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Gegenwarten und Gegenutopien Ein Werk, das 60 Jahre ägyptischer Geschichte umfasst: Über die Filme von Youssef Chahine

Von Fabian Tietke

Youssef Chahine

© courtesey of Arsenal

 

Von der Uferpromenade Alexandrias unter verhangenem Himmel trägt uns der Offkommentar in die Vergangenheit der 1940er Jahre. Archivmaterial von Rommel und Hitler auf dem Parteitag in Nürnberg und das Mündungsfeuer der Artillerie markieren die Zeit des Zweiten Weltkriegs, bevor wir zurückkehren an die Uferpromenade – dieses Mal jedoch in der Vergangenheit. Die Filmmusik zitiert im Rumbarhythmus «Perfidia»: «To you || My heart cries out, ‹Perfidia› || for I found you, the love of my life || in somebody else’s arms» – Alexandria, die Verräterische, in den Armen der Briten. Dann gehen wir mit Youssef Chahines Alexandria … warum? von 1979 ins Kino. Eine Gruppe männlicher ägyptischer Jugendlicher auf dem Weg ins Kino, davor ein betrunkener australischer Soldat. Es laufen die Ziegfeld Follies (was historisch nicht geht, weil der Film erst im August 1945 Premiere hatte). Als der Australier in den Kinosaal torkelt und die Ägypter anpöbelt, kommentiert einer der Besucher auf Arabisch: «Hitler wird Bauchtänzer aus Euch machen.» Daraus wurde, wie man weiß, nichts. Chahine verlagert die Handlung erfreulicherweise auf sinnvolleres Terrain und in die Wohnung einer Mittelschichtsfamilie in Alexandria. Alexandria … warum? zeigt das Leben in der Stadt in Kriegszeiten, die Abschiede und Aufbrüche zu Kriegsende. Der Film ist der erste Teil der autobiografischen Alexandria-Trilogie, die Chahine in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren drehte (ein vierter Teil wurde in den 2000er Jahren nachgeschoben).

Chahine wurde 1926 in Alexandria als Kind eines libanesischen Vaters und einer griechischen Mutter geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend in der Stadt und besuchte das renommierte Victoria College. Was dazu führte, dass Chahine lange besser Englisch als Arabisch konnte. Aus seiner Zeit am Victoria College gibt es einen kurzen Film School Life, in dem eine Gruppe Schüler unter den duldsamen Augen ihrer Lehrer Faxen macht. Die Credits des Film sind an die Tafel des Klassenraums geschrieben. Chahine zeichnet den Film nach einem Sprung ins Bild als «Joseph Chahine».

Ende der 1940er Jahre geht er nach Kalifornien ans Pasadena Playhouse, um Schauspiel zu studieren, steigt aber nach kurzer Zeit auf Regie um. Zurück in Ägypten versucht er, einen Produzenten für sein erstes Drehbuch zu bekommen – und scheitert. Er beginnt bei einigen Dokumentarfilmen mitzuarbeiten, zuletzt beim italienischstämmigen ägyptischen Filmpionier Alvise Orfanelli. Orfanelli verschafft ihm die Möglichkeit, seinen ersten Film zu drehen: Papa Amin, über eine kleinbürgerliche Familie. Amin, Vater und kleiner Angestellter, lässt sich von einem Bekannten zu einem windigen Geschäft überreden, kurz darauf verschwindet der Bekannte. Chahine bringt in diese 1950 fertiggestellte Auftragsarbeit autobiografische Elemente ein, zeichnet die Vaterfigur nach seinem Vater, webt Sing- und Tanzeinlagen ein, um seinen Star, die Schauspielerin Faten Hamama, zur Geltung zu bringen. Dennoch riecht Papa Amin aus allen Klebestellen nach Studiokonfektionsware. Trotz einzelner gelungener Elemente ist der Film eher Mittelfeld im ägyptischen Kino der Zeit. Die Kombination aus Komödiantischem, Showeinlagen und Melodram, die das ägyptische Kino seit Ende der 1930er Jahre entwickelt hat, setzt Chahine routiniert fort, doch der Film ist eher im Rückblick interessant, als dass er für sich genommen eine Verheißung wäre.

