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Nichts, recut

Von Peter Praschl

Shining als romantic comedy, ein anderthalb Minuten langer Recut-Trailer auf Youtube. Der Mensch, der ihn sich ausgedacht hat, wird sich nur einen Spaß gemacht haben wollen (zeigen, was geht, dabei wissen doch wir längst, dass alles geht). Dennoch: ein großartiger Film, das Beste, was man in den letzten Jahren gesehen haben könnte, abgesehen von all den anderen allerbesten YouTube-Videos. Kannst du dich noch erinnern?

Jack kriegt seinen Roman nicht fertig. Steckt fest in seinem Writer’s Block und in seiner Einsamkeit. Aber dann kommt dieses Kind. Das Kind hat eine Mutter. Und Peter Gabriel singt ein Liebeslied. Die Worte fließen, mit Liebe geht alles besser, alles wird wieder gut. Weißt du noch?

Wann gab es zuletzt etwas Neues? Nie lange genug, ein, zwei, drei Augenblicke später waren die Muzak-Versionen schon da. Alle liefen sie auf dasselbe hinaus: Nimm es nicht so ernst, bleib heiter, Hauptsache, es gibt einen Menschen, der zu dir hält. Die Liebe ist schwierig, noch schwieriger ist es, sich die Idiotie abzugewöhnen, an Erlösung zu glauben. Am Ende solltest vielleicht auch du heiraten. Viel anderes bleibt uns nicht übrig im Leben, auch wenn wir einen schwierigen Charakter haben. Mal ehrlich: einen Menschen gefunden zu haben, ist so verdammt viel. Denkst du das nicht auch?

Das könnte ich dir jetzt emailen. Oder euch allen, die ihr mit mir befreundet seid. Oder durchtwittern. Wie die anderen allerbesten Youtube-Videos. Nicht schon wieder, würdet ihr denken. Aber vielleicht nicht alle. Die eine oder der andere würden es sich ansehen. Hinterher den Like-Button anklicken. Ich würde mich freuen darüber. Weil du dich gefreut hast über etwas, das von mir kam, einfach so. Und du wärst heiterer, beschwingter, glücklicher, meinetwegen. Vielleicht stupst du mich ja zurück?

Müsste man nicht nachdenken über die Rolle des lustigen Youtube-Videos in der Ökonomie unserer Gefühle, fragst du. Wie es uns bei Laune hält in den zwei, drei Minuten Pause, die es uns verschafft, damit wir hinterher lächelnd weitermachen.

Wie perfide das ist, sobald man darüber nachdenkt. Das Ironische, mit dem man sich wattiert. Aber du lachst doch auch, sage ich. Was kann ich für dich tun, damit es dir wieder besser geht?

Meta, sagst du, wie immer. Wann gab es zuletzt etwas Neues von dir? Zwei, drei Augenblicke später waren die Meta-Schwurbeleien schon da. Alle liefen sie auf dasselbe hinaus. Nimm es nicht so leicht, bleib muffig, Hauptsache, es gibt Menschen, die muffig bleiben. Vielleicht solltest du heiraten. Auch wenn du einen schwierigen Charakter hast. Mal ehrlich: einen Menschen gefunden zu haben, ist das Beste, was dir passieren konnte. Denkst du das nicht auch?

Und, sag mal, wenn es so wäre, dass es von allem die Recut-Version als Rom-Com gäbe, sogar von deinen Lieblingsfilmen und von deinem Leben, wenn auch nicht mit diesem Peter Gabriel-Lied: Wäre das nicht besser als jetzt? Wenn es das Kind gäbe und die Frau und den Fluss beim Reden und Schreiben und das Tanzen? Wäre das nicht so viel besser, als es jetzt ist?

Ist aber gut so, wie es jetzt ist, doch, wirklich. Nur manchmal diese Löcher, das Fadenscheinige im Leben. Und dann wünscht man sich, sie gingen weiter auf, abgrundgroß, damit man endlich die Kraft fände, nicht weiterzumachen. Sondern etwas anderes anzufangen. Lächerliche Nine-to-five-Phantasien eben, hab’ ich manchmal. Das Seltsame ist: ich habe sie immer gehabt, schon in der Zeit, als es noch keine lustigen Youtube-Videos gab und auch sonst nicht viel. Und schon damals sind die Löcher nie abgrundgroß geworden. Obwohl ich mich kaum noch erinnern kann, was ich damals gemacht habe mit ihnen, gar nichts wahrscheinlich, würde durchaus zu mir passen. Wie schaffst du es eigentlich, mich auszuhalten?