produktionskultur

Nichtlineare Dynamiken Über die Blockbuster-Ökonomie in Zeiten der Kreditklemme

Von Thomas Morsch

In Hollywood machte kürzlich wieder einmal eine Formel für den perfekten Film die Runde. Die auf «experience – knowledge – predicition» spezialisierte englische Firma Epagogix versprach den Managern des Filmgeschäfts einen effizienteren Kapitaleinsatz durch die computergestützte Berechnung der Erfolgsaussichten eines Drehbuchs. Frei nach der aristotelischen Methode der Epagoge (einem Schluss vom Besonderen auf Allgemeines) möchte das Unternehmen aus der Zusammenschau von Parametern einer Vielzahl ausgewerteter Erfolgsproduktionen wichtige Aufschlüsse gewinnen und so die Planbarkeit von Hits garantieren. Angesichts der Komplexität der Interaktion vielfältiger Faktoren, denen der Erfolg eines Films an der Kinokasse zugeschrieben werden muss, steht die prognostische Kraft derartiger Modellierungen allerdings mehr als in Frage.

Schon aufgrund ihres Investitionsvolumens sind Blockbuster stark risikobehaftete Formen der Filmproduktion. Die mangelnde Investitionsbereitschaft und eine dünner werdende Kapitaldecke stellen die ökonomische Rationalität aufwändiger Großprojekte zusätzlich in Frage. Doch auch wenn die Majors firmenintern versuchen, das Risikogeschäft der Großproduktionen durch Geschäftsbereiche mit berechenbaren Unkosten und mäßigen, aber soliden Gewinnaussichten auszubalancieren (wie z. B. kostengünstige Genrefilme und der Vertrieb unabhängig produzierter Filme), bleibt der Blockbuster als ihr «Spitzenprodukt» ein für die Filmindustrie unverzichtbarer Motor. Schließlich sind es nur 20 % der jährlich produzierten Filme, die 80 % der Einnahmen an der Kinokasse erzielen, und die erfolgreichsten 5% aller Filme generieren knapp 80 % der Studioprofite. Zudem werden in den Lizenzvergaben an Fernsehsender Filme oft zu Paketen zusammengeschnürt, wodurch der eine Blockbuster, für den jeder Sender den Zuschlag ­erhalten möchte, den Wert anderer Filme des entsprechenden Studios ebenfalls erhöht.

Unkalkulierbare Folgen

Das mit Großprojekten verbundene Investitionsrisiko wäre sicher leichter zu tragen, wenn sich die Erfolgsaussichten eines Films vorhersagen ließen. Doch jeder Film ist ein Einzelfall, bei dem eine Vielzahl von Faktoren über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Das Filmgeschäft ist davon geprägt, wie der Wirtschaftswissenschaftler Arthur de Vany resümiert, dass der Ertragswert der meisten Produkte hinter dem Erwartungswert zurückbleibt, der nur von wenigen Filmen erreicht, dann aber sogar oftmals bei weitem übertroffen oder gar komplett gesprengt wird. In der Filmwirtschaft regiert keine Gaußsche Normalverteilung (die bekannte Glockenkurve), nach der der Großteil der produzierten Filme sich hinsichtlich der Gewinnerwartung ähnlich wäre. In dieser Welt würden die meisten Filme einem stabilen Durchschnitt entsprechen und Flops oder Hits würden nie um mehr als das vier bis fünffache vom Durchschnittswert der Erträge abweichen. Tatsächlich haben wir es aber mit einer nichtlinearen Dynamik zu tun, in der minimale Faktoren auf unvorhersehbare Weise interagieren und unkalkulierbare Folgen haben. Dadurch ist das Filmgeschäft von einer starken Polarisierung zwischen hohen Gewinnen und langlebigen Produkten auf der einen und einem kurzen Produktleben und hohen Verlusten auf der anderen Seite geprägt.

