiel das Filmdate, zu dem Cher die Preisgabe ihrer Jungfräulichkeit eingeplant hat. Es läuft Spartacus («Sporadicus»), eine Szene mit Tony Curtis, die so grotesk weit von der Lebenswirklichkeit dieser Beverly Hills Crew entfernt ist (Urchristentum! Cinemascope!), dass es eigentlich nicht erstaunen kann, dass sie die homosexuellen Zwischentöne nicht mitkriegt.

Mein Lieblingsdetail in Clueless ist aber eine Rollenbesetzung: Wallace Shawn spielt den Lehrer Mr. Wendell Hall, der auch Objekt einer der Machenschaften der Mädchen wird (es geht darum, ihn «sublimely happy» zu machen, was auch gelingt, dann aber schon nur noch Nebensache ist). 1991 war in einem frühen Lettre seine Erzählung Das Fieber erschienen, ein Text, der mich sehr beschäftigt hat. Dass so jemand in einer Mainstreamkomödie eine gut integrierte Rolle haben kann, der an anderer Stelle ein literarisches Ich in ein solches Reflexionsfieber stürzen ließ, das kriege ich eigentlich erst jetzt so richtig zusammen, wo ich für Clueless schon viel zu alt bin, ihn mir also eigentlich nur noch aus der Position von Mr. Hall anschauen kann. As IF!

Clueless wird am Sonntag um 19.00 im Zeughauskino im Rahmen der Reihe Cinema of Outsiders: Part II gezeigt