Über den Wolken
Ich weiß nicht, welche Ausstellung es war und wo, Jahre her, aber die Art, wie dort die Videokunst gezeigt worden ist, hat mich noch lange sehr beeindruckt.
Anstatt die Videos an die Wand zu projizieren, anstatt sie in kinoartige, schwer bevorhängte Nebenräume zu verbannen, anstatt dass sie dem Betrachter auf zwanzig Kanälen gleichzeitig entgegenflimmern und -plärren, hingen schwarze kleine Kästen an Stängeln von der Decke. Gerade so in Kopfhöhe – für Nichtgroßgenuge gab es, wenn ich mich recht erinnere, schlicht gehaltene Tritthocker verschiedener Größe. Man ging also durch den Raum und steckte hin und wieder seinen Kopf in eine schwarze Kiste und hatte dann ein eigenes kleines Privatkino für sich allein. Kopfkino, im wahrsten Sinne. Das freie Herumgehen, das ich an Ausstellungen so liebe und im Kino so vermisse, und das konzentrierte Filmerleben, das war hier auf maximal gute Weise vereint. Jeder schaut für sich allein, alle zusammen, etwas an.
Es war, wenn man so will, eine Edelvariante des Filmeguckens auf Langstreckenflügen.
Nun fehlt in Flugzeugen naturgemäß der Aspekt des freien Herumgehens, aber wenn man Glück hat, sitzt man neben jemandem, über den aufwendig drüberzusteigen, um zur Toilette zu gehen, sich ab und zu lohnt. Oder der Nebenmann ist der eigene Partner, der unverständlicherweise Keira Knightley toll findet.
Keira Knightley sieht immer so aus, als würde sie sehr viel Konzentration darauf verwenden, ihren Kopf so in die Kamera zu halten, dass ihr leichter Silberblick zur Geltung kommt. Damit ihr Gesicht ein klein wenig interessanter aussieht, was aber dazu führt, dass sie nur einen einzigen, sehr konzentrierten Gesichtsausdruck hat. Ich frage mich, ob sie gerade deshalb immer Rollen spielt, in denen sie «zeitlebens um die ihr zustehende Anerkennung kämpfen» muss? (So die Ankündigung für den Film Colette, 2018, den sich D. also dieses Mal auf dem Rückflug von Tokio nach Wien anschaut.) Jedes Mal, wenn Knightleys Gesicht in Nahaufnahme kommt, habe ich das akute Bedürfnis, umständlich über D. drüberzusteigen. Oder mit der Hand vor seinem Bildschirm rumzuwedeln. Nicht nur aus Antipathie! Auch weil die Situation so dazu einlädt, den Film des Sitznachbarn urteilsfreudig per Handbewegungen zu kommentieren. Ich gucke derweil Serenity (2019) mit Matthew McConaughey. Den kann ich auch nicht leiden, aber immerhin komme ich gar nicht hinterher beim Zählen seiner Gesichtsausdrücke: Von Zynismus, Schmerz, Wahnsinn, bis hin zum halbernst, aber immer wieder unternommenen Versuch, kein schlechter Mensch zu sein – da ist alles drin. Das ist schon ein toller Schauspieler. Da kann D. noch so viel vor meinem Bildschirm rumwedeln!
Und ist es irgendwie ein Ding, dass man, wenn man im Flugzeug sitzt, gar nicht so sehr Filme anschauen will, sondern Schauspieler?