Auferstehung
Eigentlich kam es in jedem Bericht zum Fall Babtschenko vor, before and after Auferstehung, vermutlich weil es das Theatrale – der Schmierentragödie oder -komödie – so präzise auf den Punkt bringt: das Foto, das den russischen Journalisten auf dem Bauch in einer Blutlache zeigt. Es ist nicht zuletzt diese Investition ins Fiktive, die für viel Kopfschütteln sorgte, als die Beteiligten dann April, April riefen. Babtschenko selbst hat hinterher erzählt, dass es nur Schweineblut war, das er sich in der Leichenhalle selbst vom Leib gewischt hat. Man muss allerdings ziemlich lange suchen, um das Foto per Google, und dann nur in schwarzweiß (und nur auf der russischen Website vz.ru) zu finden. Ein Bild also, das in der kollektiven Imagination sehr viel mehr und nachdrücklicher als in der Realität existiert.
Kaum war er tot und nicht nur auf den sozialen Medien heftig betrauert, kaum war Moskau als Drahtzieher des Attentats auf den harschen Kreml-Kritiker ausgemacht, sprang Arkadi Babtschenko wie Kai aus der Kiste und Lazarus aus dem Grab. Ausschnitte aus der Pressekonferenz haben sofort die Runde gemacht, eine kurze Bewegtbildsequenz, die den lebenden Toten in einem schwarzen Kapuzenshirt mit dem Aufdruck «Journey» und einer, vom großen R nach unten verlängert, angemessen auf-und-absteigenden Linie zeigt. Daneben zur Linken ein Mann in militärischer Tarnkleidung, der angesichts des Streichs, den er der Weltöffentlichkeit gespielt hat, fröhlich grinst: Das ist der Chef des Geheimdiensts, Wassili Grizak. (Rechts noch ein Herr mit Krawatte und Anzug.)
Später wurden Aufnahmen des geheimdienstfrommen Babtschenko – immer noch im selben Kapuzenshirt – mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko verbreitet. Auf die konsternierten internationalen Reaktionen war dann offenbar keiner gefasst. Babtschenko hat auf Facebook und Twitter erst einmal recht gereizt auf Kritik reagiert. Dabei sind die nicht nur bildpolitischen Erklärungslücken gewaltig. Hier gefakte Evidenz eines Mords, da die Revokation mit der Behauptung, Täter und Hintermänner seien einzig mit dieser Aktion zu überführen, ja auch weitere Taten (dreißig, dann vierzig) nur so zu verhindern gewesen. Dokumente, Belege oder nur eine plausible Story zu diesen Behauptungen blieben, Stand Anfang Juni, allerdings aus.
Ob die Sache je geklärt werden wird, ist zu bezweifeln. Weder Regie noch Darsteller vermitteln den Eindruck, sie hätten so ganz genau gewusst, was sie da tun. Für einen Geheimdienst fällt Vertrauensverlust nicht ins Gewicht, für einen bislang als glaubwürdig eingeschätzten russischen Reporter im ukrainischen Exil allerdings schon. Und für die Ukraine, deren politische Elite immer offensichtlicher die Korruption der abgeräumten Vorgänger fortsetzt, wäre der Ruf eines Operettenstaats eher kurz- als langfristig ziemlich fatal.