comic

METAMAUS Art Spiegelmann

Von Stefanie Diekmann

© Pantheon Books | S. Fischer Verlag

 

Um es gleich zu Beginn zu sagen: 2012 ist ein Spiegelman-Jahr. Im Januar Juryvorsitz und große Retrospektive beim Festival International de la Bande Dessinée in Angoulême; dort außerdem Ausrichtung einer Ausstellung von Meistern der Comic-Kunst aus seiner eigenen Sammlung; im März dann Präsentation der Retrospektive im Centre Pompidou, Paris, im September im Museum Ludwig Köln; ungefähr zum selben Zeitpunkt Verleihung des Siegfried Unseld Preises; und irgendwann dazwischen ist im S. Fischer Verlag die deutsche Übersetzung der Publikation METAMAUS erschienen, die ein Jahr zuvor bei Pantheon Books in New York veröffentlicht worden war.

Als hätte auf einmal die Zeit gedrängt. Oder als hätten sich alle verabredet, ungefähr fünfzwanzig Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes von Maus – A Survivor’s Tale und zwanzig Jahre nach der ersten Auszeichnung (Pulitzer, das Binnennarrativ über die erstmalige Prämierung eines Comics mit einem Preis, der doch eigentlich … ist überall nachzulesen). Indessen: Wenn sie sich verabredet habe sollten, hat das nur bedingt funktioniert, denn die Agenda der Retrospektive, die noch bis Januar unter dem Titel Co-Mix in Köln zu sehen ist, und die von METAMAUS sind nicht wirklich kompatibel. Während Co-Mix daran arbeitet, einen Comic-Zeichner Spiegelman vor, nach und jenseits des Langzeitprojekts Maus vorzustellen (das -Mix des Ausstellungstitels sucht die entsprechende Diversität zu markieren), ist METAMAUS ganz und gar das Buch zum Buch: Rückkehr zu Maus, Materialsammlung, Vor- und Nachbereitungsgeschichte und vor allem ein weiterer Baustein in der Serie von Projekten und Auftritten, in deren Zentrum, unverrückbar, die Publikation von 1986 und 1991 steht.

The Making of A Modern Classic, Maus lautete der Untertitel bei Pantheon Books (vom Fischer Verlag, etwas verschämt, ins Innere des Buches verschoben). Und wenn derselbe Verlag den drei Jahre zuvor erschienenen Spiegelman-Titel Breakdowns: Portrait of the Artist as a Young %@&*! mit der Kurzbeschreibung versehen hat: «The creator of the Pulitzer Prize-winning Maus explores the comics form…and how it formed him!», dann erzählt dies bereits sehr viel über eine Arbeitsbiografie, die seit zwanzig Jahren in immer neuen Anläufen von einem einzigen Werk her und auf ein einziges Werk hin erzählt worden ist, ohne dass ein Ende des Hin und Her abzusehen wäre oder die Produktion Spiegelmans sich jemals aus dem Schatten von Maus bewegt hätte. (In the Shadow of …, der Titel seiner Comic-Serie über die Existenz im Umfeld der zerstörten Zwillingstürme, hat so betrachtet beinahe selbstreferenzielle Qualität; nur dass die zwei Türme nicht mehr existieren, während das zweibändige Maus von Jahr zu Jahr mehr den Charakter eines Monumentalwerks anzunehmen scheint.)

Die Rekurse beginnen früh, bereits Anfang der 90er, mit den Ausstellungen Making Maus im Museum of Modern Art (1991) und The Road to Maus in der New Yorker Galerie St. Etienne (1992), der Veröffentlichung der CD-ROMThe Complete Maus bei Voyager (1994) und den Wanderungen der zweiten Making Of-Ausstellung durch eine Reihe von Museen in Europa, den USAund China (bis 1996). Es folgen vergleichbare Ausstellungsprojekte: La Scrittura di Maus (bis 1997) und die internationale Wanderretrospektive From Maus to Now to MAUS to Now, (1998), an der vor allem die betonte Rekursivität des Titels auffällt. Dieser Titel könnte zugleich als Über- oder Unterschrift einer Nachgeschichte dienen, in der man bei allem Bemühen, ein «anderes» (separates) OEuvre zu etablieren, nie davon abgekommen ist, das eine, große Werk in Erinnerung zu bringen, wo immer es angezeigt schien. In Untertiteln und Verlagsankündigungen, in Rezensionen und Autorenporträts , ebenso wie in den Workshops, Lectures, Podien, zu denen er gerne eingeladen wird, ist Spiegelman der Mann zu Maus geblieben. Und wenn diese Einladungen ihre erschöpfenden Momente haben (die Dummheit und Dreistigkeit, denen er dabei begegnet, sind in METAMAUS in Auszügen kommentiert), steht doch fest, dass Spiegelman stets seinen Teil dazu beigetragen hat, die Dynamik des perpetuierten Erfolges in Gang zu halten, inklusive der Narrative, der Selbst- und Fremdbeschreibungen, der genealogischen Zuordnungen, der wiederkehrenden Fragen und Antworten, die ihn begleiten.

Die Fragen und Antworten vor allem. Es sind stets dieselben, das markiert die Publikation METAMAUS sehr deutlich, seit zwanzig Jahren, «NOCH IMMER», sagt der entnervte Protagonist im Panel auf Seite 8, und er zählt auf: «Warum COMICS?», «Warum MÄUSE?!», «WARUM DER HOLOCAUST!?». Auf Seite 9 beschließt er dann, «endlich möglichst ausführlich» zu antworten, «um bei Fragen in Zukunft vielleicht einfach zu sagen … NIE WIEDER!». Ein Befreiungsschlag also, oder eben ein weiterer Loop in den Fort- und Umschreibungen jener Geschichte, die Maus ist, aber auch autobiografisches Narrativ, Spiegelmans Geschichte als Sohn, Zeichner, Überlebender der eigenen Familie und Transmitter einer Erzählung, die sich in seine eigene transformiert hat, spätestens seitdem er begann, sie aufzuzeichnen und in Panels zu übersetzen. Jetzt, davon erzählen seine Paratexte seit den 90er Jahren, wird er sie nicht mehr los; sie verfolgt ihn (in Gestalt einer Monster-Maus; S. 12) oder versperrt ihm die Sicht (als Monument; S. 151), und ob er sie losgeworden ist, indem er sie ein weiteres Mal als Hypertext, Multimedia-Arrangement und wohlpräpariertes Archiv präsentiert, kann bezweifelt werden.

Auf eine lange, allzu lange Geschichte der FAQs antwortet METAMAUS im Modus der Akkumulation: viel Selbstauskunft im Buch, dazu auf DVDnoch einmal die bekannten Seiten, noch einmal die Auskünfte zu Recherche, Genese, Gestaltung der Bände von 1986 und 1991, außerdem Dokumente, Zeugnisse (Fotos, Audio-Files, das Video der Reise nach Polen 1987), Genealogien in grafischer (Stammbaum) und in Textform; alles durchsetzt mit Panels und Strips, Skizzen, Seiten und Einzelblättern aus Spiegelmans Produktion, das meiste schon einmal publiziert und hier noch einmal nachgedruckt. «Meta-»ist dies alles nicht; «Meta-» ist hier Behauptung und nicht Status quo; wishful thinking, auch das könnte der Fall sein; wenn er lange genug davon erzählt hat, werden sie irgendwann aufhören, ihm Fragen zu stellen.

Art Spiegelman: METAMAUS, S. Fischer 2012