Die durch Besucherzahlen an das Studio zurück gespielten Informationen über die Präferenzen der Zuschauer sind zu unspezifisch, als dass man auf ihrer Grundlage Planungssicherheit für zukünftige Projekte erzielen könnte, und sie kommen immer schon zu spät, denn der im Kino gestartete Film lässt sich nicht mehr ändern. Jeder weitere Film ist zugleich ein neuer Film – mit einer anderen Story und anderen Stars, der zu einem anderen Zeitpunkt ins Kino kommt und gegen eine andere Konkurrenz antritt. Daher lässt sich im Filmgeschäft überraschend wenig aus bisherigen Erfahrungen für zukünftige Projekte lernen. Angesichts einer nichtlinearen Dynamik kann die minimale Veränderung einzelner Variablen unproportional weitreichende Auswirkungen besitzen. Durchschnittswerte der Vergangenheit lassen keine gesicherten Annahmen über künftige Erträge zu. Erfahrungen besitzen keinen – zumindest mathematisch nachweisbaren – ­prognostischen Wert für die Zukunft. Die Wahrscheinlichkeiten von gestern sind andere als die von morgen. Aller Formelhaftigkeit, Serialität und Fordismus-Semantik zum Trotz, investiert die Filmindustrie stets in ein einmaliges Produkt. Ein Erfolgsfilm stellt kein absolut unwahrscheinliches, aber ein unvorhersehbares Ereignis dar; und die mögliche Fehlerspanne von Gewinnprognosen bezüglich eines Films ist, so de Vany, keine Standardabweichung von einer Norm, sondern potenziell unendlich.

Das Blockbuster-Prinzip

Der Blockbuster als ästhetische und ökonomische Strategie der Filmstudios kann auf Jaws (1975) und Star Wars (1977) zurückgeführt werden. Den endgültigen Durchbruch dieser Produktionsweise markiert der sogenannten Blockbuster-Sommer von 1989, als Sequels der Indiana Jones-, Lethal Weapon-, Back to the Future- und Ghostbusters-Reihen die Kinokassen dominierten. Die Schlüsselparameter des Modells werden in diesem Zeitraum definiert: hohe Produktionsbudgets, das high concept-Prinzip (der Film beruht auf einer leicht zu kommunizierenden Prämisse), ein durch eine massive Werbekampagne begleiteter landesweiter Kinostart auf mehreren tausend Leinwänden, die Fixierung auf die Ergebnisse des Startwochenendes als Barometer des Erfolgs, die saisonale Fokussierung auf den Sommer, Spring Break und das Weihnachtsgeschäft, die Serialisierung der geschaffenen Marke und ein ausgedehntes Merchandising, das den Film als Quelle von Lizenzierungen für eine Vielzahl von Entertainment-Produkten reinterpretiert. Das Blockbuster-Prinzip hat die ökonomische Dominanz der sechs großen Medienkonglomerate, deren Strategie auf synergetische Effekte zwischen Film, Fernsehen, Heimkino und anderen Segmenten der Unterhaltungsindustrie setzt, nachhaltig gestärkt: Bis zum Jahr 2005 hatten die Majors ihre weltweiten Einnahmen gegenüber Mitte der 80er Jahre nahezu vervierfacht. In diesem Jahr haben die fünf erfolgreichsten Filme der Studios in den amerikanischen Kinos mehr eingespielt als alle 345 unabhängigen Produktionen zusammengenommen und beherrschten dadurch auch die nachgeordneten Märkte.

Die aufgrund des intensiven Marketings und des blockbustertypischen Massenstarts (Harry Potter and the Sorcerer’s Stone startete 2001 mit entsprechender Kopienzahl in 3672 Kinos und auf 8000 Leinwänden gleichzeitig) überaus kostspielige Kinoauswertung kann an den Kinokassen selbst kaum noch amortisiert werden. Viele Filme stellen nach der Kinoauswertung noch ein Verlustgeschäft dar und schreiben erst durch die Auswertung auf DVD und im Fernsehen, woraus mittlerweile 85 % der Studioeinnahmen stammen, schwarze Zahlen. Das Kinogeschäft steht am Anfang, aber nicht an der Spitze einer multimedialen Verwertungskette. Die Lizenzierung von Computer- und Videospielen, Soundtrack-Alben, Büchern, Actionfiguren, Comics und Modellbausätzen sowie die Überführung der Filme in Themenparks sind weitere Einnahmequellen, die dem Kinogeschäft folgen können. So lässt sich die Kinoauswertung aus Sicht der Studios als Werbeveranstaltung für nachgeordnete Märkte verstehen, in denen das eigentliche Geld verdient wird. Deregulierungsmaßnahmen und die Lockerung der Anti-Trust-Gesetzgebung haben seit Mitte der 80er Jahre einen neuen Grad vertikaler Integration in der Unterhaltungsindustrie ermöglicht. Die Filmproduktionsfirmen sind in internationale Medienkonglomerate eingebunden, wodurch die Verwertungskette zumeist über die diversifizierten Geschäftsbereiche eines einzigen Konzerns organisiert werden kann. Der hinter der Finanzierung eines Films stehende Großkonzern bleibt dadurch an allen Punkten der Wertschöpfung beteiligt. Vor allem dem Disney-Konzern ist die Etablierung dieses Modells zuzuschreiben.

