3. Oktober 2009
Sense of Place – Brillante Mendoza im Gespräch
Brillante Mendoza ist im internationalen Festivalbetrieb so etwas wie der Regisseur der Stunde. In den letzten eineinhalb Jahren wurden zwei seiner Filme (Serbis, 2008 und Kinatay, 2009) in Cannes und einer in Venedig (Lola, 2009) jeweils für den internationalen Wettbewerb ausgewählt.
Möglich wird dies natürlich zunächst durch eine außergewöhnlich hohe Arbeitsfrequenz: Während europäische und amerikanische auteurs alle drei bis vier Jahre einen Film fertig stellen, hat Mendoza seit seinem Debüt Masahista (2005) bereits neun Langfilme abgedreht, teils am Rande, hauptsächlich komplett außerhalb der kommerziellen philippinischen Filmindustrie.
Masahista, ein Film über männliche Prostituierte in einem Massagesalon, enthält bereits viele Elemente dessen, was den Reiz des Kinos Mendozas ausmacht. Die Hauptrolle übernimmt Coco Martin, der «Indie Prince of Philippine Independent Cinema», dessen eindrückliche physische Präsenz insgesamt fünf Filme des Regisseurs prägt, übernimmt die Hauptrolle. Es gibt viel schwulen Sex, aber auch den Alltag im und vor dem Salon, sowie kurze Vignetten, in denen das wenig erfreuliche Familienleben der Coco-Martin-Figur ausgebreitet wird. Die historischen wie gegenwärtigen Gewaltzusammenhänge, denen sich das Neue Philippinische Kino als Ganzes verschrieben hat, spiegelt Mendoza meist in solchen beschädigten Familienporträts – nur im Skandalfilm Kinatay geht er sie direkt an.
Mendozas Filme verdichten Zeit und Raum. Masahista spielt während des Besuchs eines einzelnen Freiers und verlässt den Salon während dieser Zeit nur selten, Serbis, der internationale Durchbruchfilm, konzentriert sich auf einen Tag in einem heruntergekommenen Provinzkino. Bis auf die allerletzte Szene bleibt der Film in diesem Kino, einem ehemaligen Filmpalast, in dem jetzt straighte Softpornos als Begleitprogramm zu schwulem, käuflichem Sex auf den Publikumsrängen laufen (einmal läuft aber auch eine Ziege vor die Leinwand). Und wenn Serbis diesen Ort in dieser letzten Szene doch verlässt, vernichtet sich der Film à la Two-Lane Blacktop konsequenterweise selbst.
Vor allem bestechen die Filme durch ihren sense of place. Mendoza entwirft keine Handlungs-, sondern Lebensräume. Sein Kino ist nicht von der Narration, sondern vom jeweils porträtierten Ort her gedacht: Vom «Massage»-Salon aus, vom Pornokino aus, oder, wie in Tirador, der 2008 auf der Berlinale zu sehen war, von einigen engen, überfüllten Straßen in den Slums Manilas aus.