Es ist seine Straße Fundamental in Ordnung: Der Schauspieler Kida Ramadan
Es ist nur eine kleine Handbewegung, aber sie zeigt die ganze große Kunst des Schauspielers Kida Ramadan. Ummah – Unter Freunden heißt der Film, eine ziemlich hirnverbrannte Komödie aus dem Jahre 2013, die sich um einen Ermittler dreht (gespielt von Frederick Lau), der in Neonazi-Kreisen unterwegs war, in Neukölln untergetaucht ist und einen Fernseher für seine neue Wohnung braucht. Deshalb steht er nun im Handy-Krimskrams-Laden von Abbas (gespielt von Kida Ramadan). Fernseher? Hat er da. Abbas kommt hinter der Theke hervor und zeigt ihm das Gerät, eine riesige Kiste, von der sofort klar ist, dass sie im Laufe des Films noch eine tragende Rolle spielen wird. Fünfzig Euro soll sie kosten, sagt Abbas und streicht wie nebenbei über das Gehäuse. «Arabische Produktion, vertrau’ mir.»
Die ganze Szene wäre nur halb so gut, wenn Abbas nicht seine Hand ausstrecken und wie nebenbei über den Fernseher streicheln würde. Ein bisschen, um den Staub wegzuwischen. Ein bisschen, um seinem Kunden zu zeigen, dass der Fernseher ihm ans Herz gewachsen ist und dass, wer ihn kauft, großes Glück gehabt hat. Aber da ist noch mehr. Dieses Streicheln definiert Abbas’ Verhältnis zur Welt: Es ist fundamental in Ordnung. Dummerweise sieht die Welt das anders. Fast alle Figuren, die Ramadan spielt, funktionieren so: Daraus beziehen die Filme dann ihre Spannung und Ramadans Figuren ihre Tragik. Sie müssen die Welt wieder in Ordnung bringen. Prästabilierte Harmonie, heißt das bei Gottfried Wilhelm Leibniz, leben in der besten aller Welten. Niemand kann das spielen wie Kida Ramadan.
Was macht einen großen Schauspieler aus? Eine Schule sagt: Er müsse für jeden Film aufs neue mit seiner Rolle verschmelzen, hinter der Figur verschwinden, die er spielt. Eine andere Schule sagt das genaue Gegenteil: Er müsse in jeder neuen Rolle erkennbar bleiben. Und dann gibt es Schauspieler wie Kida Ramadan. Denen schaut man einfach gerne dabei zu, wie sie das tun, was sie gerade tun. Das gleiche ließe sich auch über Clint Eastwood oder James Gandolfini sagen, auch Männer, deren Körperlichkeit jeden Film beherrscht, in dem sie mitspielen. Aber Eastwoods Welt ist kaputt. Deshalb ist er im Krieg mit den Verhältnissen. Und Gandolfini ist immer im Stress, zumindest als Tony Soprano. Die Verantwortung lastet auf seinen Schultern.
All das ist bei Kida Ramadan anders, vor allem in seiner großen Rolle als Gangsterboss Toni Hamadi in der Fernsehserie 4 Blocks. Auch seine Welt gerät aus den Fugen, sonst hätte die Serie ja nichts zu erzälen. Auch er gerät in Stress, wie jeder CEO, dessen Unternehmen attackiert wird. Aber Ramadan ist ein anderer Männertyp als Eastwood oder Gandolfini. Er ist weicher, glücksbegabter, freundlicher.
4 Blocks ist eine große Serie. Für das Berlin-Bild, das sie zeichnet. Dafür, die große amerikanische Erzählform des Gangster-Epos auf deutsche Verhältnisse übertragen zu haben, also die Geschichte von der Einwandererfamilie, die eigentlich nur Teil haben möchte an der neuen Gesellschaft, aber nicht zugelassen wird und deshalb kriminell wird. Dafür, wie der Islam in der Serie abgebildet wird. Ohne Kida Ramadan würde 4 Blocks allerdings nicht funktionieren. Er hält die Serie zusammen. Durch die Art, wie er die Straße entlangläuft, einmal im Morgenmantel. Ohne dass er es raushängen lassen müsste, weiß man immer: Es ist seine Straße. Wie er Kaffee trinkt. Wie er sich im Auto fahren lässt.
Einmal beobachtet er seine Frau Kalila dabei, wie sie betet. Da ist schon ziemlich viel schief gelaufen, es ist auch nicht so klar, ob Kalila gläubig geworden ist, weil sie keinen anderen Ausweg sieht, oder ob sie einfach nur Druck auf ihren Mann ausüben will. Toni schaut ihr zu, und man sieht: Er liebt sie, er sieht ihren Schmerz. Aber es ist nicht seins, das Glück ins Jenseits zu verlegen. Dieser Mann lebt im hier und jetzt. Mit seinem Bart und seinem Buch, seinem Lächeln und seinem Nuscheln.
Ob es ihm nicht irgendwann langweilig werde, immer die gleiche Rolle zu spielen, wurde Ramadan im Sommer von einem Journalisten der Frankfurter Allgemeinen gefragt. «Kein Problem damit, Bruder», war die Antwort. «Roger Federer spielt auch immer das gleiche Tennis und gewinnt jedes Turnier. Wenn du der Beste bist, wirst du gebucht.» Vielleicht schaut man ihm deshalb so gerne zu, Kida Ramadan kann das Glück zeigen, das es sein kann, glücklich zu sein.
Auf DVD ist Ummah – Unter Freunden bei Senator Home Entertainment und 4 Blocks bei eye see movies erschienen