Kurz darauf kann Chahine mit Sohn des Nils(1952) endlich das Drehbuch (das seinerseits eine Adaption eines amerikanischen Theaterstücks ist) realisieren, mit dem er aus den USAzurückgekehrt ist. Der Film ist eine Art Halbstarkenfilm. Ein junger Mann aus einer bäuerlichen Familie, die am Nilufer lebt, rebelliert gegen die Enge, geht schließlich in die Stadt und lässt sich dort mit Ganoven ein. Produziert wurde von einer der beiden großen Damen der ägyptischen Filmproduktion: Mary Queeny, die Ende der 1920er Jahre in einem Film der anderen großen Dame, Assia Dagher, ihr Schauspieldebüt gab. Mit Sohn des Nils setzt Chahine, zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt, erste eigene Akzente, zeigt ausführlicher als üblich das bäuerliche Leben im Niltal und wird zum ersten Mal nach Cannes eingeladen.

Im Juni 1952 stürzt eine Gruppe Offiziere den ägyptischen König. Vom späteren Staatschef Anwar as-Sadat gibt es zu diesem Putsch die Anekdote, er habe den Coup beinahe verpasst, weil er im Kino war. Zwei Jahre später, 1954, wird Gamal Abdel Nasser nach einer Reihe von Intrigen Staatschef. In einem Interview mit Yousry Nasrallah, der als Chahines Assistent begann und später selbst zu einem der bekanntesten Regisseure Ägyptens wurde, kommentiert Chahine diese Entwicklung: «Ich ärgerte mich nur über König Faruq, weil ich ihn für einen Mistkerl hielt und war sehr zufrieden, als man ihn stürzte, aber sonst begeisterte ich mich nicht besonders für Politik. Jetzt versuche ich mich etwas mehr auf dem Laufenden zu halten, aber Du wirst mich nie beim Zeitunglesen gesehen haben.»

Der Nicht-Zeitungsleser Chahine wird neben Salah Abu Seif, Tawfiq Saleh und Henry Barakat zu einem der zentralen Regisseure für den sozialen Aufbruch, der auf den Sturz des pro-britischen Königs folgte. In Kampf im Tal von 1954 verschärft Chahine die Konfliktlage, die er in Sohn des Nils nur reinszeniert hatte: Der Film eröffnet mit einer Sequenz, in der der junge Agraringenieur Ahmed Bilder der archaischen Landwirtschaft in einem Dorf im Niltal mit einem Offkommentar begleitet und berichtet, wie er mit seinem Vater den Anbau von Zuckerrohr auf den neuesten Stand gebracht hat, um den Pasha zu übertreffen. Vor den Titeln des Films platziert, wirkt diese Sequenz wie eine Verheißung auf Erneuerung. Das Ringen zwischen Ahmed, dessen Vater und dem Pasha hat die Komplikation, dass Ahmed in die Tochter des Pasha verliebt ist.

Mit Kampf im Tal und Kampf im Hafen von 1956 begründet Chahine seinen Ruf als sozialkritischer Regisseur. Für Kampf im Tal entdeckte Chahine einen jungen Schauspieler namens Michael Shalhub, der, um die Schauspielerin Faten Hamama heiraten zu können, zum Islam übergetreten war und den Namen Omar ash-Sherif angenommen hat. Mit Hamama arbeitet Chahine schon seit seinem ersten Film zusammen.

 

Tatort ... Hauptbahnhof Kairo (1958)

© courtesey Arsenal

 

