filmkritik

3D (1953)

Von Manny Farber

Es wäre albern, Hollywoods gegenwärtigen Kampf mit der Stereoskopie zu unterschätzen. Die Konversion zu 3D oder, als Alternative, zur Breitleinwand, ist kein plötzlicher Einfall, der über Nacht als Gegenangriff aufs Fernsehen aus dem Hut gezaubert worden ist. Die Bewegung in Richtung von «Riesenleinwand»-Effekten und eines dreidimensionalen Looks der Darsteller ist ernsthaft im Gang seit der Zeit von The Best Yearsof Our Lives. Ja, es war der Hauptantrieb in der Arbeit jedes bedeutenden amerikanischen Regisseurs mit der Ausnahme von De Mille, der sich niemals verändert, und Huston. Das hauptsächliche Ziel in diesen Filmen der «neuen Dimension» scheint dasselbe wie bei «flachen» Filmen – ein genaueres und natürlicheres Bild.

Was man auf den neuen aluminierten Leinwänden für gewöhnlich sieht, ist ein Bild, in dem die Konturen der Darsteller extrem scharf sind, und es gibt wenig Formungsarbeit an der Figur durch dramatische Lichteffekte. Der 3D-Regisseur versuch, das Auge rasch an den Schauspielern vorbeizuführent, um den Blick so auf die Tiefendimension der Szene zu lenken. Neben der Schärfung der Körperkonturen finden wir das Bemühen, die «Stimmung» negativer Räume klarer zu gestalten – der mehr oder minder ungefüllten Zonen in einer Komposition. Eines der zum Überdruss verwendeten Bilder der neuen 3D-Filme ist ein Blick, der von den Beinen eines Tiers, den Zweigen eines Baums oder zwei Rädern eines Wagens gerahmt wird. Der Rahmen intensiviert das Gefühl des dahinterliegenden Raums und produziert eine Art Loch zwischen dem Leinwandvordergrund und was immer man im Hintergrund sieht.

Das Ergebnis dieser Drei-Dimensionalität ist ein präziserer Eindruck von Massen. Das flache Kino tendierte dazu, die Darsteller mit so viel zusätzlichem Gewicht zu belasten, dass man nichts seltener sah in Hollywood-Filmen als kleine drahtige Figuren. Jetzt erleben wir erstmals schlanke, schmale Gestalten – wie die von Guy Madison und Frank Lovejoy in The Charge at Feather River – und einige Darsteller, die zuletzt für die Leinwand zu massig wurden, scheinen plötzlich geschrumpft.

Leider scheint der Auftritt in 3D-Filmen die Schauspielkunst der Stars aber nicht zu verbessern. (…) Die Schauspieler scheinen den Mut zu verlieren, sobald sie in schlechte bis mittelgute fotografische Effekte hineinplatziert werden. Jeder Darsteller muss, bevor er loslegen kann, in eine sperrige Komposition gestellt werden, in der die vordere, die mittlere und die hintere Bildebene genau definiert sind. In Second Chance war die Einstellung, die mich am meisten beeindruckt hat, die allererste – die Rückansicht des Kopfs von Jack Palance, die kalt in den unteren Rand des Bilds schneidet, während einer seiner Gangster-Gegner ahnungslos durch das Foyer eines Hotels paradiert. Diese starre Komposition wiederholt sich beinahe so oft wie die «Trick»-Einstellungen – das Gewehr, das direkt auf deine Augen zielt, die Rackete, die Funken auf deinen Kopf niedergehen lässt, Mitchum, der à la Jack Pickford an einem Seil baumelt, das an einer gesprengten Seilbahn befestigt ist.

Man sollte auch etwas sagen zu den dunklen, engen Brillen, die man bei 3D-Filmen tragen muss, zu den vielen Soundspuren, die einem den Eindruck vermitteln, man höre Stimmen von der Seite der Leinwand, und über die Breitleinwand, für die die Bildkompositionen oben und unten «maskiert» werden müssen, um darauf zu passen. Filme wie The Charge at Feather River, Arena und Second Chance sind bemerkenswert vor allem ihrer schlichten Geschichten wegen, in denen immer jemand irgend einem Preis, einem Schatz oder einem Ziel nachjagt, als wäre Bewegung – und fast ganz egal, was für eine Sorte Bewegung – schon der Schlüssel zur Raumtiefe.

 

Farber on 3D (8. August 1953) | aus: Farber on Film (ed. Robert Polito, Library of America 2009) | Übersetzung: Ekkehard Knörer