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Bright Star Über Bright Star, den neuen Film von Jane Campion

Von Ryland Walker Knight

© BBC Films

 

Schon komisch, dass Jane Campion jetzt, mit Bright Star, keusch wird, wo doch der Vorgängerfilm, In the Cut (2003 klingt sehr lang her), so voller Sex war. Womit nicht gesagt sein soll, dass Bright Starohne Sex wäre, oder nicht sexy; eher ist es so, dass das Begehren nun in Wörtern und Textilien versteckt wird. Es ist die Gesellschaft, die hier Annäherungen begrenzt; es ist die Ökonomie, die den Gang der Ereignisse bestimmt. Wenn es eine feministische Stoßrichtung gibt, dann verdankt sie sich eher Subtexten – Hingeworfenem, Einfällen, Anspielungen –, wobei die Grundkonstellation einer entschlossenen jungen Frau, die ohne Rücksicht auf ihre Reputation zu leben und zu lieben verlangt, auch ins Bild passt. Der Film gehört, da gibt es keinen Zweifel, Abbie Cornish (sie spielt diese launenhafte Muse, Fanny Brawne) eher als Ben Whishaw (der Dichter, John Keats), da ihre Darstellung subtil und stark ist, ganz auf die richtige Art, indem sie unsere Aufmerksamkeit darauf lenkt, wie dieses Gefühlsbündel von einem Dichter in ihr Leben kam und daraus wieder verschwand, darauf also, wie sein Erscheinen ihren Lebensweg verändert hat. Im Grund aber ist, dieser grundsätzlichen Asymmetrie zum Trotz, Bright Star eine einfache Liebesgeschichte.

Sie flirten und lassen es und dann küssen sie sich am Flussufer und von hier an geht es um alles; wie es sich für ihr Alter gehört, ist ihre Affäre vollkommen adoleszent, alles Hingebung, keine Fragen, jedes Gefühl überlegensgroß. Sie schreiben sich Briefe, sie verzehren sich, er schreibt Gedichte und sie schneidert Kleider. Das erste Bild schon zeigt Fanny beim Nähen, allein, im eigenen Zimmer, kurz bevor die Brawnes aufbrechen zum Besuch bei Charles Armitage Brown (Paul Schneider tollt in seiner Rolle herum, versteckt hinter einem Bart und in grellen, karierten Hosen). Fanny trägt einen strahlendes rotes Oberteil, geschneidert hat sie es selbst. Sie ist als etwas Besonderes markiert von Beginn, sie fällt heraus aus den gedeckten Farben um sie herum: Campion rückt sie in die Mitte des Bilds, als farbiges Zentrum einer braunen und schlammigen Welt. Das Necken und Triezen Browns weist sie zurück, sie steht zu ihrer Arbeit, wendet seine Schmähreden gegen ihn selbst mit ihrem spitzen «Und ich verdiene Geld damit», Spott über den armen Poeten. Von diesem Anfang an ist Keats zu Gast bei Brown, verbirgt sich hier vor Gesellschaft und großer Welt. Wir sehen ihn mit Fanny, sie bringt ihm Tee, und es beginnt dasselbe Spiel zwischen den beiden – schließlich hat auch er niemals Geld verdient mit seiner Kunst. Und wird, wie wir wissen, auch nie welches verdienen.

Keats’ Geldsorgen sind die Krux seines Kampfs um diese Liebe. Die Gebräuche sehen nicht vor, dass Fanny Keats als Liebhaber ernsthaft erwägt aus dem einfachen, typischen Grund, dass er keine finanziellen Aussichten hat; die wären für eine Heirat unabdingbar. Seine Gedichte verkaufen sich kaum (ein Buchhändler tritt auf, er hat sie noch alle auf Lager), und er ist körperlich sehr fragil; er lebt bei seinen Freunden und hat, nach dem Tod seines Bruders, keine Familie mehr. Er lebt an Browns Seite, von Browns Großzügigkeit, in ständiger Schuld. Nach einer Heimkehr aus London in dünner Jacke im Schneesturm wird er krank. Angesichts seines Zustands – pekuniär, die Gesundheit – zahlen seine Freunde ihm eine Italienreise, in der Hoffnung, dass der mildere Winter seiner Gesundheit aufhilft. Der Plan wird natürlich nicht gelingen und Keats ist verloren, ein weiterer Dichter, der ohne Pfennig ins Grab steigt, um von der Nachwelt dann über alles geschätzt zu werden.

