produktionskultur

Er war einfach da

Von Thomas Heise

Thomas Heise war 1982 / 1983 in einer frühen Phase an dem Projekt Wundkanal beteiligt. Für cargo erinnert sich der Dokumentarfilmer an seine Zusammenarbeit mit Harlan

Er war einfach da. Er wohnte bei Heiner Müller in Lichtenberg, und dort habe ich ihn kennengelernt. Heiner hat mich an ihn vermittelt. Harlan suchte Mitarbeiter für dieses Filmprojekt. Er hatte ein Zimmer angemietet an der Friedrichstraße, in einem Devisenhotel, da musste man also in Dollars bezahlen. Dieses Zimmer war sein Büro. Das Drehbuch hätte ungefähr einen Achtstundenfilm ergeben, musste also massiv gekürzt werden. Vieles war auch sehr unkonkret geschrieben. Ich bin 82 / 83 von der Filmhochschule geflogen, und dann relativ zügig in diese Sache reingeraten. Vor allem habe ich mich bemüht, praktische Lösungen zu finden.

Dass ein Mann wie Filbert diese Rolle spielen würde, stand am Anfang noch gar nicht zur Debatte. Die erste Besetzung der Figur war Erwin Geschonneck. Er war zusammen mit mir und einem weiteren Schauspieler sowie der Kostümbildnerin die Ostbeteiligung dieses Films, der Rest kam von der Schaubühne usw. Wir haben dann im Herbst 1983 in Ungarn angefangen zu drehen, dann wurde die Produktion dort abgebrochen auf Verlangen der Ungarn, danach war erst Mal Ruhe. Harlan hat gesagt, er werde in Südamerika den Film zu Ende zu bringen. Er sah darin den Vorteil, dass die Leute, wenn sie erst einmal im Wald sind, nicht so schnell wieder weglaufen können.

Nach der Ungarn-Erfahrung wollte ich nicht mehr mit ihm arbeiten, das war nicht so ersprießlich. Es war ja nicht nur so, dass da an dem Film gearbeitet wurde, sondern verlief teilweise eher wie ein Trip. Wir hatten unseren ersten Drehtag in Szeged in der Oper, alles war eingerichtet, die Kamera war da, und dann passierte nichts. Ich habe dann gesagt: Thomas, du musst jetzt sagen: Los! Das war ihm gar nicht so klar. Als es so konkret wurde, da passierte nichts mehr. Er war ein toller Regisseur in der Wirklichkeit, aber nicht im Kino. Seine Bilder sind schon spannend, aber man muss natürlich auch fragen: Was heißen die denn eigentlich?

Und das, was später der Roman Rosa geworden ist, hat er damals schon immer erzählt. Ich habe aber auch viel gelernt von ihm, was zum Beispiel den Zusammenhang von Ginster und Massengräbern angeht. Ginster hält die Leichengase unter der Erde. Da kriegt man einen Blick für bestimmte Dinge, der allerdings auch an die Grenze zur Einbildung stößt.

 

Drehbuch Wundkanal

© Thomas Harlan