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@edwinoostmeijer @wereldsmart

Von Stephan Herczeg

Neuen Accounts von Sammlern auf Instagram zu folgen, hat etwas Berauschendes, zunächst nicht Vorhersehbares. Ungefähr so wie man sich als junger Mensch mit suboptimal verlaufenden Liebesaffären konfrontiert sah: die erste Zufallsbegegnung, das Entdecken gemeinsamer Interessen, Einblicke ins Private, aufkeimende Begeisterung. Aber alles natürlich immer nur einseitig, nach dem Sender-Empfänger-Prinzip. Bis man irgendwann meint, die Selbstdarstellungsmasche durchschaut zu haben, den Accountbetreibenden innerlich als Narzissten diffamiert und hysterisch die Beziehung wieder beendet, von der das Objekt der Begierde natürlich nie etwas mitbekam, da man es versäumt hatte, durch Emoji-Kommentare oder ekstatische Wortbeiträge auf sich aufmerksam zu machen.

Er heißt Edwin, entwickelt nachhaltige Bauprojekte in den Niederlanden und sammelt zeitgenössische Kunst im mittleren fünfstelligen Bereich. Gepostete Fotos belegen außerdem den Besitz eines liebevoll hergerichteten Hauses in der Dordogne, das er in den Ferien zusammen mit seinem Partner und einem schwarzen Hund besucht. Uns führte das Interesse an Louis Fratino zusammen, einem jungen US-amerikanischen Maler, ein «upcoming queer artist», dessen erstaunlich lieblos kuratierter Instagram-Account irgendwann einfach gelöscht und verschwunden war, weshalb ich auf Edwins üppigen Fratino-Content zurückgreifen musste.

Louis Fratino malt gerne anerotisierte Männerakte und Liebespaare, in gebrochenen Farben und einem semi-kubistischen Stil, den ich inzwischen aber dann doch manchmal als zu dekorativ abtue. Vielleicht habe ich aber auch einfach nur sein Gemälde Couple at Dusk, das in Edwins Schlafzimmer rechts oben neben dem Bett hängt, zu oft gesehen. Im Morgenlicht, im Sommerlicht, bei Kunstlicht, mit gemachtem und ungemachtem Bett. Überall in Edwins Haus hängt schöne Kunst, akribisch auf Instafotos dokumentiert und gehashtaggt, mit Künstlernamen, Titel, Jahr und Maßangaben in Inches und Zentimetern versehen. Ich glaube, als nicht zurückgeliebtes, möglicherweise leicht neidisches Follower-Schaf möchte ich nicht weiter an dieser sammlungswertsteigernden Maßnahme teilnehmen.

Im Zuge einer neuartigen Belle-Époque-Begeisterung machte mich dafür der unoriginelle Hashtag #1900 mit Kjelds Instagram-Account bekannt, auf dem er seine Sammlung historischer Fotografien präsentiert, vor allem Porträts und Familienbilder aus dem späten 19. Jahrhundert, die ihm befreundete Händler wohl kartonweise zukommen lassen. Nach eigenem Bekunden hat er ein besonderes Faible für «portraits of elderly women», was dann regelmäßig in den Kommentaren zu von Kjeld ignorierten Schlaumeierdebatten der Marke «she’s not elderly at all, maybe only 40!» führt. Mir gefällt besonders die unglamouröse Normalität der meistens in der Provinz entstandenen Aufnahmen. Zu sehen sind also selten in enge Korsettkleider geschnürte Upper-Class-Beauties aus Paris oder Brüssel, sondern vielmehr normalgesichtige und -gewichtige Bürgersfrauen in ihren schon in die Jahre gekommenen Sonntagskleidern. Kjeld sammelt aber auch «hair pieces» des 19. Jahrhunderts, unter Glas gepresste und gerahmte Haarbüschel und Locken von Kindern, ehemaligen Geliebten oder frühzeitig Verstorbenen. Finde ich nicht nur wegen des Reliquiencharakters irgendwie fies, muss mich wohl bald wieder von ihm trennen.