1958 dreht Chahine einen seiner bekanntesten Filme: Tatort… Hauptbahnhof Kairo. Zwei Männer, der Gepäckträger Abu Serei und der Zeitungsverkäufer Qenawi (gespielt von Chahine selbst), in dessen Klumpfuß sich die Last seines Lebens verdichtet zu haben scheint, im Wettstreit um eine Frau (Hanuna, gespielt von Hind Rostum). In Tatort… Hauptbahnhof Kairo führt Chahine Gestaltungselemente des (Neo-)Realismus, eine sehr US-amerikanische Figurenführung und Spannungselemente wie bei Hitchcock zusammen. In einer der zentralen Szenen gerät die Getränkeverkäuferin Hanuma mitten hinein in eine Gruppe ausgelassen tanzender Halbstarker. Minutenlang verharrt die Kamera im Inneren eines Eisenbahnwagens, schwelgt in der Zeit- und Ortlosigkeit des Vergnügens. Ein kurzer Moment der Entspannung. Kenawis Kampf um Hanuma wird im Lauf des Films immer verzweifelter, parallel dazu wechselt der Film rasant die Register: vom anfänglich prägenden Realismus zur Poesie, über die Träume der Protagonisten zu einem Kriminalfilm, schließlich zur Tragödie.

Während Tatort… Hauptbahnhof Kairo im Ausland für Furore sorgt, Chahine auf der Berlinale beinahe einen Preis für seine Darstellung Qenawis gewinnt, ist der Film in Ägypten ein Flop. Im Gespräch mit Kristina Bergmann erinnert sich Chahine: «Tatort… Hauptbahnhof Kairo war ein Misserfolg, man spuckte mir bei der Premiere ins Gesicht. Ich verstand nicht, daß dieser Film als Angriff empfunden wurde, die Leute waren auf seine Sprache nicht vorbereitet.» Tatort… Hauptbahnhof Kairo wurde eine filmische Zäsur. Während Chahines Filme der frühen 1950er Jahre ungebrochen die Aufbruchsstimmung der Zeit nach dem Sturz der Revolution widerspiegelten und den Kontrast zwischen der Zeit vor und nach dem Putsch betonten, folgten ab Ende der 1950er Jahre eine Reihe filmischer Arbeiten, die die Politik Nassers glorifizierten.

1959 kommt es auf Betreiben Gamal Abdel Nassers zur Gründung der Vereinigten Arabischen Republik aus Syrien und Ägypten (mit dem Königreich Jemen als assoziiertem Staat) – eine Manifestation von Nassers panarabischen Ambitionen. Unter den ersten Filmen, die im Staatenexperiment der Vereinigten Arabischen Republik fertiggestellt werden, ist Chahines Djamila, die Algerierin (1958), ein Porträt der Befreiungskämpferin Djamila Bouhired, die im Algerienkrieg kämpfte, von den Franzosen verhaftet und gefoltert wurde. Der Algerienkrieg und das Schicksal Bouhireds waren damals Fokuspunkte internationaler und zuallererst interarabischer Solidarität. Djamila, die Algerierin ist Chahines erste Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Nagib Mahfuz, der das Drehbuch verfasste.

Der Film beginnt mit einer Beschwörung der Bedeutung Algeriens für die ganze arabische Welt. Bilder Algiers, vom Meer aus gedreht, an Land ein Landarbeiter, ein Laster, der eine Straße heraufkommt. Kurz darauf wird der Landarbeiter durch die Soldaten von seinem Land vertrieben. Das Land bekommen europäische Siedler. Anschließend begleitet ein wuterfüllter Off-Kommentar teils offenbar dokumentarische Bilder aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Elegant lässt Chahine dann die Protagonistin des Films als junges Mädchen auftreten, und an dieser Stelle übernimmt eine weibliche Stimme den Off-Kommentar. Der Werdegang Djamilas von der wohlbehüteten jungen Frau zur Kämpferin beginnt.

Der Film legt großen Wert darauf, die zentrale Rolle von Frauen im algerischen Befreiungskampf deutlich werden zu lassen. Djamila wird in einem Feldlager der Befreiungskämpfer ausgebildet. In den Szenen nach ihrer Verhaftung zeigt Chahine sie als eine moderne Jeanne d’Arc. Als den Aufständischen ein Dokument in die Hände fällt, das die Folter an Djamila belegt, starten sie eine Öffentlichkeitskampagne, in der der unter Nasser gegründete panarabische Radiosender Sawt al-Arab (Die Stimme der Araber) eine zentrale Rolle spielt.

