provinzkinos unserer jugendzeit
Cinemathek (Köln)
Von allen Bildern, die stets auftauchen, wenn ich an die Cinemathek denke, Kölns nichtwirklichkommunales Kino, das einst im alten Wallraf- Richartz-Museum untergebracht war – heute beherbergt das Haus etwas ganz anderes –, kommt mir eines am häufigsten in den Sinn, das nicht mit der Leinwand selbst zu tun hat und nicht einmal mit den Innenräumen des Kinos. Es muss im späten Frühling 1982 gewesen sein, als ich am Haus vorbeikam, sehr ausnahmsweise gar keinen Film sehen wollte und die große Menschentraube bemerkte, die am Fenster in der hinteren Wand stand, das normalerweise von einem lichtfesten Vorhang verdeckt war. Von dort war es ein ordentlich weiter Weg zur Leinwand, und ich vermochte mir gar nicht vorzustellen, was dort gerade zu sehen war. Ich blieb bei den Männern stehen (waren es wirklich nur Männer?), alle deutlich älter als ich, knapp 19 damals, von denen ich keinen als regelmäßigen Besucher des Kinos identifizieren konnte – und von denen kannte ich alle. Als ich fragte, was ihre Aufmerksamkeit fesselte, denn selbst konnte ich am Rand der Gruppe kaum etwas erkennen, nur dass eben ein Film gezeigt wurde, hatte ich begriffen, wurde mir sehr kurz angebunden gesagt, dass dort Yol lief, Yilmaz Güneys Film, der eben in Cannes die Goldene Palme gewonnen hatte. Kaum jemand von denen dort draußen war in der Lage, dem Film tatsächlich zu folgen, denn das ganze Kino stand voll mit Leuten, die sich in den großen Saal gequetscht hatten. Es wird wohl eine Gelegenheit gegeben haben, den Film kurzfristig zu zeigen. So etwas konnte passieren in der Cinemathek zu Köln, jenem Kino, in dem ich gelernt habe, Filme zu schauen.
Der Raum selbst war ein umfunktionierter Saal, und ich bin eigentlich über Jahre hinweg beinah jeden Tag dort gewesen. Ich habe Reihen gesehen, ohne Ende eigentlich, thematische Serien in allen Farben und unter allen möglichen Kennworten, Retrospektiven von diesen und jenen, Orson Welles ist mir noch präsent, und wie mich The Magnificent Ambersons begeistert und zugleich bitterlich enttäuscht hat, weil das junge Cineastenherz in mir nicht kapieren wollte, wie man so einen Film kaputtproduzieren konnte.
Ich erinnere mich so deutlich daran, wie beeindruckt ich war, ebenfalls 1982, von Francesco Rosis neuem Film Tre Fratelli, obwohl dieser längst nicht mehr die beängstigende analytische Kühle von dessen früherem Werk hatte – aber das sollte ich später erst begreifen. Und wie beeindruckt von Rosi selbst, der den Abend mit einer Diskussion abschloss.
Das war Teil der Logik der Cinemathek, von Helmut W. Banz, Gerd Berghoff und Alice Goetz, die spielten, worauf sie Lust hatten, was sie kriegen konnten, was andere nirgendwo mehr aufzutreiben in der Lage waren, und auf die Bühne zu bitten, wer gerade unterwegs oder von einer Botschaft eingeladen war – Hauptsache, es gab irgendetwas zu zeigen, das aus irgendeiner Perspektive zu betrachten spannend war. «Ich würde auch den ganzen Kurt Maetzig zeigen», sagte mir Berghoff einmal, «wenn mich dabei jemand unterstützen würde.» Dazu ist es dann nie gekommen. Dafür haben sie dort alles andere gespielt – und das war ja auch, was ich sehen wollte. Alles.