routine pleasures

Florenz

Von Birthe Mühlhoff

Ich bin etwas spät dran und weiß noch gar nicht, wo der Sala del Capitolo ist, in dem Belle de Jour gezeigt werden soll. Vermutlich geht er wie die anderen Konferenzräume vom Kreuzgang des ehemaligen Klosters ab. Also erst mal noch ein Bier holen in der Bar Fiasco. So heißt sie wirklich, die Bar des EUI, und sie ist noch ein wenig trostloser, als man es erwarten könnte. Weil es hier nur Doktoranden, Postdoktoranden und sonstige Fellas gibt, Menschen also, die vom Ernst der Deadlines bereits geschliffen, die dem Leistungsdruck schon en face ausgesetzt sind. Hier versucht sich niemand an der scheppernden Anlage an einer Karriere als DJ. Weil es keine Bachelor-Studenten gibt, darf sich das Institut auch nicht Universität nennen. Deshalb also «European University Institute». Ich finde, das klingt als würde man auf Googlemaps bei schlechter Internetverbindung auf einen Punkt zoomen, ins leere Grau hinein, und nur das Fadenkreuz des Maßstabs ändert sich: Europa … Universität … Institut. Man ist näher dran, aber weiß immer noch nicht, worum es geht.

Der Capitolo-Saal hat jedenfalls Stil, wenn auch null Kino-Gemütlichkeit. Hohe Gewölbe, weiß getünchte Wände, kaum befenstert. Mittig ein schweres dunkles Tischmonster, aus dem an jedem der zwanzig Sitzplätze antennenartig Mikrofone ragen. Vier andere Leute sind gekommen. Eine Leinwand vor dem Kopf, für die sich jede Filmvorführung wie Urlaub vom PPT-Alltag anfühlen muss. Aber mal ehrlich, wäre ich eine Leinwand, wäre Belle de Jour nicht gerade mein Traumreiseziel. Schon klar, dass der Film 1967 seiner Zeit voraus war, weil Catherine Deneuve in der Hauptrolle eine reiche schöne Frau spielt (also quasi sich selbst), die aus reiner Langeweile sich zu prostituieren anfängt. Ich denke, seiner Zeit voraus war er aber hauptsächlich, weil der Film die 70er Jahre-Beklommenheit schon wie eine Bugwelle vor sich her schiebt. Ich finde es physisch schmerzhaft, diesen Menschen beim Leben ohne Liebe zuzuschauen. Why did they marry in the first place?

Und warum soll ich mir das ansehen? Warum gehen wir nicht alle runter in die Bar Fiasco und bringen die Anlage in Ordnung? Weil wir ja alle früh rausmüssen und Filmgucken manchmal die einfachste Form von Kulturkonsum ist, qua bloßer Anwesenheit, sofern nur irgendwer auf Play drückt.