Handpolitik
Das Jahr 2017 steht bisher eindeutig im Zeichen der sichtbaren Hand. Politik ist kompliziert, Diplomatie macht sie nicht einfacher, die Wirtschaft mag mit unsichtbarer Hand für das Beste der Allgemeinheit sorgen oder nicht; am Ende läuft es zwischen Machthabern unterschiedlichster Provenienz darauf hinaus, ob sie einander die Hand reichen können. Und wenn sie es tun, dann enthält die Geste immer noch eine Menge möglicher Nuancen. Dass Präsident Trump sich im Weißen Haus weigerte, Bundeskanzlerin Merkel vor versammelter Presse die Hand zu schütteln, mag mit dem vagen Verdacht zu tun gehabt haben, er könnte sich damit auf das Feld einer schwer kontrollierbaren Foto Opportunity begeben. Vermutlich wollte der angeblich Schwerhörende einfach den Ausgleich vermeiden, der mit einem Handschlag symbolisch in die Welt gebracht wird – die Herstellung einer gemeinsamen Ebene mit der Regierungschefin eines Landes, das irgendwie «böse» oder «schlecht» ist («bad» wird als politische Vokabel zu Recht selten gebraucht, Trump aber liebt sie ganz besonders). Die Gelegenheit zur Revanche kam schon wenige Wochen später in Europa, und es passt zu der symbolischen Kraft, die von Emmanuel Macron ausgeht, dass er gleichsam ritterlich auf den Affront aus Amerika reagieren konnte, indem er Merkel in einem Augenblick die Hand reichte, in der Trump auch schon zum Einschlagen bereit schien. Macron grüßte sich erst gelassen durch einige andere Europäer durch, bevor er Trumps wartende Hand zum ersten Mal bei diesem Treffen in die Mangel nahm (Macrons zweite Hand hier väterlich dominierend auf Trumps Unterarm gelegt; später, bei einer wiederum presseöffentlichen Sitzbegrüßung, dann durch einen Händedruck, der an einen Würgegriff erinnerte). Dass Macron später einräumte, sich vorab einen Plan für seine performative Handpolitik zurechtgelegt zu haben («nicht ohne Hintergedanke»), könnte man als weiteren Beleg für den Absurditätsgrad nehmen, auf den Trump seine Präsidentschaft einzupegeln scheint. Und wir sollen (müssen) jetzt also allen Ernstes wieder Händel aus Händen lesen, wie in Zeiten vormoderner Symbolpolitik. Hinzukommt, dass man in diesem Zusammenhang unweigerlich daran denken muss, dass die Hand in Trumps Fall, wie ein berühmtes Audiodokument aus dem US-Wahlkampf belegt, einem übergriffigen Träger gehört. Dass selbst die Ehefrau des notorischen Grapschers auf der ersten gemeinsamen amtlichen Weltreise in ein «Handgate» verwickelt wurde (weil sie die Hand des Gatten vor aller Augen doch recht giftig zurückschlug), passt ins Bild dieser Soap im GIF-Format, die leider keine ist, sondern Teil unserer gegenwärtigen politischen Realität. Von Vladimir Putin weiß man wiederum, dass er eigens ins Fitnessstudio geht, seit er mehrfach mit den berüchtigten Händen von Silvio Berlusconi konfrontiert war. In Italien sprach man in den 1990ern von «mani pulite bei dem Versuch, umfangreiche Netzwerke von Korruption in der Politik offenzulegen und die entsprechenden Straftaten juristisch zu verfolgen. Inzwischen müsste eine Aktion «saubere Hände» wohl globale Ausmaße annehmen.