Ansonsten treibt der Panarabismus eher skurrile Blüten, etwa wenn im «Hauptquartier» des Widerstands aus dem Radio eine Sendung zur Suezkrise läuft, und der Anführer das mit den Worten kommentiert: «Sie wagen es, Ägypten anzugreifen? Das Herz der arabischen Nation anzugreifen! Wir werden ihnen eine Lektion erteilen!» Djamila, die Algerierin weiß über weite Strecken nicht, ob er sich nun in Richtung Liebesmelodram, realitätsnahes Reenactment oder pro-ägyptische Propaganda entwickeln soll, ist aber filmhistorisch bedeutsam als erster massenwirksamer Spielfilm über den Algerienkrieg.

Bizarrerweise ist der erste Film, den Chahine nach dem Scheitern der Vereinigten Arabischen Republik dreht, eine Eloge auf Nasser im historischen Gewand. Nach dem überraschenden Tod des Regisseurs Ezzedin Zulfaqqar wird Chahine mit dem Historienepos Saladin (1963) betraut. Wegen des immensen Budgets entsteht der Film als Koproduktion zwischen der Produzentin Assia Daghir und dem nationalen Film Center. Der Film basiert auf einem Roman von Nagib Mahfuz. Chahine macht aus dem kurdischen Kriegsherren Salah al-Din einen panarabischen Helden. Schon der Titel des Films legt die Allegorie auf Nasser an, indem er Nassers Familiennamen Nasir (= siegreich) im Titel (Al Nasser Salah al-Din) verwendet. Der Film weist im Rückblick große Ähnlichkeit mit Ridley Scotts Kingdom of Heaven von 2005 auf und zeigt Saladin als weisen Feldherrn und Herrscher, der die arabischen Interessen vereint hält und religiöse Toleranz walten lässt, während die bornierten Kreuzzügler immer wieder mit ihren unterschiedlichen Interessen zu kämpfen haben. Saladin leidet unter seiner Textlastigkeit, und auch visuell gibt es Schwächen (das Blut sieht doch etwas arg nach Ketchup aus, wenn es dickflüssig über die Gesichter läuft).

Mitte der 1960er Jahre kehrt Chahine wie nicht wenige seiner Regiekollegen der immer kruderen ägyptischen Kulturbürokratie den Rücken und dreht zwei Filme im Libanon. Beide sind ziemlich durchschnittlich, der erste der beiden, Der Ringverkäufer von 1965, kann immerhin mit der libanesischen Starsängerin Fayrouz aufwarten. Zurück in Ägypten will Chahine nach der verheerenden ägyptischen Niederlage im Sechstagekrieg von 1967 einen Film über diese Ereignisse drehen. Stattdessen dreht er einen Kurzfilm über ein koptisches Ritual und wird anschließend erneut mit einem Megaprojekt betraut: der ersten ägyptisch-sowjetischen Koproduktion zum Bau des Assuanstaudamms. Gedreht in 70 mm, gerät das Projekt wie zu erwarten zwischen die Mühlen der Kulturbürokratie, Chahines Fassung von 1968 wird abgesetzt und es dauert eine Weile, bis An einemTag am Nil zu einer Fassung verhackstückt wurde, mit der man in beiden Ländern politisch leben zu können glaubt.

 

Die Erde (1970)

© courtesey of Arsenal

 

Nach den beiden Großprojekten Ende der 1960er Jahre, die jedes auf seine Weise hölzern geraten sind, realisiert Chahine Die Erde (1969), der zwar auch episch, inhaltlich aber zugleich eine Rückkehr zu den Filmen der frühen 1950er Jahre ist (es geht um die Auseinandersetzung über die Wasserversorgung von Ackerland in den 1930er Jahren). Die Erde gilt zurecht als eines von Chahines Meisterwerken, auf Augenhöhe mit Hauptbahnhof Kairo. Die Filme, die in den 1970er Jahren folgen, wirken wie ein Befreiungsschlag vom Bombast des Epischen. Die Wahl (1970), Der Sperling (1972) und Die Rückkehr des verlorenen Sohnes (1978) sind allesamt herausragende Gegenwartsfilme

