Mad Woman Die Hausfrau als Managerin: Eine Wiederbegegnung mit Betty Friedans Klassiker The Feminine Mystique
Das Problem hat keinen Namen, macht sich aber für Betty Draper gleich zu Beginn der ersten Staffel mit aller Macht bemerkbar: Wütend und ängstlich blickt sie auf ihre Hände, die ihr nicht gehorchen mögen und es ihr nicht erlauben, auf der Damentoilette eines vornehmen Restaurants ihren Lippenstift nachzuziehen; sie muss ihre Begleiterin um Hilfe bitten. Ein Psychoanalytiker, den sie wenig später zu Rate zieht, erklärt lapidar, mit solchen und ähnlichen Problemen hätten auch viele andere Hausfrauen zu kämpfen, im Übrigen müsse man auf die Kraft der talking cure vertrauen.
Mad Men setzt ein im Jahr 1960 und es sollen noch drei Jahre vergehen, bis Betty Friedan ihr Buch The Feminine Mystique veröffentlicht und damit erstmals ein ganzes Bündel von Symptomen als «The Problem That Has No Name» beschreibt (so der Titel des ersten Kapitels), es der Sphäre des Privaten und Unausgesprochenen entreißt, und in seinen sozialen und ideologischen Formationen sichtbar macht. Friedan erhob hier Anklage gegen ein überkommenes Rollenmodell, das für junge Frauen eine exklusive Existenz als Hausfrau und Mutter vorsah, und glaubte erkannt zu haben, dass genau diese Lebensform die Ursache für ein weit verbreitetes Gefühl von Leere und Haltlosigkeit, ja sogar für Depression und Suizid darstellte.
Gegen und mit Freud
Die Autorin traf mit ihrer Diagnose den Nerv der Zeit und gilt heute allgemein als Urheberin der zweiten Welle der feministischen Bewegung in den USA. Tatsächlich überwarf sie sich schon wenige Jahre später mit deren radikalen Vertreterinnen, die Betty Friedans Davies Auffassung, Emanzipation müsse als gemeinsames Projekt von Frauen und Männern verstanden werden, nicht teilen mochten. Es scheint jedenfalls nahe liegend, in Mad Men nach Spuren ihres Buches zu suchen, zumal der Creator der Serie, Matthew Weiner, The Feminine Mystique mehrfach als zentrales Referenzwerk bezeichnet hat. Nimmt man das Buch in diesem Wissen zur Hand, lassen sich tatsächlich mühelos einige Mad Men-Motive identifizieren. Gleichzeitig aber ist man überrascht von der Vielfalt der Themen, die hier behandelt werden, von Friedans akademischem Wissen, nicht zuletzt auch von ihrem manchmal altmodisch wirkenden Stil. Im Gegensatz zu späteren Schlüsselwerken des Feminismus hat man es hier mit einer recht pragmatischen und weitgehend jargonfreien Schrift zu tun. Seitenweise zitiert die Autorin aus Interviews, die sie mit Hausfrauen geführt hat, um aus deren Aussagen dann eine umfassende Zustandsbeschreibung zu generieren; diese skizzenhafte und anekdotische Darstellung wurde ihr von Kritikern oft zum Vorwurf gemacht.
Dennoch fehlt es Friedans Werk nicht an historischen und theoretischen Argumenten; so analysierte sie beispielsweise das vorherrschende Rollenmodell in amerikanischen Frauenzeitschriften seit den 30er Jahren und setzte sich kritisch mit dem dominanten Freudianismus der akademischen Psychologie wie auch der amerikanischen Populärkultur auseinander. Die studierte Psychologin Friedan sah in dem großen Einfluss der Psychoanalyse und ihres überholten Frauenbilds einen Hauptgrund nicht nur für den mangelnden Emanzipationswillen der Frauen, sondern auch für eine allgemeine Blindheit für die soziale Bedingtheit psychischer Probleme.
Und auch mit dem Funktionalismus der amerikanischen Sozialwissenschaften und den Arbeiten der amerikanischen Ethnologin Margaret Mead ging sie hart ins Gericht. Mitunter allerdings lesen sich Friedans Ausführungen eher wie die einer konservativen Kulturkritikerin. So hatte sie keine Hemmungen, sich selbst bei Freud zu bedienen, wenn es etwa um männliche Homosexualität ging, für die sie übermäßig feminine Mütter verantwortlich machte. Auch sonst glaubte sie, bei amerikanischen Jugendlichen eine zunehmende Passivität und einen Mangel an Disziplin und Ehrgeiz feststellen zu können. Aus solchen Beobachtungen spricht ein starkes Unbehagen angesichts der Entwicklung der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft, und originell waren ihre Schlüsse vor allem darin, dass sie die Emanzipation der Hausfrau nicht als Ursache der Misere, sondern als deren Heilmittel begriff.