Auch in Zeiten der Finanzkrise und trotz unkalkulierbarer Risiken bewegen sich die Zahlen der Blockbuster-Produktionen in gewohnten Höhenregionen: The Dark Knight (2008) spielte bei einem Budget von rund 185 Millionen weltweit eine knappe Milliarde Dollar ein. Steven Spielbergs Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull (2008) hat bei gleichem Produktionsbudget allein in den USA mehr als 300 Millionen eingespielt. Und doch hat es mitunter den Anschein, als würden sich abseits der Großproduktionen die eigentlichen Blockbuster finden lassen. Aus cinephiler Sicht wahrscheinlich wenig erfreulich ist die Nachricht, dass der mit nur 25 Millionen Dollar budgetierte Paul Blart: Mall Cop bereits am Tag des Kinostarts seine Produktionskosten eingespielt und allein in den USA Einnahmen von mehr als 145 Millionen zu verzeichnen hat. Die zwei Teile der Hostel-Reihe (2005 und 2007) haben zusammen nur rund 15 Millionen Dollar gekostet und weltweit allein an den Kinokassen 115 Millionen verdient. Diese sich an ein treues Genrepublikum wendende Ware wird in Sachen Rentabilität nur übertroffen von noch deutlicher zielgruppenorientierten Teenie-Filmen wie dem High School Musical, dessen dritter, nun erstmals nicht fürs Fernsehen, sondern für die Leinwand produzierter Teil Senior Year (2008) weltweit 240 Millionen Dollar an den Kinokassen machte, oder der sich an ein drei bis vier Jahre älteres Publikum richtende Twilight (2008), der es bisher auf 350 Millionen gebracht hat. Auch ein auf Super 16 gedrehter Low-Budget-Autorenfilm wie Bigelows The Hurt Locker (dessen Budget mit 11 Millionen Dollar noch weit unter den durchschnittlichen Kosten billig produzierter Horror- oder Teenie-Ware liegt), der sich dennoch als Actionfilm vermarkten lässt, kann kurzfristig die Lücken füllen, die aus finanzieller Vorsicht zurück gestellte Großprojekte im Verleihkalender hinterlassen; doch auf Dauer stellen lässt sich diese Strategie der Selbstbescheidung nicht.

International und lokal

Die Infrastruktur der großen Major-Studios und des amerikanischen Kinobetriebs lässt sich dauerhaft allein durch Produktionen auf Blockbuster-Niveau finanzieren. Die Beschränkung auf weniger investitionsintensive Projekte stellt eine nicht nur unpraktikable, sondern wachstumsfeindliche Taktik dar, durch die Dividenden und Aktienwerte in Gefahr geraten. Sie bleibt kleineren Firmen oder spezialisierten Unterfirmen der großen Studios vorbehalten. Den Risiken des Blockbustergeschäfts kann nicht aus dem Weg gegangen werden, sie können nur durch konzertierte Produktionsstrategien abgefedert und durch Internationalisierung gestreut werden. Sind Blockbuster aufgrund ihres Investitionsvolumens generell nur als Waren denkbar, die weltweit exportiert werden können, so steht dem ein komplementärer Trend zur «Lokalisierung» gegenüber, dem Versuch, lokale Zuschauerschaften durch auf sie abgestimmte Strategien an sich zu binden und lokale Märkte zu erschließen. Zum einen streuen die Majors ihre geschäftlichen Interessen, indem sie in regionale Filmmärkte investieren und auswärtige Filmproduktionen an ihre Distributionszweige binden – eine solche Vereinbarung ist jüngst zwischen der Ufa in Babelsberg und NBC Universal getroffen worden. Zudem ist man immer auf der Suche nach Partnerschaften, die das eigene Investitionsvolumen angesichts von 200 Millionen Dollar-Produktionen reduzieren. Transnationale Produktionsweisen sind eine Möglichkeit, Risiken zu verteilen, mindern im Falle eines Hits aber auch die eigenen Gewinne. Eine andere Strategie der Regionalisierung lässt sich am Beispiel von The Pink Panther 2 (2009) beobachten, der dem unlustigen Steve Martin die auch nicht durchweg komödientauglich anmutende, aber sich forciert international gebende Darstellerriege von Jean Reno, Andy Garcia, Alfred Molina, Aishwarya Rai, Yuki Matsuzaki, John Cleese und Jeremy Irons zur Seite stellt, die die Zuschauer dort abholt, wo sie sich geografisch und ethnisch gerade befinden. The International (2008) wiederum hastet ebenso wie James Bond in touristischer Ekstase über den Globus und schafft mehr geographische Schauwerte und lokale Wiedererkennungseffekte als ein Baedeker.

