spielfilm

It had to be Ischgl

Von Simon Rothöhler

© Searchlight Pictures | TSG Entertainment

 

«Painfully unfunny» sei dieses Remake, lautete der einhellige Konsens der US-Kritik Mitte Februar, als Downhill in den damals noch nicht geschlossenen nordamerikanischen Kinos startete – «a vacation-gone-wrong comedy that lives up to its ill-advised title», urteilte die New York Times einigermaßen ungnädig. Dabei hat Julia Louis-Dreyfus in diesem Film von Anfang an ein merkwürdiges Gefühl, als sie Will Ferrell und die beiden Söhne der in den Tiroler Alpen urlaubenden Familie Stanton durch diesen befremdlich aufgedrehten Skiort schleift und die Rezeptionistin des augenscheinlich von Neureichen überlaufenen Hotels fragt, warum denn hier nirgends Kinder außer den eigenen zugegen seien. Antwort in Stakkatosätzen: «Not here. Maybe in Fiss. Here is better. More lively. The Ibiza of the Alps. You’ll want to party all night». Den arglosen Amerikanern droht, eh klar, eine ziemlich b’soffene G’schicht. Als dann auch noch die Saunaregeln des Hauses erläutert werden (aus «Hygienegründen» schon beim Betreten des Wellnessbereichs bitte alle nackt stramm stehen) und auf die vorgeblich völlig naturentspannte Körperkultur der Europäer verwiesen wird – «The body», weiß die auch sonst durchgeknallte Hotelangestellte zu berichten, «is not to be ashamed of» – darauf Louis-Dreyfus, forever Elaine Benes: «Well, speak for yourself» –, schwant vermutlich auch Zuschauerinnen, die nicht mit Ruben Östlunds brillanter Vorlage Force Majeure (cargo 35) vertraut sind, dass das eher keine Pistengaudi wird, sondern ein Trip ins dunkle Herz der alpintouristischen Profitmaschine. Dass genau dort, wo im Februar 2019 die Dreharbeiten zu diesem europäische Arthouse-Konventionen mitparodierenden Remake stattfanden, ein Jahr später der katastrophalste europäische Pandemie-Hotspot sein mindestens bis nach Norwegen reichendes superspreading starten sollte, kann man einerseits den fröhlichen Ischgl-Setbildern auf Louis-Dreyfus’ Instagram Feed, andererseits den schon weniger humorigen Recherchen der Innsbrucker Staatsanwaltschaft entnehmen – oder auch Ed Moschitz’ sehenswerter ORF-Dokumentation Am Schauplatz: Ausnahmezustand Ischgl, die sich ursprünglich kritisch mit der ohnehin nur von echten Vollidioten für bare Münze genommenen Marketingkampagne eines angeblich «klimaneutralen» Paznauntal-Tourismus befassen sollte, dann aber, weil es bekanntlich nochmal anders arg wurde, investigativ umgeschnitten werden musste. So oder so: Der Ausnahmezustand war in Ischgl schon länger ein Dauerzustand, für Mensch und Natur gleichermaßen unerbittlich, was auch die Marketingspezis der Tiroler kaum aus der Welt dichten können. Detailliert ist auf den Seiten des lokalpatriotischen Leitmediums BlogTirol nachzulesen, wo Ferrell und Co. überall aufschlugen: in den klaustrophobisch engen Kabinen der Silvrettaseilbahn AG, auf dem obszönen Heliski-Landeplatz am Gletscher des Kaunertals – und eben im ikonischen Horrorort unser Gegenwart, der vor allem durch seine nun wirklich für immer weltberühmten Après-Ski-Spelunken in die Geschichtsbücher eingehen dürfte (auf BlogTirol ist diesbezüglich prophetisch von «après-ski hotspots» die Rede). Das Drehteam ging denn auch dorthin, wo es Zurechnungsfähigen weh tut: in die Schatzi Bar, den Kuhstall und natürlich in die bestens beleumundeten Etablissements Fuchs- und Kitzloch. Und so steht der Mann, der Ricky Bobby, Jacobim Mugatu, Chazz Michael Michaels und Ron Burgundy war (und gerade – als verfolge Ferrell ein größeres Europa-verstehen-Projekt – in Netflix’ Eurovision Song-Contest-Klamauk The Story of Fire Saga ein tribalistisch kostümierter «Volcanic Protector Man» namens Lars Erikssong ist), nun also auf dem Höhepunkt seiner schon auch nachvollziehbaren Midlife Crisis in Ischgls besinnungslos feiernder Ballermannhölle und fragt sich vermutlich nicht nur, warum er gerade eine Tröpfchenfontäne nach der anderen ins Gesicht bekommt, sondern auch, wie man das aufgefahrene Euro-Trash-Musikprogramm eigentlich ohne Alkohol überleben soll: «Die Krüge hoch», «Hände in die Luft», dröhnt es aus der Soundanlage und dann, als Will Ferrells Lichter schon erkennbar am Ausgehen sind, brüllt die zumindest auf dieser Ebene offenbar schon länger kreuzimmune Feiermenge angemessen delirant: «Durchgemacht!».

Downhill (Nat Faxon, Jim Rash) USA 2020