So Fast, So Long Zu zwei Komödien von Allan Dwan und John Ford
«How could anything so fast take so long», beziehungsweise «I still don’t see how anything so fast could’ve been so slow»: Das sind die beiden Variationen der Dialogzeile, in der sich zwei amerikanische Komödien der Nachkriegszeit berühren. Die erste stammt aus Allan Dwans Rendezvous with Annie aus dem Jahr 1946, die zweite aus John Fords When Willie Comes Marching Home aus dem Jahr 1950. Geschrieben wurden beide Sätze von Mary Loos (Anitas Nichte) und Richard Sale, einem Autorenteam, das zwischen 1946 und 1956 für eine ganze Reihe heute fast komplett vergessener Hollywoodlustspiele der zweiten Reihe verantwortlich war. Wundervolle Konzeptkomödien, die einerseits von der Normalität des Kleinstadtlebens ausgehen, andererseits aber stets haarscharf am Rand des Irrsinns entlang tanzen.
In diesem Fall beziehen sich beide Sätze auf Flugreisen. Die Sprecher (streng genommen handelt es sich jeweils um Voice-Over, die Flugaufnahmen unterlegt sind) können sich nicht erklären, wie es möglich ist, dass etwas so Rasantes wie ein Flugzeug trotzdem stundenlang über den Himmel donnert. In beiden Fällen sind diese Sprecher amerikanische Soldaten, jeweils verkörpert von schlacksigen, völlig unheroisch anmutenden, leicht phlegmatischen Darstellern (in Rendezvous with Annie: Eddie Albert; in When Willie Comes Marching Home: Dan Dailey); zwei, die zwar gerne ihre patriotische Pflicht leisten, wenn das Vaterland ruft, die aber von der Realität des Krieges tendenziell kognitiv überfordert sind. Oder genauer gesagt weniger vom Krieg, von den Kampfhandlungen selbst, als von dem sozialen Stress, der sich um den Krieg herum anlagert. Noch genauer: beide scheitern daran, Krieg und Alltag sinnvoll aufeinander zu beziehen.
In Rendezvous with Annie besteht das Problem darin, dass Krieg und Alltag zwei komplett unvereinbare Sphären zu sein scheinen. Weil er doch bis gerade uniformiert in Europa unterwegs war, glaubt der Hauptfigur Jeffrey Dolan niemand, dass er der Vater des Kindes ist, das seine Frau gerade auf die Welt gebracht hat. Tatsächlich war es während eines Heimaturlaubs gezeugt worden, den Dolan allerdings klandestin, ohne das Wissen seiner Vorgesetzten, angetreten hatte. Und aus Furcht vor dem Kriegsgericht hatte er die Spuren dieser Reise derart gründlich verwischt, dass nun auch die eine, nicht zu übersehende, neugeborene Spur nicht mehr auf ihn verweist.
Die Prämisse von When Willie Comes Marching Home ist ähnlich absurd, und in gewisser Weise komplementär: Da gelingt es der Hauptfigur William «Bill» Kluggs nicht, Alltag und Krieg auseinanderzudividieren. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour meldet er sich zwar freiwillig und wird, da er der erste Soldat ist, den seine Heimatstadt in die Schlacht entsendet, von den Nachbarn beglückwünscht; aber dann wird er nicht in Richtung Pazifikkrieg geschickt, sondern als Ausbilder zu hause stationiert – und zwar tatsächlich zu hause, in seinem Herkunftsort. An Wochendenden sitzt er also weiterhin im Wohnzimmer seiner Eltern und kann weder ihnen noch seiner zunehmend irritierten Verlobten, noch sich selbst erklären, was er da zu schaffen hat, wo doch um ihn herum seine Kumpels an diversen Fronten glänzen und sterben. (Wenn er irgendwann doch in das Kriegsgeschehen eingreifen darf, schläft er mitten im Einsatz am Maschinengewehr seines Jagdfliegers ein und landet hinter der Front in einer schön absurden Fantasieversion der französischen Resistance.)
In beiden Filmen ist der Krieg in erster Linie eine Herausforderung für den zivilen Alltag – der allerdings unter einem fürs Kino ungewöhnlichen, gewissermaßen logistischen Aspekt betrachtet wird. Der Krieg resultiert nicht in Verlusterfahrungen oder Traumata, sondern er kollidiert mit der Prozessualität des Sozialen. Genauer gesagt bringt er Taktungen durcheinander: Die neun Monate zwischen Zeugung und Geburt stehen plötzlich genauso zur Disposition wie die geschlechtertypischen Ab- und Anwesenheitsmuster, die das Familienleben strukturieren. Die Filme selbst unternehmen, aus der komfortablen Position der Nachzeitigkeit heraus, den Versuch einer Resynchronisierung. Durch die (in erster Linie psychologischen) Widerstände, auf die sie dabei stoßen, werden sie zu Komödien.
Das erklärt vielleicht auch die eingangs erwähnte gedoppelte Dialogzeile, die in diesem Sinne nicht nur auf Flugzeuge anwendbar ist, sondern auch auf den Krieg insgesamt: Der erscheint in den Filmen einerseits als etwas, das die Welt von einem Moment auf den anderen aus den Angeln hebt; andererseits entfaltet er sich aber trotzdem zwingend vor dem Hintergrund eines zivilen Alltags, der auf die Dauer immer den längeren narrativen Atem hat.
Rendezvous with Annie ist in den Untiefen des Internets zu finden. When Willie Comes Marching Home ist u. a. in dem Box-Set Ford bei Fox erschienen