Allerdings gilt für all diese Maßnahmen zur Risikominimierung das Gesetz der vorhersehbaren Unvorhersehbarkeit: Was sich in dem einen Fall als Strategie bewährt hat, kann angesichts des nächsten Films bereits zum Scheitern verurteilt sein.

Keineswegs rezessionsresistent

Die gegenwärtige Finanzkrise hat das notorisch unkalkulierbare Filmgeschäft nicht einfacher gemacht. Die Planungszyklen Hollywoods sind größtenteils aber zu langfristig angelegt, als dass sich in den Geschäftsbilanzen des vergangenen Jahres oder in den aktuellen Zahlen Auswirkungen der Krise bereits ablesen ließen. So ist auch die Einschätzung darüber, in wie weit Hollywood betroffen sein wird, ebenso vorläufig wie die gegenwärtigen Versuche der Studios, die Produktionsstrategien den noch unübersichtlichen ökonomischen Realitäten anzupassen. Wie die neue Welt der Wirtschaft aussieht, mit der man sich auch in Hollywood zu arrangieren hat, wird sich die Filmbranche womöglich demnächst von Oliver Stone erklären lassen können. Es kann kaum Zufall sein, dass das schon seit zwei Jahren schwelende Gerücht eines zweiten Teils von Stones Wall Street (1987), seiner Analyse des rückblickend eher rührend harmlos erscheinenden Raubtier-Kapitalismus der 80er Jahre, gerade zum jetzigen Zeitpunkt wieder Aufwind bekommt. Mit den Augen des frisch aus dem Gefängnis entlassenen Gordon «greed is good» Gekko (Michael Douglas) wird man dann einen stutzenden Blick auf die veränderten Bedingungen der Finanzwelt werfen ­können.

In Zeiten der Rezession ging es dem Unterhaltungsgeschäft oftmals gut, und Hollywood hat den Krisen der Weltwirtschaft stets trotzen können. Doch die Verflechtungen mit der Finanzwirtschaft sind mittlerweile derart eng, dass die Unterhaltungsindustrie sehr viel sensibler auf makroökonomische Entwicklungen reagiert und anfälliger gegenüber wirtschaftlichen Krisen geworden ist. Rezessionsresistent, wie mancher behauptet, der schlechte Zeiten mit einem wachsenden Bedarf an Unterhaltung gleich setzt (und damit historisch auch keineswegs völlig falsch liegt), ist die Filmbranche schon lange nicht mehr.

Wie auch in anderen wirtschaftlichen Bereichen hängt die Ratio geschäftlicher Strategien in Hollywood derzeit davon ab, welches Szenario man mittelfristig für wahrscheinlich hält. Die Studios, die ihr operationales Geschäft derzeit mit zu viel geliehenem Geld betreiben, dürften sich angesichts der Knappheit liquiden Kapitals und deflationärer Tendenzen, durch die sich Schulden stetig verteuern, Sorgen machen. Beide Symptome lassen sich in moderater Form im Filmgeschäft bereits diagnostizieren.