Hauswirtschaft als Wissenschaft
Dieser Kulturkonservatismus hielt Friedan allerdings nicht davon ab, zentrale Funktionsmechanismen der neuen Massenkonsumgesellschaft scharfsichtig zu analysieren. Man muss nur ihr Kapitel «The Sexual Sell» lesen, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie neuartig und unerhört jene Welt der Marketing-Experten auf Zeitgenossen wirken musste, die in Mad Men so lustvoll rekonstruiert wird. Friedans vielleicht berühmteste Erkenntnis kreiste um die Art und Weise, wie sich die amerikanische Konsumgüterindustrie die prekäre Identität der Hausfrauen zwecks Absatzsteigerung zunutze machte. Weil Frauen durch ihre Männer de facto über einen bedeutenden Teil des privaten Vermögens verfügen konnten, wurden sie zu einer wichtigen Zielgruppe der Werbeexperten, die ihnen suggerierten, das Führen eines Haushaltes sei im Grunde eine Art Wissenschaft und daher geeignet, den Alltag einer College-Absolventin und jungen Mutter vollständig auszufüllen. So lange Frauen immer neue spezialisierte Produkte für spezialisierte Tätigkeiten kauften, durften sie sich als Experten im «scientific household management» fühlen, wobei die Kunst aus Sicht der Industrie natürlich darin bestand, nicht zu raffinierte Produkte zu erfinden. Denn auf gar keinen Fall sollten Frauen das Gefühl bekommen, durch Maschinen ersetzbar zu sein. Friedan erkannte dabei klar, dass die Industrie nicht einfach neue Bedürfnisse erfand, wie ein klassischer kapitalismuskritischer Topos suggeriert. Der zugrunde liegende psychologische Wunsch jener Frauen nach Anerkennung war ja real und Friedan hatte beobachtet, dass Hausfrauen auch sonst gerne Aufgaben für sich erfanden, die im Grunde genommen vollkommen überflüssig waren.
In Mad Men wird dieses subtile Verhältnis von Psychologie und Konsum ganz explizit in den Räumen von Sterling Cooper verhandelt und nur indirekt in der häuslichen Sphäre der Drapers. Dabei wirken die Werbekampagnen von Don und seinen Kollegen längst nicht so strategisch, wie es Friedan in bewusster Überspitzung beschreibt. Werbung scheint hier wie ein kreativer Prozess, in dem die künstlerische Intuition mindestens ebenso viel zählt wie kühle Marktanalysen. Und dass wir es hier mit einer Zeit zu tun haben, in der Ressentiments rationales Gewinnstreben noch relativ mühelos ausschalten konnten, wird spätestens dann deutlich, als Peter Campbells Vorschlag, die afroamerikanische Zielgruppe zu adressieren, rüde vom Tisch gefegt wird. In einer Szene allerdings wird dem Zuschauer das manipulative Moment der Werbung in aller Deutlichkeit vorgeführt, nämlich als Don und Betty bei sich ein Arbeitsessen ausrichten. Stolz präsentiert Betty den versammelten Werbefachleuten ihr Menü, das sie als Reise um die Welt konzipiert hat. Als sie schließlich bei einem bestimmten holländischen Bier angelangt ist, brechen ihr Mann und seine Kollegen in Gelächter aus. Betty ist konsterniert, sie wusste nicht, dass Heineken ein Kunde von Sterling Cooper ist. Don bedeutet ihr später, sie solle sich nicht so anstellen, schließlich gehöre sie zur Zielgruppe der Kampagne und habe sich damit ganz den Vorgaben gemäß verhalten. Betty kann das natürlich nicht besänftigen. Dieser und anderen Enttäuschungen zum Trotz aber wird sie nicht aus ihrer Rolle ausbrechen; ob Betty sich emanzipieren will und kann, bleibt bis in die dritte Staffel hinein ungeklärt.
Die Drapers leben in einer Zeit, in der Amerika seine Unschuld noch nicht verloren hatte – als solch ein neoviktorianisches Zeitalter werden die 50er- und frühen 60er-Jahre zumindest im konservativen amerikanischen Geschichtsbild gerne verklärt. Heute erscheint uns der Bewusstseinswandel den The Feminine Mystique mit ausgelöst hat, als ein fast notwendiges Ereignis, so erdrückend wirkt das von Friedan gezeichnete Bild der prä-emanzipatorischen Ehefrau und ihrer häuslichen Sphäre; und paradoxerweise hat gerade Friedans diagnostische Präzision, die zur Überwindung der Verhältnisse beitragen sollte, dafür gesorgt, dass dieser historische Raum für die Nachwelt in nahezu ikonischer Form konserviert wurde. Mad Men liest diese Überlieferung nicht noch einmal gegen, sondern rekonstruiert die dazugehörige Lebenswelt in ihrer damaligen Selbstverständlichkeit. Die Qualität der Serie besteht gerade in der Weise, wie sie das Zittern von Bettys Händen, das zu dieser Zeit auf verschiedenen Ebenen durch die amerikanische Gesellschaft ging, thematisch variiert: im Kleinen, behutsam und ohne die prinzipielle Offenheit zu leugnen, die auch diesem geschichtlichen Prozess eigen war.