Konkurrierende Bilder

Fanny trauert, in blau-gelierten Bildern, und geht ihrerseits in den Schnee, in angemessene Kleidung gepackt, und rezitiert ein Gedicht, das ihr Geliebter geschrieben hat für sie, über sie. Sie trägt Schwarz, was zu den nackten Zweigen über ihr passt, und ihre Haube ist ein Bahrtuch, kein Heiligenschein, wenn sie den Grund des Bildes durchquert (Campion filmt von unten nach oben) und das Bild dann für eine Sekunde leer lässt vor dem letzten Schnitt und der Abspannsequenz. Die Credits sind interessanterweise ein Höhepunkt des Films, obwohl der Spielfilm da schon vorbei ist: Ben Whishaw liest die «Ode an eine Nachtigall» komplett während des Abspanns. Hier erlangen Keats’ Worte Leben auf eine Weise, die Campion sonst nicht zu fassen bekommt. Denn hier hören wir die Worte – sie erhalten im Fast-Schwarz des Zuschauersaals Raum. Während des Films selbst konkurrieren Keats’ Worte mit Campions Bildern, und es bekommt beiden nicht.

Campion ist eine Sensualistin, eine Bildmacherin von Gnaden, unfähig, Licht trübe zu machen, verliebt in Farbe und Komposition, das Spiel mit der Bildschärfe; sie ist eine Filmemacherin der Nähe. Keats hat natürlich auch Bilder geschaffen, gefühlsstarke Hymnen auf die Immanenz und die Gefühle, die Abenteuer der Liebe. Aber ihre Verfahren geraten sich ins Gehege, sobald sie an- und ineinander geraten. Das Bild wird «hübsch» statt hübsch. Trotz der Liebe zum Wortspiel ist In the Cut (Meg Ryans Frannie ist, eben, eine Englischprofessorin mit einer Obsession für den Slang; fast jeder einzelne Dialog ist eine Zweideutigkeit) ein Film der Bilder: Farbe und Körper und Flüssigkeiten sind seine Essenz, treiben ihn vorwärts und weiter hinein in die tiefen und dunklen Ecken von Lust und Glanz. Bright Starhätte gerne das Wort zum Gegenstand und die Briefsequenzen scheinen auch wirklich zu funktionieren, aber Campions romantische Bilder (Felder mit lilafarbenen Blumen; Keats klettert auf einen Baum des dämmerungshellen Streifens wegen oben auf den Ästen; Fanny, von Schmetterlingen umflattert) werden zu Postkarten, ja säuberlichen Hinweistafeln, sobald Keats’ Worte hinzukommen. Jedes Bild ist schön, aber darin liegt etwas Protzendes.

Die Darsteller retten den Film. Cornish gelingt es, wenn sie die Verwundete spielt, die Verzweiflung der Liebesbriefe von selbstmitleidiger Banalität in echten Schmerz zu verwandeln. Whishaws krummer und drahtiger Körper, sein elfisches Lächeln und seine seltsame-aber-ruhige Stimme machen aus der Rezitation eine Verführung. Und wären diese beiden nicht so schön, sähe ihre Verliebtheit fast etwas töricht aus. Paul Schneider jedoch ist das Geheimnis. Er scheint wuchtiger mit dem Bart, und sein Bierbauch, obwohl vielleicht nicht echt, macht den Eindruck einer richtigen Last. Sein irischer Akzent ist heftig, aber sein Stolz und sein Gepolter und sein stets rasch heraufziehendes Lachen machen ihn nicht einfach zu einem Affen und vulgären Rüpel – obwohl er genau das oft ist – , sondern zu einem weiteren Verehrer, dessen Liebe durch seine eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten in die Schranken verwiesen ist. Im rückhaltlosen Eingeständnis eigener Schuld, im Bekenntnis gegenüber Fanny, er habe den Freund im Stich gelassen, findet er das rechte Maß für die Schwermut; seine Stimme wird lauter, und er kickt einen Stuhl aus dem Bild und verdrückt eine Träne.

Ein solcher Verlust zwingt zur Bewertung, und ein solches «Versagen» wie Browns ist mit Verweisen auf Kapitalismus und Schulden nicht zu beantworten. Der Wert eines Lebens misst sich nicht in Rechnungen. Vielleicht ist das der Wert von Bright Star: dass er den Wert des Qualitativen betont, dass er den Luxus eines brotlosen Intellekts gegen die unkalkulierbare Verwertung des Gedankens als Ware stellt. Die Kosten dieser Reise sind am Ende keine Sache der Ökonomie, sondern eine der Gefühlswelt. So tragisch es sein mag, dass Keats so jung starb – die wahre Tragödie liegt, lehrt Bright Star, darin, dass er, ohne das Potenzial, das in ihm lag, ausschöpfen zu können, einsam sterben musste, jedenfalls fern von Fanny und seinem Freund Brown. Und umgekehrt bestand das Privileg dieses Paars darin, könnte man sagen, dass sie, und sei es für die kürzeste Zeit, ein luxuriöses Miteinander fanden.

Kinostart am 24. Dezember 2009