Sound / Atmo
Die Urszene der Filmvertonung spielt sich im Kinderzimmer ab, wenn es beim Hubschraubereinsatz ordentlich schrabbt, beim Autofahren brummt, die Fliege summt. Auf der schönen Seite bzzzpeak.com sind derlei Klangmalereien aus Kindermund dokumentiert, nach Heimatländern sortiert. Wie macht die Katze in Japan? Wie bellt der Hund in England? Eine Rezensentin fasst die überraschend disparaten Ergebnisse zusammen: Barks are local, meows are global.
Solche Mimesis, das Sprechen oder Singen als Geräuschemachen, ist auch unter Erwachsenen in vielen Situationen unverzichtbar: Wenn man sich zum Beispiel über Klänge verständigen muss, bei denen der Verweis auf ihre Quelle zur Bestimmung des konkret gebrauchten Sounds nicht ausreicht. Das ist etwa bei der Vertonung von Science-Fiction- und Animationsfilmen der Fall. Mitunter verwischt sogar die Grenze zwischen der onomatopoetischen Rede über Sounds und tatsächlicher Filmvertonung. King Kongs Schnaufen etwa war 1933 das seines Sound Designers Murray Spivack. Und wenn ich eine Jugendsünde beichten darf, so habe ich einmal expressives Heulen von Wind, das ich für einen Film gerade brauchte, einfach selbst ins Mikrofon gehaucht. (Auf arte bin ich erstaunlicherweise damit durchgekommen. Ob sich ein beispielsweise japanisches Publikum über die seltsamen westlichen Windgeräusche wundern würde, weiß ich allerdings nicht.)
«You can have ratta tata, pause, ratta tat, pause, pause, pause, budadadada»: So klingt es, wenn Ben Burtt, als Schöpfer des Star Wars-Laserschwerts quasi ein Ritter des Ordens der Sound Designer, von seiner Actionkracher-Arbeit erzählt. Einer seiner Kollegen beschreibt die Schwierigkeit, einem exotischen elektronischen Klangeffekt, den er für einen Science-Fiction-Film entwickelt hatte, einen brauchbaren Namen für die Archivierung zu geben: Will man auf die Sound-Datei später noch einmal zurückkommen, so hilft der – im Ursprungskontext durchaus treffende – Name «Dylithiumkristall-Alarm» wenig.
Derlei Effekte werden häufig mit Synthesizern produziert – man denke etwa an das Kreischen der Vögel in Hitchcocks The Birds, das Oskar Sala auf seinem Mixtur-Trautonium erzeugt hatte. Das Projekt «Befreiung des Klangs», in dessen Zusammenhang das Trautonium und seine Verwandten entwickelt wurden, hat mit der Standard-Notation auch das Sprechen über Musik in eine (produktive) Krise gestürzt. Spricht man über Werke der elektronischen Musik, so rückt das Hörerlebnis bzw. seine Beschreibung in den Mittelpunkt; mit Pierre Schaeffer nennt man das akusmatisches oder reduziertes Hören, ein Lauschen, das sich sein Pendant, das Klangobjekt, quasi performativ erarbeitet.
Vielleicht der beste Indikator für die Schwierigkeiten, über den Klang an sich zu sprechen, sind die Glossare, die sich in vielen einschlägigen Büchern und im Internet finden. Da spielt sich eine Arbeit am Begriff ab, für die ich zwei extreme Ausprägungen nennen möchte.
Der französische Musiker und Autor Michel Chion, ein Schüler Schaeffers, hat seit den 80er Jahren viele nützliche Begriffe für die Analyse audiovisueller Medien ins Spiel gebracht. Angesichts der aktuellen Ausgabe seines Glossars kann man sich allerdings fragen, ob Chions begriffliches Instrumentarium durch jahrelange Differenzierung gewonnen oder verloren hat. Fast schon wie eine Parodie auf die eigenen terminologischen Anstrengungen wirkt etwa sein Begriff «synchrono-cinématographe audio-logo-visuel»: Dieses Ungetüm wurde ca. 1927 geboren und hört auf den Namen Tonflm.
Einen Fachterminus ganz anderer Art findet man im deutschsprachigen Filmmusik-Glossar der Universität Kiel: «walla, auch rhubarb». Ein englischer Begriff für die Aufnahme von Hintergrundkonversation, bei der das Publikum auf keinen Fall einzelne Wörter oder Sätze verstehen darf. Diesen Effekt aber führt man seit den ersten Tagen des audio-logo-visuellen Synchrono-Kinematographen herbei, indem man Leute das Wort «wallawalla» murmeln lässt – herumrhabarbern halt.