Cougarland Zu Homeland
Am Ende der ersten Staffel waren die Karten auf dem Tisch und Carrie in der Klapse. Die Twists und Turns, das Verbergen, Entdecken, Irreführen und Geraderücken, das die zugleich narrative und allegorische Bewegung der Serie bis dahin ausgemacht hatte: damit schien es nun vorbei. Es kamen die Emmys, großer Erfolg, Starcasts parodieren bei Saturday Night Live die Figuren, Claire Danes’ Cryface wird getumblet und gepinterested, Damian Lewis signierte beim Besuch im Weißen Haus, dessen Bewohner ein großer Homeland-Fan ist, die DVDs, die er als Gastgeschenk mitbrachte, hintersinnig: «Von einem Muslim zum andern.»
Homeland ist das Serien-It-Girl der Saison, gab dem 24-Publikum das gute Gewissen zurück und hat in der zweiten Staffel doch die Probleme, die zu erwarten waren: Die Twists sind noch da, auch die Turns, es wird noch verborgen, entdeckt, irregeführt und geradegerückt – nur sind das nun, da die Figuren in ihren psychologischen und allegorischen Grundsachverhalten dauerhaft etabliert sind, in erster Linie Oberflächenoperationen. Der in der ersten Staffel minutiös aufgefächerten Zentralmetapher vom Feind im eigenen Haus fügen die Wendungen wenig hinzu. Einerseits produziert die Serie auf der Mikroebene durchaus weiter Spannung und gelegentlich gerät eine Episode, etwa die Quasi-Standalone-Folge Nummer sieben, in der Saul (Mandy Patinkin) sich mit tödlichen Folgen verschätzt, sogar zum Bravourstück. (Sicher kein Zufall, dass da ein Meister wie John Dahl Regie geführt hat.)
Andererseits kommt die 24-DNA jetzt allzu oft deutlich zum Vorschein. Nicht politisch, denn da gibt die Serie sich weiter korrekt liberal – aber sehr wohl in den erzählerischen Grobheiten und Verzweiflungstaten. Wo einst Jack Bauers Tochter einen enervierenden Seitenstrang lang AWOL war und dabei berühmterweise dem Cougar begegnete (die Musicalversion «Kim and the Cougar» gibt’s bei Funny or Die), muss Brodys Tochter nun mit ihrem Lover, dem Sohn des Vizepräsidenten, in einen Fahrerflucht-Unfall verwickelt werden, der aus heiterem Himmel einen Nebenplot öffnet, dessen Bezug zur Serie als ganzer sehr angestrengt bleibt.
Die Probe aufs Exempel, ob im Ernst noch was geht, war Episode Nummer Fünf. In einer Verhörsituation findet sich das politisch aufgeladene Psychodrama, das Homeland in letzter Instanz sein will, auf seinen Kern reduziert: Carrie will Brody dazu bringen, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit. Drehbuch Henry Bromell, also kein Geringerer als der, dem wir die brillanten späteren Folgen von Rubicon (siehe cargo 08) verdanken. Gerade diese Episode, in der die Serie alles in die Wagschale wirft, was sie hat, funktioniert überhaupt nicht. Zu eindeutig ist es, dass Carries Verhörtechniken und ihr ohnehin nicht immer ganz nachvollziehbares Brodybegehren im Dienst einer Plot-Gelenkstellen-Notwendigkeit stehen. Plotmechanik beats aus der Figur herausentwickelte Logik: 24 reloaded, also genau das, was die Welt nicht gebraucht hat. Wobei erschwerend hinzukommt, dass weder das häusliche Drama noch die äußere Action in Homeland die inneren Defizite so recht kompensieren.
Die erste Staffel von Homeland ist auf DVD und Blu-ray erhältlich (RC–2, via UK-Import). Die letzte Episode der zweiten Staffel wird am 16. Dezember 2012 ausgestrahlt; eine wiederum 12 Folgen umfassende dritte Staffel ist bereits in Auftrag gegeben