Konnte Hollywood jahrelang auf einen starken Zustrom von Kapital aus Investmentfonds und privaten Beteiligungsfirmen bauen (in der Größenordnung von zuletzt rund 13 Milliarden Dollar über vier Jahre), so ist diese Quelle nun zu einem Zeitpunkt versiegt, zu dem auch das Kapital der Banken knapp wird. Eine Reihe von Finanzierungsdeals zwischen Bankenkonsortien und Hollywoodstudios sind demgemäß auch gescheitert. Zuletzt hatte die Deutsche Bank sich neun Monate lang darum bemüht, ein Finanzierungspaket in der Größenordnung von 450 Millionen Dollar für Paramount zu schnüren, wodurch rund 30 Filme zu jeweils 25 % hätten finanziert werden sollen. Doch es ist der Deutschen Bank nicht gelungen, die Summe zu Konditionen aufzubringen, die für Paramount akzeptabel gewesen wären. Im Sommer 2008 platzte der Deal und die Deutsche Bank hat in Folge ihre mit Filmfinanzierungen betraute Abteilung ganz geschlossen, ebenso wie die im Filmgeschäft zuvor sehr engagierte ­Société Générale.

Hinzu kommt, dass einige der bestehenden Finanzierungsdeals derzeit Gegenstand juristischer Auseinandersetzung sind, dass sich Investoren aus solchen Finanzierungsvereinbarungen zurückziehen (wie jüngst die von Goldman Sachs angeführte Firma Pride Pictures aus der Partnerschaft mit Lions­gate), und dass eine Reihe von Investmentfirmen versuchen, ihre Beteiligungen am Filmgeschäft mit Nachlässen in der Größenordnung von 30-70 % zu veräußern. Die gute Nachricht ist, dass sie (noch) Käufer finden. Im Unterhaltungsgeschäft erfahrene Investoren mit langfristig ausgelegten Gewinnabsichten sind, angesichts der zur Zeit moderaten Preise für derartige Beteiligungen, durchaus gewillt einzuspringen. Nichtsdestotrotz sind die Filmfirmen aufgrund versiegender Geldquellen mehr und mehr dazu gezwungen, die Finanzierung von Filmen selbst zu stemmen (ein Prinzip, das die Pornofilmindustrie derzeit erfolgreich gegenüber der Finanzkrise immunisiert) oder sich für jeden Film einzeln Geldgeber ins Boot zu holen. Dass dadurch der Einfluss von Investoren auf die einzelne Filmproduktion wächst, macht dies zu einer nicht gerade viel versprechenden Aussicht.

Fehlentscheidungen

Für die Filmstudios liegt der Versuch der Kostenreduktion nahe, doch die bisher in diese Richtung vollzogenen Schritte entpuppen sich überwiegend als Fehlentscheidungen. Beispiel Time Warner: Die Schließung der zu Warner Bros. gehörenden Produktionsfirma New Line darf als voreilige Panikreaktion gewertet werden, war die Firma doch für drei der fünf erfolgreichsten unter dem Warner-Dach vertriebenen Filme im Jahr 2008 verantwortlich (Sex and the City, Four Christmases und Journey to the Center of the Earth). Das Label wird zwar weiter bestehen, aber nicht mehr als eigenständige Firma operieren. Auch die von New Line und HBO als Joint Venture geführte Produktionsfirma Picturehouse, die auf Arthouse-Produktionen spezialisiert war, wurde nicht mit Warners ähnlich ausgerichteter Firma Warner Independent Pictures fusioniert, sondern ebenso wie diese geschlossen. Allein dieser Schritt hat sich bereits als kostspieliger Fehltritt erwiesen. Den Entscheidungsträgern von Warner Bros. fehlte der Blick für das kommerzielle Potenzial der ihnen mit der Schließung des Independent-Zweigs der Firma zugefallenen Filme. Sie suchten händeringend nach Käufern, um Warners überfülltes Portfolio ausstehender Filmstarts zu reduzieren. Einer der Filme war schon als Direct-to-DVD-Release projektiert, als Fox Searchlight Pictures (der Independent-Arm von 20th Century Fox) Warner die Hälfte der Anteile an dem Film abkaufte und dafür die Vertriebsrechte in den USA und anderen wichtigen Märkten erhielt. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Die ästhetisch sicherlich überschätzte, aber ökonomisch uneinholbare 15-Millionen-Dollar-Produktion Slumdog Millionaire von Danny Boyle trat einen weltweiten Siegeszug an, der bereits vor der DVD-Auswertung zielsicher auf die 350- Millionen-Dollar-Marke zuführt.