Die Wahl beginnt mit einem Toten und verwebt im Verlauf des Films immer sorgsamer Fiktion und Wirklichkeit. Der Film entstand an der Schnittstelle zwischen den letzten Jahren Nassers vor dessen Tod 1970 und der Machtübernahme durch Anwar as-Sadat. Im Gespräch mit Chahine arbeitet Yousry Nasrallah die Qualitäten des Films heraus: «Die Wahl ist ein Remake von HauptbahnhofKairo, eine Anspielung auf Der Sperling und eine erste Reflexion der Lage Ägyptens nach 1967. Darüber hinaus ist es das erste Drehbuch, das Du allein geschrieben hast und in dem die Beziehung der Personen zu ihrer Umgebung auf neue Weise dargestellt wird.»

Der Sperling ist jener Film, den Chahine unmittelbar nach dem Sechstagekrieg hätte drehen wollen und nicht drehen konnte. Er zeichnet das Bild einer gespaltenen Nation. Einer Spaltung, die in Die Rückkehr des verlorenen Sohnes durch einen freigelassenen Gefangenen überwunden wird. Alle drei Filme lassen sich auch als Abgesang auf das Ägypten unter Nasser verstehen. Die Rückkehr des verlorenen Sohnes greift das Element des Singens auf, aber weniger als Showeinlage, wie in Papa Amin, denn als erzählerisches Mittel, wie in Der Ringverkäufer. Ein Stilmittel, auf das Chahine in der Folge immer wieder zurückgreifen sollte. In diesen drei Filmen von Anfang der 1970er Jahre entwickelt Chahine eine Formsprache, der er die 1980er Jahre hindurch treu bleibt.

Die Besonderheit der Alexandria-Trilogie liegt im Rückblick darin, dass sie zeitgleich zu Sadats Liebäugeln mit einer Islamisierung Ägyptens die Utopie eines bruchlosen Zusammenlebens verschiedener Religionen entwirft und in diese Erzählung auch noch homosexuelle Miniaturen einflicht – etwa in der Liebesgeschichte zweier junger Männer in Alexandria … warum? 1991 gewann die Islamische Heilsfront die ersten freien Wahlen in Algerien, wurde dann aber durch das Militär von der Macht geputscht. Vor diesem Hintergrund kam es in vielen Ländern der arabischen Welt zu einem Erstarken des politischen Islam.

Die Auseinandersetzung über Filme mit religiösen Spinnern aller Couleur sollte Chahines Filme der 1990er Jahre begleiten. In Der Emigrant (1994) wählt Chahine die Geschichte Josephs aus dem Alten Testament als Vorlage und wird nach dem Kinostart hintereinander von Islamisten und christlichen Fundamentalisten verklagt. Drei Jahre später, 1997, dreht er mit Das Schicksal erneut einen utopischen Historienfilm und setzt sich mit dem Erstarken des politischen Islam auseinander, indem er eine Geschichte aus dem 12. Jahrhundert erzählt und das Wirken Ibn Rushds (Averroes’) im arabischen Andalusien fiktionalisiert. Das Schicksal zeigt Ibn Rushd und seine Anhängerschaft als eine utopische Enklave, bedrängt von religiösen Fundamentalismen. Die Reconquista auf christlicher Seite und eine fundamentalistische Auslegung des Islam bedrohen das weltoffene, hedonistische Leben der Gruppe. Das Schicksal ist mit seiner Mischung aus wirbelnden Tanz- und Gesangsszenen und symbolischer Konfrontation der Weltbilder stilbildend geworden.

Zwischen Papa Amin von 1950 und Chaos, Chahines letztem Film von 2007 (entstanden ein Jahr vor seinem Tod) liegen knapp 60 Jahre. Über allen Wandel der Filmgestaltung und der Filmtechnik hinweg ist Youssef Chahine ein zentraler Akteur ägyptischer Filmgeschichte geblieben. Ein origineller Erfinder von Gegenutopien zu den Gegenwarten, die ihn umgaben.

 

Im Berliner Kino Arsenal läuft noch bis zum 31. März 2019 die Retrospektive Youssef Chahine Again and Forever