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Filmographie Von Masahista (2005) zu Lola (2009)

Von Bert Rebhandl

Lola (2009)

Zwei Großmütter müssen in den Straßen Manilas, in Polizeibüros, im Gefängnis und (in einer großartigen Szene) in einem Ruderboot auf einem Kanal ausbaden, was ihre Nachkommen angerichtet haben: Der Enkelsohn der einen soll den der anderen umgebracht haben. Es geht nicht um Schuld, Trauma und Sühne, sondern darum, was aus der Situation konkret für die inner- und interfamiliäre Organisation des Alltagslebens folgt. Der Film lässt sich auf die Hauptdarstellerinnen ein, Mendozas agile Kamera folgt langsam und beharrlich den beiden alten Frauen und ihren Bewegungen durch den sozialen Raum, der immer wieder die Grenzen des Bildraums sprengen zu wollen scheint. Gleichzeitig orientiert sich Mendozas neuster Film stärker an Modellen des klassischen Erzählkinos und kündigt in dieser Hinsicht möglicherweise eine neue Werkphase an.

 

Kinatay (2009)

Mendozas in Cannes ausgezeichnetes Skandalwerk ist in zwei sehr unterschiedliche Abschnitte gegliedert: Zunächst folgt der Film im typischen Stil seines Regisseurs einem jungen Poilizeianwärter bei seinen alltäglichen Handlungen an einem Tag unter vielen. Sobald es Nacht wird, wandelt sich der Film (und wechselt von fotochemischem zu digitalem Aufnahmematerial). Der angehende Polizist wird von älteren Kollegen auf einen Spezialeinsatz mitgenommen und muss mit ansehen, wie diese eine Prostituierte entführen, töten und anschließend zerstückeln. Das ist so brutal, wie es sich anhört, aber nicht so grafisch. Weite Teile dieses zweiten Abschnitts spielen in einem engen, düsteren Polizeivan, dessen nicht vorhandene Ausleuchtung die Orientierung absichtsvoll zerstört. Ein Angriff noch auf die Bedingungen der Sichtbarkeit. Dazu dunkel-atmosphärische Ambient-Sounds.

 

Serbis (Service, 2008)

Ein Kino in der philippinischen Provinz steht im Mittelpunkt von Serbis (Service). In dem alten, verwinkelten Gebäude werden erotische Filme gezeigt (ein Plakat kündigt Bedmates mit Barbara Milano an), im Vorführsaal und in den Treppenhäusern finden die sexuellen Begegnungen und Geschäfte statt, denen das Kino den sozialen Raum gibt. Mendoza erzählt von der Familie, die in diesem Gebäude lebt und arbeitet: Liebesverhältnisse, Schwangerschaft, Gerichtsverfahren, alles hat seinen konkreten Ort, in einem ständigen Treppauf, Treppab, und hinaus auf die Straße, zu der hin sich das Gebäude mit einem Imbiss öffnet.

 

Tirador (Slingshot, 2007)

In Quiapo, einem Viertel von Manila, spricht sich herum, dass eine Razzia der Polizei bevorsteht. Die Warnung wird dabei über ganz kurze Distanzen weitergegeben, denn hier leben die Menschen eng zusammengedrängt. Die Kamera folgt den Bewegungen, kann aber nicht immer gleich mit. Wer fliehen muss, tut dies durch einen winzigen Spalt zwischen den Häusern oder gleich durch ein Kanalrohr. Am nächsten Morgen wird eine ganze Reihe junger Männer aus dem Viertel von der Polizei wieder entlassen, auf Intervention des lokalen Politikers Tagasa hin, von dem man gut und gern annehmen kann, dass auch die Razzia auf seine Veranlassung hin stattgefunden hatte. Tirador ist das Epos von Quiapo, ein Epos auf kurze Distanz, knappe Geste, scharfe Wendung.

