Klimatarier
Was haben Trauma, Selbstermächtigung und Klimawandel miteinander zu tun? In der Serie I may destroy you wird dazu in der siebten Folge eine Versuchsanordnung durchgespielt. Arabella, Opfer einer Vergewaltigung und auf der Suche nach dem Täter, ist pleite und bekommt einen Job im Callcenter eines veganen Bio-Versands. Der junge CEO wird auf sie aufmerksam, weil sie schwarz ist, und fragt, ob sie nicht Influencerin werden will, gegen extra Cash, versteht sich. Er hat Klimawandel an der Uni studiert, Tierhaltung sei eines der Hauptprobleme, und er hat deshalb den Versand «Happy Animals» aufgezogen. Sie drehen sogleich ein paar Spots für seinen Instagramkanal. «Stellt euch vor, sie müssen in Indonesien sogar die Hauptstadt Djakarta ins Inland verlegen, wegen des Klimawandels», sagt Arabella im pinkfarbenen T-Shirt in die Kamera und zeigt auf das Firmenlogo. Die Likes fliegen ihr nur so zu.
Auf der Geburtstagsparty ihrer Freundin kommen ihr allerdings Zweifel. Einer der Partygäste erzählt, dass neulich ein weißer Klimatarier an seiner Tür geklingelt habe, um ihm ein E-mobil anzudrehen. Wo er sich doch gerade einen hart verdienten Mercedes geleistet hat. Was kommt noch, eine Kuh gegen eine Karotte eintauschen? Später wird er ernster und wendet sich direkt an Arabella: Der CEO habe sie nur wegen ihrer Hautfarbe eingestellt. So, wie die Kolonialisten und die Missionare die Sklaven, so benutze nun der CEO Arabella ausschließlich zu dem Zweck, seine Macht zu erweitern.
Race, class and gender, vom Klima durchweht. Ein guter Punkt. Kathryn Yusoff, deren Buch A Billion Black Anthropocenes or None ich gleichzeitig mit der Serie lese, verlegt den Anfang des Klimawandels unter den Erdboden. Sie erzählt die Geschichte der Geologie als einer Wissenschaft, die nicht nur die Erdkruste erforscht, sondern zugleich dem Kapital Zugang zu den begehrten Ressourcen verschafft. Um diese zu heben, braucht es Arbeitskräfte, was den Sklavenhandel befeuerte. Die Erhitzung der Welt basiert auf der Ausbeutung von Menschen, denen alle Rechte abgesprochen und die selbst als Ressource betrachtet werden. Diese Version widerspricht der Behauptung, dass der Anthropos oder die Menschheit den Klimawandel verursachen, und dass wir deshalb im Anthropozän leben. Es ist, so Yusoff, allenfalls ein Kapitalozän, eine Kolonialgeschichte, die sich in die materiellen Verhältnisse eingeschrieben hat. Der Rassismus der Geologie ist der blinde Fleck, wenn uns wieder einmal die Klimadepression und die Lust auf grünes Frustshopping erfasst. Der Freund von Arabella, der ein T-Shirt mit der Aufschrift «monkey» trägt, positioniert sich mit seiner Tirade gegen eine vornehmlich weiße Klimabewegung, die sich herausnimmt, ihn zu belehren.
Arabella zieht ihre eigenen Schlüsse daraus. Beim nächsten Instagramdreh kapert sie das Shooting. Sie reißt sich vor laufender Kamera ihre Perücke aus schwarzem glattem Haar vom Kopf und beißt in einen Chickenwing, den sie aus einer mitgebrachten Box zaubert. «Happy Animals»: ist alles nur Fake, auch für diese Botschaft fluten die Likes den Screen. Michaela Coel, die Arabella spielt und die Serie geschrieben hat, beißt beim Dreh übrigens in einen panierten Blumenkohl, weil sie plant-based lebt. Steht so im Internet.