Als eine vernünftigere Strategie der Kostenreduktion erscheint die vorsichtige Absenkung der Produktionszahlen, die 2006 mit 607 in Hollywood produzierten Filmen ihren Höchststand erreicht hatten. Haben die sechs Majors 2007 123 Filme auf den Markt gebracht, so waren es 2008 noch 108. Paramount und Sony haben ihre Produktion bereits von jährlich 25 bzw. 29 Titeln auf 20 reduziert und CEO Robert Iger hat Gleiches für Disney angekündigt. Diese Entschlackung hilft zu vermeiden, dass die Starttermine von Filmen mit ähnlichem Kernpublikum zu dicht beieinander liegen und sich gegenseitig die Zuschauer abgraben. Weniger Konkurrenz zu einem gegebenen Termin erlaubt es zudem, Marketingkosten (die einschließlich der Kosten für die Filmkopien im Jahr 2007 bei durchschnittlich 36 Millionen Dollar pro Film lagen) einzusparen. Sinkende Marketingkosten, zu denen auch die rezessionsbedingt nachgebenden Preise für Werbezeiten im Fernsehen beigetragen haben, das Einfrieren der jahrelang im desaströsen Aufwärtstrend befindlichen Produktionskosten und die leicht gestiegenen Einnahmen an der Kinokasse (die sich überwiegend erhöhten Eintrittspreisen verdanken) wirken sich derzeit positiv auf die Bilanzen aus. Die angestrebte, allerdings umstrittene Umstellung der Distribution von Filmkopien auf digitale Speicherformate dürfte eine weitere Kostensenkung ermöglichen.

Deflation oder Inflation?

Hält man jedoch, und das wäre das zweite derzeit diskutierte Szenario, die gegenwärtige Deflation nur für das erste Anzeichen einer galoppierenden Inflation, in die die USA geraten, so würden dadurch nicht nur die Schulden von Tag zu Tag schrumpfen, sondern gerade in aufwändigen Großproduktionen läge, ganz nach dem Vorbild der deutschen Ufa Anfang der zwanziger Jahre, eine nahe liegende (bei Eindämmung der Inflation jedoch auch sehr gefährliche) Gegenstrategie.

Als krisenresistent wird sich aller Voraussicht nach das virtuelle Kapital der Filmfirmen erweisen: die Rechte an ihren umfangreichen Filmbeständen, deren Wert durch die Erschließung neuer Märkte in China, Indien und Russland weiter steigt. Einstweilen wird die Kreditkrise vor allem kleinere, unabhängige Produktionsfirmen treffen, die für jedes Projekt Geld aufbringen müssen, ohne auf einen beständigen Fluss von Einnahmen bauen oder die Last der Vorfinanzierung auf die vielen Geschäftsbereiche eines Medienkonglomerats verteilen zu können. Die Finanzierungsstrategien der Independents sind stark von den ­Presales, den Vorabverkäufen der internationalen Verleih- und Fernsehrechte abhängig; doch angesichts mangelnder Liquidität bei vielen Verleihfirmen und vorsichtig agierender Fernsehanstalten, deren Werbeeinnahmen aufgrund der Wirtschaftskrise wegbrechen, ist es immer schwieriger geworden, auf diesem Weg ausreichend Kapital aufzubringen. Der Überraschungserfolg einer unabhängigen Produktion wie Slumdog Millionaire und die sich an seine Fersen heftenden Gewinnträume mögen helfen, diesen Knoten zu lockern, zerschlagen werden sie ihn nicht. Soviel ist selbst im infiniten Ereignisraum des Filmgeschäfts gewiss. 

 

Literatur

Bill Daniels, David Leedy, Steven D. Sills: Movie Money: Understanding Hollywood’s (Creative) Accounting Practices, Silman-James Press 2006 | Arthur de Vany: Hollywod Economics. How Extreme Uncertainty Shapes the Film Industry, Routledge 2004 | Paul McDonald, Janet Wasko (Hg.): The Contemporary Hollywood Film Industry, Blackwell Publishing 2008 | Kristin Thompson: The Frodo Franchise. The Lord of the Rings and Modern Hollywood, University of California Press 2008 | Harold L. Vogel: Entertainment Industry Economics: A Guide for Financial Analysis, Cambridge University Press 2007