comic

La Présidente François Durpaire & Farid Boudjellal

Von Stefanie Diekmann

© Les Arènes | Illustrated édition

 

La Présidente, dieser etwas merkwürdige Comic-Bestseller von 2015, ist nicht nur ein narratives, sondern auch ein apotropäisches Projekt. Die Dystopie beginnt auf dem Cover: Marine, la mère Le Pen, in Frontalansicht, die Ellbogen auf die Platte eines präsidialen Schreibtisches gestützt, dahinter eine ebenfalls präsidiale Stutzuhr, links angeschnitten die französische Flagge und am oberen Rand des Bildes die Enden eines Kronleuchters. Band 2, La Présidente: Totalitaire, zeigt auf dem Cover Le Pens Silhouette vor einem Fenster des Élysée-Palasts und das von Band 3, La Vague, wieder eine Frontalansicht, auf der Le Pen diesmal von Putin und Trump flankiert wird.

Die wesentliche Frage: ob man sich diese Fresse wirklich fünf Jahre lang ansehen möchte, ist also mit dem Blick auf das Cover geklärt. Die Frage, was neben der Fresse noch so auf das französische Wahlvolk zukommen könnte, versucht der Comic auf den folgenden Seiten zu illustrieren und operiert dabei mit Zwischentiteln, die immer wieder an einen Dokumentarfilm von etwas schlichterem Zuschnitt erinnern, zum Beispiel: «Die ersten Maßnahmen», «Die ersten Ergebnisse», «Risse» etc. Es wird hässlich, das ist der implizite Vertrag, den François Durpaire und Farid Boudjellal mit den LeserInnen ihrer prospektiven Polit-Pistole eingehen. Und für alle, die darüber im Zweifel sein könnten, gibt es auf dem Cover noch den roten Aufkleber: «Sie werden nicht sagen können, Sie hätten es nicht gewusst.»

Die apotropäische Hoffnung: dieses Gesicht dieser Kandidatin wieder los werden zu können, teilt La Présidente mit zahlreichen Publikationen aus dem Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahl. Tatsächlich ist die Häufigkeit und Dichte, mit der die Züge Le Pens gerade dort reproduziert wurden, wo man sie durchaus nicht sehen wollte, ein Phänomen der begleitenden Text-und Bildproduktion. Die Wahl ging dann nicht anders aus als prognostiziert und von den Mitgliedern des FN selbst antizipiert, was nichts daran ändert, dass das Unbehagen bis zum 7. Mai 2017 sehr ausgeprägt war und der Bedarf nach Selbstverständigung unter den Wählern sehr hoch. Die Verkaufszahlen von La Présidente, die mit 150 000 bis 200 000 für Band 1 auch im comicaffinen Frankreich als exzeptionell bezeichnet werden können, lassen sich dadurch ein Stück weit erklären, zumal die dystopische Erzählung über das Ende der 5. Republik ihr Momentum immer wieder verliert.

«Der 8. Staatschef der 5. Republik ist eine Präsidentin.» Das ist der Anfang vom Ende, für die Autoren ebenso wie für ihre vier zentralen Figuren, alles gute Linke, die als Quartett zudem eine gewisse Diversität von Alter, Status und ethnischer Zugehörigkeit repräsentieren. Bevor aber das Ende wirklich anfängt und nach relativ konventionellen Mustern entwickelt wird, setzt sich der Anfang noch etwas fort und bleibt über siebzig Seiten der interessanteste Teil der Trilogie. Auf die Wahl folgen die Stellungnahmen, auf die Stellungnahmen die Wahlrede, die Machtübergabe, die Kabinettsbildung, die Verhandlung über Posten und Kooperationen, bis zu den Parlamentswahlen im Juni, in denen die Mehrheitsverhältnisse endgültig zugunsten des FN entschieden werden.

La Présidente erzählt diese Zwischenzeit als eine Geschichte der Köpfe, genauer: der Facies. Die greise Hauptfigur sieht viel fern, daher sieht man auch die Gesichter von Talkmastern, Anchorwomen, Reportern. Vor allem aber handelt es sich um die von Politikern: real existierend und äußerst realistisch gezeichnet, la mère Le Pen immer im Fokus, aber auch der Stab ihrer Berater, in dem Florian Philippot, David Rachline etc. sitzen, und nach dem Stab ihr Kabinett, dem in diesem Comic neben den alten Herren des Front National so notorische Figuren wie Nadine Morano, Geoffreoy Didier und weitere Mitglieder der Republikaner angehören.

Das Defilée der Gesichter und, damit verbunden, der Ambitionen, Intrigen, Manöver, Allianzen, ist verstörend. Danach kommt es, wie es eben kommen muss, wenn es schlimm kommen soll und ein Parteiprogramm das Material für polizeiliche Übergriffe und Verhaftungen, für eine Welle von Deportationen und ein Programm der allgemeinen Überwachung liefert. Das geht noch einmal sechzig Seiten; dann beginnt die Zeit der Aufstände, der Toten und politischen Entführungen, dann folgt der Auftritt der Nazis, die in einer französischen Dystopie nicht fehlen können und bereits seit einer Weile im Keller des Élysée-Palasts auf ihren Einsatz gewartet haben.

Der Verkauf von Band 2, Totalitaire, ist lange nicht so spektakulär gewesen, obwohl die Nazis dort gleich zu Beginn mit dabei sind. Band 3, La Vague mit Le Pen, Putin, Trump, lief wieder deutlich besser, denn in Frankreich können die Nazis nicht bleiben, auch diesmal nicht, selbst wenn sie französische Pässe haben und darauf ihren Regierungsanspruch gründen. «Science-fiction civique» (so hat der Verlag es genannt) verkauft sich, solange irgendwann alles wieder gut wird, das gilt in diesem Comic nicht anders als im Blockbuster. Und dass «gut» am Ende manchmal «Macron» heißt, haben die Autoren Durpaire und Boudjellal von Anfang an gewusst.