 

Foster Child (2006)

Ein Tag im Leben einer Familie, die einen Teil ihres Einkommens über Pflegekinder bezieht, die ihr von einer Agentur vorübergehend zur Aufsicht überlassen werden. Der ihnen aktuell anempfohlene John-John muss bereits wieder abgegeben werden. Ihn zieht es in Richtung Amerika. Pflegemutter Thelma muss ihren Schützling waschen, herausputzen und bekochen. Zwischendrin findet sie immer wieder Zeit, in den engen Gassen der Slums Manilas nebenbei kleinere Geschäfte zu erledigen. Wie auch der Film sich genug Seitenblicke gönnt, Blicke weg vom ohnehin nur rudimentär ausgearbeiteten Plot, auf die Welt, durch die Thelma und Mendozas äußerst agile Kamera sich bewegen. Und die nächsten beiden Pflegekinder warten bereits. Mendoza zeigt die totale Ökonomisierung des Familiären, ohne dabei irgendeinen der Beteiligten zu denunzieren.

 

Manoro (The Teacher, 2006)

In der Provinz Pampanga, im Einzugsgebiet dies 1991 ausgebrochenen Vulkans Pinatubo, lebt das Volk der Aeta. Die Menschen sind überwiegend illiterat, von dem Wahlkampf um die philippinische Präsidentschaft fühlen sie sich nicht angesprochen. Jonalyn, eine junge Aeta, hat lesen und schreiben gelernt und versucht nun, ihren Leuten zumindest die für eine Stimmabgabe notwendigen Grundkenntnisse beizubringen. Manoro ist ein Gehfilm, stundenlang läuft Jonalyn mit ihrem Vater zu einer entlegen lebenden Gruppe, auf der Suche auch nach dem Großvater, der Wildschweine jagt. In Flip Flops über Stock und über Stein, der Weg der Demokratie auf den Philippinen.

 

Kaleldo (Summer Heat, 2006)

Ein elegantes Melodram mit ansehnlichen production values, auf den Philippinen verliehen vom Industriegiganten Viva und auch in ästhetischer Hinsicht in relativer Nähe zum Mainstreamkino des Heimatmarkts. An seine späteren Filme erinnert eigentlich nur die Anfangssequenz, eine genau beobachtete und komplex konstruierte Hochzeitsfeier. Die Braut ist eine von drei Schwestern, der Film erzählt episodisch die wenig glücklichen Schicksale von allen drei: Schwiegerelternterror, Untreue, Eifersucht, häußliche Gewalt, lesbische Liebe. Ein Regisseur, der sichtlich noch auf der Suche nach Form und Gegenstand ist und sich manchmal in ziemlich überflüssigen Symbolismen ergeht. Trotzdem ist der Versuch erkennbar, ernsthaftes, ehrliches Kino auch unter den verschärften Bedingungen des kommerziellen philippinischen Filmschaffens zu erreichen.

 

Masahista (The Masseur, 2005)

Schon in Mendozas erstem Film ist sein Lieblingsschauspieler Coco Martin mit von der Partie. Der verkörpert Iliac, der in einem Massagestudio als Prostituierter arbeitet. Mendozas Film wechselt über die gesamte Laufzeit zwischen einem gewöhnlichen Arbeitstag Iliacs samt ausführlichem Kundenkontakt und Rückblenden, die seine familiäre Situation beleuchten, hin und her. Außerdem schaut gelegentlich Iliacs kratzbürstige Freundin vorbei und teilt aller Welt mit, was sie vom Beschäftigungsverhältnis ihres Lebensgefährten hält. Bereits in seinem ersten Film lässt sich Mendoza bedingungslos auf seinen Schauplatz und dessen soziale Valenz ein. Ein schwuler Softporno – als solcher war Masahista von den Produzenten in Auftrag gegeben worden – ist das irgendwie immer noch; aber einer, der seine sexuellen Attraktionen bei jeder Gelegenheit und sehr nachhaltig dezentriert.